Henstedt-Ulzburg. Möglicher Neubau eines Vorzeigeprojektes im Gewerbepark Nord sorgt für Diskussionen. Konkurrent schickt offenen Brief an Politik.

Es ist etwas mehr als drei Wochen her, dass die Pläne des EinzelhandelskonzernsRewe für Henstedt-Ulzburg publik wurden. Wenige Autominuten entfernt vom Logistikzentrum und dem Verwaltungssitz für die Region Nord soll in markanter Lage auf der ehemaligen Dello-Fläche an der Gutenbergstraße ein neuer Vorzeige-Supermarkt entstehen.

Dieser würde streng nach Kriterien der Nachhaltigkeit und des „Green Farming“ funktionieren: Auf dem Dach wäre ein Gewächshaus unter anderem für Basilikum, vielleicht auch Salat und andere Kräuter, dazu gebe es Bassins für eine Fischfarm, die wiederum den Dünger für die Pflanzen liefern würde. Und auch die Bewässerung wäre ein Kreislauf. Photovoltaik, E-Ladestationen und allgemein eine hohe Energieeffizienz würden den Standort abrunden. In Deutschland gibt es bislang nur im hessischen Wiesbaden einen vergleichbaren Markt.

Das Vorhaben zieht mittlerweile weite Kreise. Die Politik bekam im letzten Planungs-, Ortsentwicklungs- und Mobilitätsausschuss eine Präsentation von Rewe, vertagte sich aber. Weil Fragen offen sind, welche Auswirkungen ein solcher Neubau auf die bestehende Einzelhandelsstruktur im Ort und in der Umgebung haben könnte. Auch die Verwaltung, die grundsätzlich für die Ansiedlung ist, sprach von einer nötigen „Einzelhandelsbetrachtung über die Kaufkraftverteilung“. Was aber jetzt erst bekannt wurde: Rund um die Sitzung hat sich ein großer Konkurrent von Rewe an die Politik gewandt – Edeka.

Einzelhandel: Edeka gegen Rewe – Streit um Supermarkt in Henstedt-Ulzburg

Der Inhalt dieses Schreibens ist zwar vertraulich. Doch die WHU-Fraktion hat sich nun öffentlich positioniert – und nimmt direkt Bezug auf die Einwände des zweiten großen Einzelhandelsunternehmens in der Metropolregion. Demnach habe Edeka darauf hingewiesen, „dass der Ort im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels nach deren eigenen Erhebungen erheblich überversorgt sei“.

Rewe kalkuliert mit rund 40.000 Kunden monatlich. Woher diese kommen sollen, benannte die Präsentation unmissverständlich. „Ein Großteil der Umsätze wird durch Umverteilung generiert: Marktkauf, Aldi, Lidl und Penny“, hieß es. Und: „Ein weiterer Umsatz wird durch ,Abgreifen‘ der bestehenden Frequenz generiert.“

Bis zu 40.000 Kunden monatlich könnten laut Kalkulation im neuen Supermarkt einkaufen.
Bis zu 40.000 Kunden monatlich könnten laut Kalkulation im neuen Supermarkt einkaufen. © Rewe | REWE

Marktkauf gehört zum Edeka-Verbund, ist erst seit April 2022 im Gewerbepark ansässig, und zwar dort, wo früher eine Real-Filiale war. Zudem befindet sich nur rund zwei Kilometer weiter in Kisdorf ein Edeka-Markt. Die WHU weiter: „Edeka betont, dass von der geplanten Rewe-Neuansiedlung vor allem ihre Marktkauf-Fläche im Gewerbegebiet und der Edeka-Markt in Kisdorf betroffen wären. Dann ,wird der Marktkauf wohl in den nächsten ein bis zwei Jahren schließen müssen‘“.

CCU: Sorge, dass Kaufland sich aus dem Ortszentrum verabschiedet

„Wir befürchten einen Domino-Effekt, einen Verdrängungswettbewerb“, sagt Wilhelm Dahmen, Fraktionschef der Wählergemeinschaft. Denn würde die Marktkauf-Fläche frei, könnte Kaufland seinen Standort im sowieso schon durch erheblichen Leerstand betroffenen CCU aufgeben und dorthin verlagern. „Kaufland ist der Ankermieter im CCU. Wenn der weggeht, weiß ich auch nicht, was wir noch machen könnten.“

Ebenso sorgt sich die WHU, dass Rewe dann seinen Markt in der Schulstraße schließen würde. Die Nahversorgung im Ortszentrum würde stark geschwächt, der Einkauf würde sich noch mehr in den Gewerbepark verlagern. Dort würde auch die Verkehrssituation gegen den Neubau sprechen, so die WHU. „Eine Zufahrt von der Hamburger Straße kommt wegen des AKN-Trogs nicht in Frage. An- und Abfahrt über die Gutenbergstraße sind angesichts der Nähe zur Ampelkreuzung auch höchst problematisch.“

WHU: „Es ist unsere Verantwortung als Kommunalpolitik“

Karin Honerlah, langjährige Gemeindevertreterin und heute weiterhin bürgerliches Fraktionsmitglied, beschreibt es unverblümt: „Ein tolles Projekt. Aber das können wir in Henstedt-Ulzburg nicht gebrauchen. Wenn wir den Kenntnisstand haben, dass wir ein Überangebot an Verkaufsfläche haben, und das ist uns allen mit Gutachten bestätigt worden, können wir das auch selbst entscheiden. Es ist unsere Verantwortung als Kommunalpolitik, die Expertise sollten wir auch haben.“

Edeka wollte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu dem Schreiben äußern. „Aufgrund laufender Gespräche mit den Gemeindeverantwortlichen möchten wir von einer öffentlichen Stellungnahme absehen“, antwortete die in Neumünster ansässige Handelsgesellschaft.

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Formal müsste die Politik nicht nur ein Bauleitverfahren initiieren, sondern die Verwaltung auch einen Antrag bei der Landesplanung einreichen. Denn es braucht eine Genehmigung aus Kiel, um das Areal in ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel umzuwidmen.

Das könne man sich auch sparen, meint die WHU. „Wir werden mit Nein stimmen“, kündigt Wilhelm Dahmen bereits an. In einer seiner kommenden Sitzung wird sich der Planungsausschuss wieder mit dem Thema befassen. Die Kernfrage dürfte unverändert bleiben, der Vorsitzende des Gremiums, Leon Schwark (CDU), hatte sie kürzlich formuliert: „Können wir so viele Unterschiedlichkeiten zu den anderen Märkten herausarbeiten, dass es zu uns passt?“