Norderstedt. Bei der Tierklinik in Norderstedt ist das Aufkommen an tierischen Patienten sehr hoch. Und nun gehen langsam die Blutreserven aus
Die Ärztinnen und Ärzte der Tierklinik Norderstedt schlagen Alarm: Offenbar werden derzeit überdurchschnittlich viele tierische Patienten als Notfall eingeliefert. Bei den Operationen der Tiere werden dann Bluttransfusionen gebraucht. Und genau die gehen nun offenbar langsam zur Neige. Deswegen hat sich die Tierklinik mit einem dringenden Appell an die Öffentlichkeit gewandt: gesucht werden besonders Hunde, die Blut spenden.
„Derzeit verzeichnen wir ein sehr hohes Patientenaufkommen mit Notfällen, die schwer krank sind. Wir würden uns über die generelle Bereitschaft von Spendern freuen“, teilt eine Ärztin der Tierklinik mit. Wer sich und sein Tier dafür bereit erklären möchte, kann sich unter info@tierklinik-norderstedt.de melden. „Dann würden wir uns bei den eventuellen Spendern melden und einen Termin zur Voruntersuchung machen und gegebenenfalls gleich die erste Spende abnehmen. Katzen brauchen wir derzeit keine, aber Hunde, die für die Blutbank spenden könnten.“
Tierklinik Norderstedt: Blutspenden werden dringend benötigt
In der Tierklinik gibt es tatsächlich viele Stammgäste unter den Blutspendern. Eine davon ist Cleo. Die Mischlingshündin hat schon 18-mal in der Tierklinik in Blut gespendet – um anderen, schwer kranken oder verletzten Hunden das Leben zu retten. Ihr Frauchen findet das selbstverständlich. „Man gibt anderen Tieren eine größere Chance zu überleben“, sagt Jana Wiegmann, die selbst als Tiermedizinische Fachangestellte in der Tierklinik arbeitet.
Genau wie Menschen sind auch Hunde und Katzen darauf angewiesen, in Notsituationen Bluttransfusionen zu erhalten. Sollten sie nach schweren Unfällen zu viel Blut verlieren, an einer Autoimmunerkrankung oder Blutvergiftung leiden, brauchen sie dringend die Hilfe ihrer Artgenossen. Doch diese können nicht selbst entscheiden, ihr Blut zu spenden. Das müssen Halterinnen und Halter für sie übernehmen. „Die Bereitschaft ist sehr, sehr groß“, sagt Tierärztin Selina Kuban. „Das Problem ist nur, dass viele Menschen überhaupt nicht wissen, dass ihre Haustiere Blut spenden können.“
Blutspenden: Engpässe gibt es immer wieder
Das führt immer wieder zu Engpässen. Im Schnitt werden in der Tierklinik ein bis zwei Blutspenden pro Woche benötigt, schätzt Selina Kuban. Das von Hunden abgenommene Blut wird aufgespalten. Die gewonnenen roten Blutkörperchen können bis zu vier Wochen eingelagert werden, das Plasma hält eingefroren sogar ein Jahr lang. Doch es gibt immer wieder Phasen, da leeren sich die Kühlschränke. Vorräte werden aufgebraucht. Bei Katzen ist es noch schwieriger: Ihr Blut wird nicht gelagert, da die Mengen einfach zu gering sind und der Aufwand zu groß. Braucht ein Patient eine Blutspende, muss sie frisch entnommen werden.
Für schwer kranke Tiere, die eine lebenswichtige Transfusion benötigen, führt die Norderstedter Tierklinik eine Spenderkartei. Die Liste wird abgearbeitet. Sollte sich kein Haustier finden lassen, spenden die Hunde und Katzen der Mitarbeitenden ihr Blut – so wie Cleo. Das kommt häufig vor. Ein öffentlicher Hilfeaufruf bei Facebook führte kürzlich dazu, dass sich mehrere Halter in der Klinik meldeten und ihre Tiere als Spender anboten.
Tiere als Notfälle: Katzen können auch Hundeblut bekommen
In absoluten Notfällen kann eine Katze sogar Hundeblut bekommen. „Das geht aber nur einmal im Leben einer Katze“, sagt Selina Kuban. Rote Blutkörperchen der eigenen Tierart überleben etwa 30 Tage im Körper – kreuzt man Hund und Katze, sind es nur etwa drei Tage. „Wir nutzen das Hundeblut, um Zeit zu gewinnen“, erklärt die Tiermedizinerin. Dieser Vorgang kann lebensrettend sein, bis eine passende Spenderkatze gefunden wird oder der Patient sich selbst regeneriert.
Doch welche Voraussetzungen müssen überhaupt erfüllt sein, damit ein Tier zum Blutspender werden kann? „Ein Hund sollte ausgewachsen und nicht älter als acht Jahre alt sein, eine Katze maximal zehn Jahre“, sagt Selina Kuban. Zudem sollte es alle notwendigen Impfungen erhalten haben.
Blutspender-Tiere dürfen nicht im südlichen Ausland gewesen sein
Und, was wichtig ist: Die Tiere dürfen nicht aus dem südlichen Ausland stammen und nicht einmal für einen zweiwöchigen Urlaub auf Mallorca gewesen sein. Die Gefahr, bei einer Bluttransfusion durch Zecken oder Mücken ausgelöste Krankheiten zu übertragen, sei zu groß. Doch Tierärztin Kuban glaubt, dass dies in absehbarer Zeit kein Ausschlusskriterium mehr sein wird. „Die Infektionskrankheiten werden mit dem Klimawandel auch vermehrt nach Deutschland kommen“, mutmaßt sie.
Weiter sollten Hunde mindestens 20 Kilogramm wiegen, Katzen nicht weniger als vier Kilogramm. Im Idealfall sollten diese in der Wohnung leben und keine Freigängerkatzen sein, da auch hierzulande Zecken diverse Krankheiten übertragen können. Die Spendertiere dürfen zudem selbst noch keine Blutkonserve erhalten haben.
Katzen bekommen Beruhigungsmittel bei Blutabnahme
Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, können sich Besitzer bei der Tierklinik per Mail unter blutspende@tierklinik-norderstedt.de melden. Für Hunde wird ein Termin vereinbart. Da das Blut von Katzen nicht im Kühlschrank aufbewahrt wird, müssen Herrchen und Frauchen damit einverstanden sein, im Notfall angerufen zu werden und möglicherweise kurzfristig mit ihrem Haustier in der Klinik vorbeizukommen.
Der Ablauf der Blutspende ist bei Hund und Katze ähnlich – mit der Ausnahme, dass Katzen Beruhigungsmittel erhalten. „Wir müssen sie sedieren. Egal, wie freundlich sie normalerweise sind, pochen Katzen sehr auf ihren eigenen Willen“, sagt Selina Kuban. Konkret sieht eine Blutabnahme wie folgt aus: Zunächst untersucht die Tierärztin die Tiere und nimmt ihnen am Bein eine Blutprobe ab. Organwerte, Blutbild und Blutgruppe werden im Labor bestimmt.
Hunde können mehr als 20 verschiedene Blutgruppen haben
Hunde können mehr als 20 verschiedene Blutgruppen haben, wesentlich mehr als Menschen. Die wichtigste Gruppe ist DEA 1.1 – sie kann positiv und negativ sein. Da Hunde im Gegensatz zu Menschen oder Katzen nicht von Geburt an Antikörper gegen fremde Blutgruppen in sich tragen, wird eine genaue Bestimmung erst mit der zweiten Bluttransfusion relevant. Dann muss die Verträglichkeit von Spender- und Empfängerblut geprüft werden. Bei Katzen gibt es nur drei Blutgruppen: A, B und AB.
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Nach der Untersuchung legt Selina Kuban die Tiere auf die Seite, rasiert eine Stelle am Hals und beginnt mit der eigentlichen Blutabnahme. „Am Hals befindet sich die größte verfügbare Vene“, erklärt Kuban. Da Katzen sediert werden, warten ihre Besitzer währenddessen draußen. Hundehalter bleiben im Raum und sitzen am Kopf ihres Tieres. „Sie sprechen ihnen gut zu, das ist mir sehr wichtig“, sagt die 30-Jährige. Manchmal kommt es trotzdem vor, dass Hunde extrem aufgeregt sind und nicht stillhalten. „Wenn eine Blutspende nicht funktioniert, dann funktioniert sie nicht. Wir zwingen kein Tier“, sagt Kuban. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen, in denen es um Leben und Tod geht und kein anderes Tier verfügbar ist, werden auch Hunde bei der Blutspende sediert.
Nach der Blutspende gibt es Belohnung für Tier und Halter
Einem Hund werden pro Kilogramm zehn Milliliter Blut entnommen, einer Katze etwa sieben Milliliter. Ein kräftiger Hund, der ein Körpergewicht von 50 Kilogramm hat, schafft es, einen ganzen Beutel von 500 Milliliter zu füllen. Der Zeitaufwand beträgt etwa eine bis eineinhalb Stunden. Als Aufwandsentschädigung bekommen die Tiere eine große Schüssel mit Fressen und einen Futtergutschein. Für die Besitzer gibt es eine Belohnung von 20 Euro. „Und sie bekommen eine kostenlose Vorsorgeuntersuchung für ihre Tiere. Sie können Lebensretter sein“, betont Selina Kuban. „Wir wollen es nie hoffen, aber: Im schlimmsten Fall könnte auch ihr eigenes Tier mal auf eine Blutspende angewiesen sein.“
Alle drei Monate dürfen Hunde und Katzen Blut spenden. Schädlich ist es für sie nicht. „Es ist genau wie bei Menschen: Sie sollten an dem Tag etwas ruhiger machen und keinen Marathon mehr laufen“, sagt die Tierärztin. „Ansonsten gibt es keine Risiken und sie bekommen noch eine Extraportion zu fressen.“