Norderstedt. Magunna gründete die Klinik 1968, nun starb er im Alter von 89 Jahren. Ein Rückblick auf sein beeindruckendes Schaffen und Leben.

  • Dr. Eberhard Magunna starb im Alter von 89 Jahren in Norderstedt
  • Er gründete die Tierklinik Norderstedt 1968
  • Auch die exotischen Tiere in Hagenbecks Tierpark zählten zu seinen Patienten

Er war einer der bekanntesten Tiermediziner des Nordens und in Deutschland. Wie nun bekannt wurde, starb der Gründer der Tierklinik Norderstedt, Eberhard Magunna am 20. Dezember im Alter von 89 Jahren. Er gründete die Tierklinik in Norderstedt 1968 und hatte als erster Fachtierarzt für Kleintierkrankheiten in Deutschland seine Weiterbildung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover beendet. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Tierklinik Norderstedt zur meist frequentierten Überweisungsklinik im Norden – inklusive der skandinavischen Nachbarländer.

Wie die Familie in einer Anzeige im Hamburger Abendblatt mitteilt, wird die Beisetzung am Dienstag, 16. Januar 2024, um 13.30 Uhr, in der Christuskirche Garstedt stattfinden.

Abendblatt-Redakteurin Annabell Behrmann hatte Eberhard Magunna und dessen Sohn Christian gerade erst im Februar für ein langes Gespräch in der Tierklinik getroffen. Dabei blickte der gut aufgelegte Eberhard Magunna auf sein bewegtes und spannendes Leben als Tierarzt zurück. Hier der Bericht:

Eberhard Magunna: Ein Leben für die Tiere

Dr. Eberhard Magunna (r.) 1989 bei einer Zahnextraktion mithilfe eines Wagenhebers bei einem Elefanten im Tierpark Hagenbeck. 
Dr. Eberhard Magunna (r.) 1989 bei einer Zahnextraktion mithilfe eines Wagenhebers bei einem Elefanten im Tierpark Hagenbeck.  © Thorsten Ahlf | Unbekannt

Eberhard Magunna hat mehrere Umschläge zum Treffen mit dem Abendblatt mitgebracht. Daraus zieht er Fotos und breitet sie auf dem Tisch des Seminarraums im ersten Stock aus. Sie zeigen das aufgesperrte Maul eines Zirkus-Löwen. Gemeinsam mit seinem Sohn Christian hat er ihm vor vielen Jahren einen entzündeten Zahn gezogen. „Der saß ziemlich fest“, erinnert sich der Gründer der Tierklinik Norderstedt, die weit über die Stadtgrenzen hinaus in der gesamten Region bekannt und geschätzt ist.

Die Bilder haben einen leichten Gelbstich. Sie wurden bereits vor vielen Jahren aufgenommen. Auf der Rückseite eines weiteren Fotos steht in geschwungener Handschrift das Jahr 1989. Darauf ist ein Elefant zu sehen, der betäubt am Boden liegt. Sieben Männer umringen ihn. Tierarzt Eberhard Magunna, der einen weißen Kittel trägt, hat viele Jahre die Tiere des Hamburger Zoos Hagenbeck behandelt. Bei dem tonnenschweren Dickhäuter sollte er einen eiternden Zahn entfernen. „Aber wir haben das Maul nicht aufbekommen“, erzählt der heute 88-Jährige. Einen Maulspreizer gab es für so große Tiere nicht. „Also holte einer den Wagenheber seines Renaults. Das hat prima funktioniert.“

Tierklinik Norderstedt: Rückblick – Die ungewöhnlichsten Patienten

Magunna lacht. Er erinnert sich gerne an diese Zeit zurück. Bevor er sich Ende der 90er-Jahre langsam in den Ruhestand verabschiedete, war er Tiermediziner mit Leib und Seele. 1968 hat er die Tierklinik in Norderstedt gegründet, in einem alten Bauernhaus an der Ulzburger Straße 10a. 60.000 D-Mark bekam er damals für die Praxisgründung von der Bank. „Davon musste ich ein Röntgengerät, einen OP-Tisch und alle Umbauten bezahlen“, sagt er. „Heute bekommt man nur ein Röntgengerät, aber nichts anderes dafür“, scherzt Sohn Christian, der das Erbe seines Vaters weiterführt.

In diesem Haus an der Ulzburger Straße gründete Eberhard Magunna 1968 die Tierklinik Norderstedt.
In diesem Haus an der Ulzburger Straße gründete Eberhard Magunna 1968 die Tierklinik Norderstedt. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

Eberhard Magunna ist in keinem reichen Elternhaus aufgewachsen. „Finanziell war ich mies gestellt“, erzählt er. Aber er wollte unbedingt eine Klinik für Kleintiere eröffnen. „Das war mein großer Wunsch.“

Magunnas Herz schlug schon immer für Kleintiere

Als er begann, in Gießen zu studieren, waren Kleintiere für die meisten Tiermediziner uninteressant. Anfang der 50er-Jahre hielten nur wenige Menschen Hunde und Katzen zuhause. „Nach dem Krieg hatten die Leute andere Probleme“, sagt Magunna. Der Fokus lag auf Nutztieren. Auf Pferden, Kühen und Schweinen, die auf Höfen lebten, ackerten und Geld einbrachten.

Eberhard Magunna behandelte den eiternden Zahn eines betäubten Zirkus-Löwen.
Eberhard Magunna behandelte den eiternden Zahn eines betäubten Zirkus-Löwen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

Doch Magunnas Herz schlug schon immer für Kleintiere. Als er noch ein Kind war, wohnten Hunde, Meerschweinchen und Kaninchen in seiner Familie. „Zu meinem Leidwesen verschwand immer mal wieder ein Kaninchen – und plötzlich gab es sonntags Fleisch zu essen. Nach dem Krieg hatte man ja nichts.“

Norderstedt: Inzwischen arbeiten in Tierklinik mehr als 100 Angestellte

Die Berufsberatung riet ihm damals, sich lieber zum Automechaniker ausbilden zu lassen. Doch der in Hannover aufgewachsene Magunna ließ sich nicht von seinem Weg abbringen. Er wurde Tierarzt und zog an die Hamburger Stadtgrenze. Mit seiner Kleintier-Klinik in Norderstedt verdiente er anfangs gerade einmal 1000 D-Mark im Monat. „Davon musste ich leben. Es war nicht gerade üppig, aber ich kam damit aus.“

Eberhard Magunna baute ein altes Bauernhaus in Norderstedt zur Tierklinik um.
Eberhard Magunna baute ein altes Bauernhaus in Norderstedt zur Tierklinik um. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

Aus seiner kleinen Praxis mit drei Mitarbeitern hat sich eine der größten Tierkliniken Deutschlands entwickelt. Inzwischen beschäftigt sie mehr als 100 Angestellte. Die mit hochmodernen Geräten ausgestattete Klinik besteht aus drei Gebäudekomplexen: Der Notfallambulanz am Kabel Stieg und den beiden Häusern an der Ulzburger Straße 42 und 44. Die Nutzfläche beträgt insgesamt 2500 Quadratmeter.

Tierklinik Norderstedt: Magunna junior führt Familienunternehmen weiter

1992 ist Sohn Christian Magunna als Assistenztierarzt in das Familienunternehmen eingestiegen, 1995 wurde er Teilhaber. Schon als kleiner Junge beobachtete er Operationen, reichte seinem Vater Handtücher. „Ich bin damit groß geworden“, sagt er. In den Beruf gedrängt hat sein Vater ihn aber nie. „Meine Eltern haben mir immer gesagt: Wenn du weißt, was du mal werden willst, dann sag einfach Bescheid“, erzählt der 62-Jährige. „Ich wollte ihm nicht reinreden. Das wäre falsch gewesen. Das habe ich bei anderen Familien gesehen, in denen es Spannungen zwischen Eltern und Kindern gab“, sagt Eberhard Magunna. Nach dem Abitur hat Sohn Christian sich dann entschieden: Er möchte ebenfalls Tiermedizin studieren. „Meine Frau und ich haben Luftsprünge vor Freude gemacht.“

Zur Jahrtausendwende zog sich Eberhard Magunna immer weiter aus der Klinik zurück. Er überließ seinem Sohn und Professor Rafael Nickel, der 1999 Partner wurde, die Geschäfte. „Für uns war die Zusammenarbeit mit dem Senior immer problemlos. Vielleicht wusste er die Sachen manchmal besser – aber er hat nichts gesagt.“ Christian Magunna lacht. „Ich habe einen ganz guten Namen in die Klinik reingetragen. Aber er hat den Laden so richtig auf Vordermann gebracht“, sagt Magunna senior und zeigt auf seinen Sohn. Sein Blick ist voller Stolz.

Manch Humanmediziner schaut sich neidisch in Tierklinik um

Die Neubauten der Tierklinik erinnern an die Einrichtung eines modernen Krankenhauses für Menschen. Im Keller stehen MRT- und CT-Gerät. In den Operationssälen befinden sich Narkosegeräte an den Tischen: Darüber wird der tierische Patient, zumeist Hunde und Katzen, in den Schlaf versetzt, beatmet und überwacht. Genau die gleichen Geräte werden auch für Menschen verwendet. „Wir können Querschnittspatienten an der Wirbelsäule operieren. Hier passieren viele aufwendige Diagnostiken. Wir sind weit von der Vorstellung entfernt, dass Tierärzte mit einer Ledertasche über die Weide spazieren“, sagt Christian Magunna schmunzelnd.

So sehen heute die hochmodernen Räume in der Tierklinik Norderstedt aus. In Saal drei werden Operationen am Knochen vorgenommen.
So sehen heute die hochmodernen Räume in der Tierklinik Norderstedt aus. In Saal drei werden Operationen am Knochen vorgenommen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

So manch ein Humanmediziner würde sich neidisch in den Räumen der Tierklinik umsehen. „Es ist ganz lustig, wenn Humanmediziner auf Tiermediziner treffen. Die fallen immer vom Glauben ab, wenn wir sie durch unsere Klinik führen. ,So ein Narkosegerät hätte ich auch gerne!‘, sagen sie dann.“

Norderstedter Tierklinik hätte im Ernstfall zur Covid-19-Station werden können

Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie ausgebrochen ist, hat Magunna Kontakt zur Intensivstation der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg aufgenommen. „Im Zweifelsfall hätte sie 80 Prozent unserer Narkosegeräte zur Beatmung bekommen. Einen Teil der Tierklinik hätte man in eine Covid-19-Station umwandeln können.“ Glücklicherweise ist der Ernstfall nicht eingetreten.

In der Norderstedter Tierklinik arbeiten zahlreiche Spezialisten – für Augenheilkunde, Dermatologie, Kardiologie, Lungenheilkunde, Onkologie, Orthopädie, Zahnheilkunde und etliche mehr. Christian Magunna hat sich auf die Bereiche Orthopädie, Orthopädische Chirurgie, Neurochirurgie und Bildgebung spezialisiert. „Früher gab es einen Klinikchef, der ganz viele verschiedene Dinge gemacht hat. In den letzten Jahren ist es immer mehr zu einer Spezialisierung gekommen“, erklärt Christian Magunna.

Medizin ist teuer – Klinik schließt sich der Evidensia-Gruppe an

Doch moderne Medizin ist teuer. Ein MRT-Gerät kostet eine halbe bis dreiviertel Million Euro, ein CT-Gerät um die 250.000 Euro. Selbst Ultraschallgeräte modernster Bauart liegen heute bei bis zu 160.000 Euro. „Die Investitionskosten sind immens“, sagt Magunna. Hinzu kommt: Die Tierklinik ist eine der wenigen, die einen durchgängigen 24-Stunden-Betrieb aufrechterhält. Zu jeder Tages- und Nachtzeit können Besitzer mit ihrem kranken Tier vorbeikommen. Dafür muss viel Personal vorgehalten werden. „Die Klinik ist nie geschlossen. Das ist sehr aufwendig und teuer“, sagt Christian Magunna. Auch sein Vater erinnert sich an seine aktive Zeit: „Wenn ich abends mit meiner Frau ins Konzert oder Theater gehen wollte, aber plötzlich jemand mit einem Hund mit Magendrehung vor der Tür stand – dann war der Abend gelaufen.“

Im Keller der Tierklinik steht ein CT-Gerät.
Im Keller der Tierklinik steht ein CT-Gerät. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

2016 haben sich Christian Magunna und Geschäftspartner Rafael Nickel zu dem Schritt entschieden, sich einer der größten Tierklinik-Gruppen Europas anzuschließen. Zu Evidensia gehören nach eigenen Angaben rund 2300 Tierkliniken und -praxen. „Es gibt kaum noch kommunale Krankenhäuser, fast alle gehen in großen Gruppen auf. Inhabergeführte Betriebe sind natürlich toll – aber die Größe wird irgendwann zum Problem. Sie muss refinanziert werden“, sagt Magunna junior.

Familiäre Atmosphäre ist geblieben – Magunna wohnt nebenan

Aus seiner Sicht können Kliniken nur überleben, wenn der enorme Verwaltungsaufwand in größeren Einheiten organisiert ist. „Wir tragen eine riesengroße Verantwortung. Hier arbeiten über 100 Leute, die jeden Monat Löhne auf dem Konto haben müssen und eine gesicherte Zukunft brauchen – das geht meines Erachtens nur in einer großen Gruppe.“

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Die familiäre Atmosphäre in der Tierklinik ist geblieben. Eberhard Magunna wohnt direkt nebenan. Wenn er durch die Räume läuft, um nach dem Rechten zu sehen, wird er immer noch mit den Worten „Hallo Chef!“ begrüßt. An jeder Ecke bleibt er stehen, plaudert mit den Mitarbeiterinnen. „Das finde ich unheimlich nett“, sagt er. Seine Augen strahlen.

Tierklinik Norderstedt: Eberhard Magunna war Tierarzt mit viel Herz

Die Klinik hat er stets mit Herz geführt. Das beweist auch eine Geschichte, die er am Ende des Gesprächs mit dem Abendblatt erzählt. Sie spielt in seiner Anfangszeit als Tierarzt. „Als ich mich niederließ, lebten in Harksheide sehr viele Ostpreußen, die nach dem Krieg geflohen waren“, erinnert er sich. Viele seien damals mit ihren Hunden bei ihm zur Behandlung gewesen. „Wenn ich dann einen einschläfern musste, weil er unheilbar krank war, war die Trauer groß. Dieser Hund bedeutete ein Stück Heimat und Familie für die Menschen.“ Eberhard Magunna hält kurz inne, dann erzählt er weiter: „Da kam es schon mal vor, dass der Besitzer in der einen Ecke stand und heulte – und ich in der anderen.“