Henstedt-Ulzburg. Bittere Nachricht für den Einzelhandel in der Großgemeinde: Warum Edeka den Standort im Gewerbepark Nord dicht macht.
Das ist ein Hammer für den Einzelhandel in Henstedt-Ulzburg. Und zwar in einem ausdrücklichen negativen Sinn. Marktkauf wird seinen Standort im Gewerbepark Nord Ende März 2024 schließen. Das wurde der Belegschaft unmittelbar vor dem Jahresende am Donnerstag nach Feierabend bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt. Waldemar Bianga, Gemeindevertreter der CDU, hatte die Nachricht wenige Stunden später bei Facebook gepostet, er hatte die Info zuvor von einer Bekannten erhalten, die in der Filiale tätig ist. „Allen Mitarbeitern ist gekündigt worden“, sagte er auf Abendblatt-Nachfrage. Betroffen sind 77 Angestellte.
Marktkauf ist Teil der Edeka-Handelsgesellschaft, die ihren Sitz in Neumünster hat. Und tatsächlich teilt eine Sprecherin mit: „Leider müssen wir bestätigen, dass unser Untermietverhältnis für den Marktkauf-Standort in Henstedt-Ulzburg aufgrund des Insolvenzverfahrens und der damit einhergehenden Kündigung des Hauptmieters Real keinen Bestand mehr hat.“
Einzelhandel: Marktkauf in Henstedt-Ulzburg schließt im nächsten Frühjahr
Die Filiale war erst Mitte April 2022 eröffnet worden. Geschäftsleiter Cihan Özen, der sich nicht äußern wollte, und sein Team waren zuvor komplett beim Unternehmen Real angestellt. Die Warenhaus-Kette, die einem Finanzinvestor gehört und die sich mittlerweile in einem Insolvenzverfahren befindet, hatte einige lukrative Märkte an die Konkurrenz abgegeben, darunter jenen in Henstedt-Ulzburg. Unter einem neuen Namen, mit verändertem Konzept, sollte hier ein Neustart des SB-Warenhauses stattfinden. Binnen zwei Wochen wurde der Standort umgebaut, rechtzeitig zum Osterfest war alles fertig.
Nur: Die Immobilie selbst gehört, wie der gesamte Gewerbepark Nord, der Redos Real Estate Group. Diese hatte einen Mietvertrag mit Real, der nun hinfällig wurde. „Trotz intensiver Bemühungen und Gespräche mit dem Vermieter Redos konnte keine Übernahme des Standortes durch Edeka Nord erzielt werden. Wir befinden uns noch in laufenden Gesprächen mit dem Vermieter und gehen derzeit von einer Schließung zu Ende März 2024 aus“, heißt es seitens Edeka. Redos, das wiederum 2022 mehrheitlich von der Redevco Holding übernommen wurde, war am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Wie gut das Geschäft bei Marktkauf seit der Eröffnung lief, war im Ort stets Gesprächsthema. „Es ist immer voll“, sagt Waldemar Bianga. Anfang Dezember zumindest hatte sich Cihan Özen noch zusammen mit dem neuen Geschäftsführer von „Henstedt-Ulzburg Marketing“, Oliver Dannenberg, fotografieren lassen für die Aktion „Ich kaufe in Henstedt-Ulzburg“, die regionales Kaufverhalten stärken soll. „Wir beteiligen uns gern an diesem sinnvollen Projekt, denn auch als national aktives Unternehmen schätzen wir die Bindung zu unserem Standort Henstedt Ulzburg und unseren Kundinnen und Kunden hier vor Ort sehr“, so ließ er sich zitieren.
Streit um Rewe-Pläne: Edeka wandte sich direkt an Verwaltung und Politik
Doch es gab im Herbst auch Streit, an dem Marktkauf beziehungsweise Edeka indirekt beteiligt waren. Der große Konkurrent Rewe hatte seine Pläne präsentiert, wonach auf der ehemaligen Dello-Fläche an der Kreuzung Gutenbergstraße/Kisdorf-Feld ein Vorzeige-Supermarkt nach dem „Green Farming“-Prinzip entstehen soll. Dieser würde ein Gewächshaus auf dem Dach haben, eine Fischfarm, Wasser und Dünger würden so in einem nachhaltigen Kreislauf mehrfach genutzt werden können. Und die unmittelbare Nähe zum Rewe-Logistikzentrum in der Rudolf-Diesel-Straße würde kurze Transportwege garantieren.
Nachdem die Gemeinde das Projekt positiv sah, gab es in der Politik teils verhaltenere Reaktionen. Einige Fraktionen sagten, es gebe bereits ausreichend Einzelhandel im Ort. Noch ein neuer Markt könnte zu einer Übersättigung führen. Und Rewe selbst hatte sogar transparent angegeben, das Ziel zu haben, seine Kundschaft teils von der Konkurrenz abzuwerben.
Henstedt-Ulzburg „im Lebensmitteleinzelhandel erheblich überversorgt“
In einem ungewöhnlichen Schritt wendete sich Edeka daraufhin direkt mit einem vertraulichen Schreiben an Rathaus und Politik. Die Inhalte sickerten bald durch. Henstedt-Ulzburg sei „im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels“ nach Untersuchungen des Unternehmens „erheblich überversorgt“. Dem Vernehmen nach mahnte Edeka: Ein neuer Rewe-Supermarkt hätte negative Auswirkungen auf Marktkauf, das dann möglicherweise in ein bis zwei Jahren schließen müsste.
Und auch die Nachbarorte meldeten sich, wie Bürgermeisterin Ulrike Schmidt berichtete: „Ich will darauf hinweisen, dass wir Mitteilungen von Kaltenkirchen und Kisdorf erhalten haben, die der Ansiedlung eines Supermarktes mindestens sehr kritisch gegenüberstehen – wenn nicht ablehnend“, sagte sie.
Gewerbepark Nord: Händler sind zufrieden mit dem Standort
Dennoch: Der zuständige Planungsausschuss votierte letztlich dafür, das Bauleitverfahren zu starten, wenn auch ohne fixe Zustimmung zur Ansiedlung. Vielmehr soll es sorgfältige Untersuchungen geben – zu den Auswirkungen auf den Verkehr, aber insbesondere eben auch zu den möglichen Effekten für den Einzelhandel im Gewerbepark und generell in der Ortsmitte.
Mit der aktuellen Entwicklung konfrontiert, äußerte sich Sebastian Döll, Wirtschaftsförderer der Gemeinde, zurückhaltend. Er habe keinen anderen Sachstand als jenen, den er über die Medien erfahren habe. Die Umstände bezüglich Redos, der Real-Insolvenz und Edeka sind im Rathaus natürlich bekannt. „Wir haben von Edeka gehört, dass sie mit dem Standort im Gewerbepark zufrieden seien“, so Döll. „Dort stimmt die Frequenz, es ist ein interessanter Standort.“
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Marktkauf-Schließung: Es gibt schon einen neuen Mieter für die Laden-Immobilie
Welche Auswirkungen die Marktkauf-Schließung über die nächsten Monate auf Henstedt-Ulzburg haben wird, ist noch offen. Allerdings wird die 6500 Quadratmeter große Ladenfläche wohl nicht lange leerbleiben. „Eine Übernahme der Mitarbeiter:innen durch den Folgemieter konnte nicht erreicht werden“, auch das sagt Edeka. Wer dieser „Folgemieter“ sein könnte, darf spekuliert werden. Bekannt sind die Gerüchte, wonach Kaufland aus dem CCU gerne in den Gewerbepark Nord umziehen würde. Auch Rewe könnte Interesse haben.
Die Leidtragenden sind vorerst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Marktkauf, für die es nur eventuell einen neuen Job im Unternehmen geben wird. „Wir befinden uns bereits in Gesprächen mit Kaufleuten umliegender Edeka-Märkte, um offene Stellen zu identifizieren und die Mitarbeiter:innen innerhalb des Unternehmensverbunds weiterzuvermitteln.“