Norderstedt. Neubau kommt fast zum Erliegen. Aber: Die Zahl der Menschen mit wenig Geld, die eine Wohnung suchen, steigt. Welche Lösungen es gibt.

Wer in Norderstedt eine Wohnung sucht und wenig Geld hat, wird kaum Erfolg haben. Die Mieten sind hoch und: Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpft gen Null. Die städtische Statistik nennt für das Jahr 2013 noch 2282 geförderte Wohnungen. Aktuell sind es noch rund 1500, in den nächsten zehn Jahren wird sich der Bestand auf rund 600 mehr als halbieren. Im Jahr 2057 wird auch die letzte geförderte Wohnung aus der Wohnungen mit Mietpreisbindung fallen.

„Wir wissen natürlich nicht, wie viele geförderte Wohnungen in den nächsten Jahren gebaut werden, sodass es auch weiterhin einen gewissen Bestand geben kann“, sagt Sirko Neuenfeldt, Leiter des Sozialamtes. Momentan ist der Neubau von Wohnraum insgesamt fast zum Erliegen gekommen, und das bundesweit.

Inflation, hohe Baukosten und Zinsen, Fachkräftemangel – Neubau liegt auf Eis

Die Inflation, hohe Baukosten und Zinsen, Fachkräftemangel – die Folgen zeigen sich auch in Norderstedt. „Wir können im Moment keine neuen Projekte starten“, hatte Volker Heins, Geschäftsführer des Norderstedter Wohnungsunternehmens Plambeck erst vor kurzem im Gespräch mit dem Abendblatt gesagt.

Allerdings will das Land den Bau von geförderten Wohnungen mit einem Förderprogramm anschieben. 1,35 Milliarden Euro sind dafür bis 2026 vorgesehen. Gefördert wird im Norden überall dort, wo die Mieten besonders hoch sind und der Wohnungsmangel groß ist.

90 Millionen aus dem Fördertopf des Landes entfallen auf Norderstedt

Mit rund 110 Millionen Euro entfällt der größte Posten auf den Hamburger Rand mit den Kreisen Segeberg und Pinneberg. Für diesen Bereich hat die Investitionsbank Schleswig-Holstein, zuständig für das Förderprogramm, Durchschnittsmieten zwischen 8,93 und 10,99 Euro netto kalt pro Quadratmeter ermittelt. Norderstedter zahlen im Schnitt 9,77 Euro, es können aber auch schon mal 15,05 Euro für den Quadratmeter sein.

Zwischen 2019 und 2022 flossen laut Investitionsbank gut 105 Millionen Euro aus Kiel in den Kreis Segeberg. Damit wurden 568 Wohneinheiten gefördert. Bis November 2023 beläuft sich die Summe auf 18,7 Millionen Euro für 100 Wohneinheiten. Gut 90 Millionen und damit die mit Abstand größte Summe entfielen zwischen 2019 und 2022 auf Norderstedt. 473 Wohnungen wurden mit dem Geld gebaut oder saniert. Bis November 2023 gab es knapp sieben Millionen Euro für 36 Wohnungen aus dem Förderprogramm des Landes.

Stadt schafft Wohnraum für benachteiligte Menschen

Mit dem Zuschuss des Landes hat Norderstedt Wohnraum nach dem „Norderstedter Modell“ geschaffen – 64 vermietete Sozialwohnungen insbesondere für jene Menschen, die wegen unterschiedlicher Gründe bei der Wohnungssuche im Nachteil sind: Geflüchtete mit Duldung oder Aufenthaltsberechtigung, Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Männer und Frauen, Bewohnerinnen von Frauenhäusern, aber auch Alleinerziehende, Geringverdienende, Seniorinnen und Senioren.

Aber nicht nur die Stadt engagiert sich, um Menschen mit wenig Geld oder in besonderen Situationen ein Dach über dem Kopf zu besorgen. 71 Sozialwohnungen entstehen gerade an der Ulzburger Straße, sie sind Teil eines der wichtigsten Neubauprojekte in Norderstedt. Unter dem Namen „4Höfe“ werden dort insgesamt 300 Wohnungen gebaut.

Klimaschonendes und gefördertes Bauen wird in Norderstedt erprobt

Ein Holzskelett und neuartiger Beton: Die Firma Blu baut in Norderstedt besonders klimaschonend 71 Sozialwohnungen.
Ein Holzskelett und neuartiger Beton: Die Firma Blu baut in Norderstedt besonders klimaschonend 71 Sozialwohnungen. © BLU | blu

Auf einem der vier Baufelder realisiert die Firma „Blu“, eine Tochter des Hamburger Bauunternehmens „Aug.Prien“, 71 Wohnungen, ein landesweites Modellprojekt, denn: Es geht um klimaschonendes Bauen und die Frage, wie sich das mit dem sozialen Wohnungsbau in Einklang bringen lässt. „Wir wollen testen, wie ob sich durch Naturmaterialien wie ein Holzskelett und neuartigem Beton und eine standardisierte Bauweise Kosten sparen lassen“, sagt Blu-Geschäftsführer Carsten Joost. Er erhofft sich von dem Pilotversuch Erkenntnisse für künftige Bauprojekte, sowohl kaufmännisch als auch kaufmännisch. Im Herbst 2024 soll das Modellvorhaben fertig sein.

„In diesem Jahr sind 380 Bewohner unserer Unterkünfte in eine eigene Wohnung gezogen, im Vorjahr waren es mehr als 200“, sagt Sozialamtsleiter Neuenfeldt, der das mit Blick auf die schwierige Lage im Wohnungsbau für „bemerkenswert“ hält. Dass Menschen die Unterkünfte verlassen, helfe enorm, denn 420 Geflüchtete seien der Stadt in diesem Jahr zugewiesen worden.

Die Zahl der Menschen mit Anspruch auf eine Sozialwohnung wächst

Dem zunehmenden Mangel an günstigem Wohnraum – ein Langzeitproblem in Norderstedt – steht eine wachsende Zahl von Menschen gegenüber, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. „Für dieses Jahr rechnen wir damit, dass wir knapp 1200 Wohnberechtigungsscheine ausstellen werden“, sagt Rathaussprecher Bernd-Olaf Struppek. Eine deutliche Zunahme im Vergleich mit dem vorigen Jahr, als 919 solcher Anspruchsscheine vergeben worden seien.

Dem zunehmenden Mangel an günstigem Wohnraum – ein Langzeitproblem in Norderstedt – steht eine wachsende Zahl von Menschen gegenüber, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. „Für dieses Jahr rechnen wir damit, dass wir knapp 1200 Wohnberechtigungsscheine ausstellen werden“, sagt Rathaussprecher Bernd-Olaf Struppek. Eine deutliche Zunahme im Vergleich mit dem vorigen Jahr, als 919 solcher Anspruchsscheine vergeben worden seien.

Wohnungsunternehmen verzeichnen hohe Nachfrage nach gefördertem Wohnraum

Plambeck-Geschäftsführer Steffen Becker hält eine flexible Quote an Sozialwohnungen bei Neubauten für den richtigen Weg.
Plambeck-Geschäftsführer Steffen Becker hält eine flexible Quote an Sozialwohnungen bei Neubauten für den richtigen Weg. © Plambeck | PLAMBECK

Den steigenden Bedarf bekommen auch die Wohnungsunternehmen zu spüren. „Die Nachfrage nach geförderten Wohnungen ist bei uns stets sehr hoch. Das gilt glücklicherweise ebenso für frei finanzierten Wohnraum“, sagt Steffen Becker, Geschäftsführer des Norderstedter Wohnungsunternehmens Plambeck.

Beim Neubau von Wohnungen spiele die Quote nicht mehr die entscheidende Rolle – die Stadtvertretung hatte im Oktober 2019 beschlossen, dass bei Neubauvorhaben 50 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden müssen. Inflation, hohe Zinsen und Baukosten sowie fehlende Fachkräfte seien die größeren Barrieren. Becker ist ein gegen Einführung einer starren Quote: „Wir halten ein flexibles Handhaben der Vorgaben in Abhängigkeit vom jeweiligen Projekt für zielführender, um in der aktuellen Situation Wohnraum schaffen zu wollen, der so dringend benötigt wird.“

Bessere Förderung des Landes – Quote von 50 Prozent Sozialwohnungen realisierbar

„Grundsätzlich ist auf dem Markt eine Zunahme der Nachfrage nach öffentlich gefördertem Wohnraum festzustellen. Dies resultiert aus den wirtschaftlichen Gegebenheiten und aus der Flüchtlingssituation“, sagt Kim Münster vom Norderstedter Wohnungsunternehmen Adlershorst, das ebenfalls eine steigende Nachfrage nach öffentlich gefördertem Wohnraum spüre – ein Phänomen, das auf alle Standorte zutreffe, in denen Adlershorst vertreten ist.

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Das Innenministerium in Schleswig-Holstein habe die soziale Wohnraumförderung an die schwierige Situation beim Wohnungsbau angepasst und die Baukostensteigerungen durch eine höhere Förderung abgefedert. „Das führt zu einem deutlichen Anstieg der Förderanträge für sozialen Wohnungsbau“, sagt Münster. Daher sei die Quote von 50 Prozent Sozialwohnungen umsetzbar.

Adlershorst will im nächsten Jahr 109 Wohnungen in Norderstedt bauen

Die Bauprojekte, die Adlershorst derzeit realisiert, gingen auf Pläne zurück, die schon vor mehreren Jahren verabschiedet wurden, und für die noch die alte Quote von ein Drittel Sozialwohnungen gelte. Die neuen Vorhaben würden „selbstverständlich mit einer Förderquote von 50 Prozent in Norderstedt umgesetzt“.

In diesem Jahr habe Adlershorst 105 Wohnungen in Norderstedt gebaut, 2024 werden es voraussichtlich 109 Wohnungen sein.