Norderstedt. Kürzere Öffnungszeiten, geschlossene Theken, flexible Arbeitsmodelle: Wie der Einzelhandel den Service retten will
- Einzelhandel hat Probleme. geeignetes Personal für Fleischtheken zu finden
- In Norderstedt setzt Hayunga‘s auf Springerkräfte
- Konsum: Immer weniger Menschen essen überhaupt noch Fleisch
Nackensteak und Bratwürste für den heimischen Grill, die Gans oder die Ente für das Weihnachtsfeier, ein Pfund gemischtes Hack für die Bolognese: An der Fleischtheke im Supermarkt werden Kundinnen und Kunden in der Regel fündig und im Zweifelsfall kompetent beraten. Doch was ist, wenn das nicht mehr geht? Schon jetzt ist zu beobachten: Öffnungszeiten in diesen Bereichen werden reduziert, manchmal ist gleich ganz geschlossen. Es fehlt an Personal, und das ist nicht das einzige Problem im Einzelhandel, wie das Abendblatt bei einer Umfrage in Norderstedt und im Kreis Segeberg erfahren hat. Immerhin: Einige Supermärkte haben bereits Lösungen gefunden, um den Service trotz Fachkräftemangel weiter anbieten zu können.
Allerdings nicht der Edeka-Markt „Kost und Herber“ in Bad Segeberg. Dieser wird künftig lediglich eine Selbstbedienungs-Theke haben – die Frischetheke, an der jahrelang Fachpersonal bediente, hat seit Kurzem geschlossen. Für immer. „Ich bräuchte mindestens vier Leute mehr für die Theke. Deshalb haben wir uns schweren Herzens für die Schließung entschieden“, sagt Anja Kost, Chefin des Marktes.
Einzelhandel: Krise an Fleischtheken – Supermärkte kämpfen um Personal
Sie ergänzt: „Um so eine Theke vollumfänglich betreiben zu können, brauchen Sie einen Fleischermeister. Aber die sind so gut wie nicht mehr zu bekommen.“ Den Markt in Bad Segeberg hatte Kost, die auch einen Edeka-Markt in Wahlstedt betreibt, erst im November 2022 übernommen. Einen Fleischermeister gab es da schon nicht mehr im Segeberger Markt. „Wir konnten die Theke dann erst einmal weiterbetreiben, mit Quereinsteigern. Und ich habe mich händeringend um einen Meister und Fachpersonal bemüht. Aber da kam nichts.“
Hinzu kämen noch „allgemein rückläufige Umsätze an Fleischtheken“, sagt Anja Kost. Auch das habe bei den Überlegungen in Bad Segeberg eine Rolle gespielt. Jetzt betreibt Kost nur noch die Frischetheke in ihrem Wahlstedter Markt, wo auch noch ein Fleischermeister tätig ist.
Marktleiterin: „Fleischermeister sind so gut wie nicht mehr zu bekommen“
Wie in Wahlstedt, gibt es auch im Edeka-Markt von Svenja Lätsch in der Norderstedter Moorbek-Passage noch eine Frischetheke. Aber diese hat seit Kurzem nicht mehr bis 20 Uhr, sondern nur noch bis 16 Uhr geöffnet, „aufgrund von Personalmangel“ wie es auf einem Schild heißt. Auf Nachfrage wird das bestätigt: „Wir kriegen einfach kein Personal!“, sagt eine Person aus der Marktleitung, die sich weiter nicht äußern möchte.
Hayunga‘s in Norderstedt: Gut ausgebildete Springerkräfte für die Märkte
Unter dem Namen Hayunga‘s gibt es in Norderstedt drei große Edeka-Standorte (dazu zwei im Elmshorn). Wie hier die Krise spürbar ist? „Es fällt jetzt ein bisschen mehr auf. Wir sind früher in unseren drei Hayunga’s-Märkten überdurchschnittlich gut besetzt gewesen – jetzt nur noch gut“, sagt Kerstin Voigt, die angestellte Geschäftsführerin.
Dafür fahre man ein „Modell, dass wir alle Auszubildenden in die Märkte reinschnuppern lassen“. Das Interesse sei groß. Und das wiederum hilft, wenn es Engpässe gibt. „Sie können bei Bedarf aushelfen, sich untereinander gut helfen.“
„Wir wollen keine Theken verkleinern, nicht auf SB umsteigen“
Den viel zitierten Fachkräftemangel sieht Erich Arndt, Prokurist bei Hayunga‘s, etwas differenzierter. „Wir setzen auch auf Springerkräfte, die gut ausgebildet sind, ausgebildete Fleischermeister oder Fleischereifachkräfte.“ Im Hayunga’s-Verbund würden diese dann je nach Situation in bestimmten Märkten tätig sein, um zeitweilige Vakanzen zu lindern. „Die Fachkräfte sind ja noch da. Immer mehr Fachgeschäfte müssen schließen, teils profitieren wir hiervon, da sich die Mitarbeiter neue Arbeitgeber, neue Firmen suchen.“
Kerstin Voigt betont: „Wir wollen keine Theken verkleinern, nicht auf SB umsteigen. Wir setzen fest darauf, dass es sich wieder ändern wird. Denn wir bekommen ja die Bewerbungen.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Theken seien „Konstanten für die Kunden“, sagt sie. „Wir setzen als Familienbetrieb auf das Persönliche.“ Und: „Wir tun alles dafür, unseren Kunden tollen Service zu bieten, ob nun beim Fleisch, Käse oder im Gemüsebereich.“
Edeka in Stuvenborn: „Die Leute essen weniger Fleisch“
Tim-Tobias Kramp ist Inhaber eines Edeka-Marktes in der Gemeinde Stuvenborn. „Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig in dem Bereich“, sagt er. „Auch an unserer Frischetheke hatten wir schon geänderte Öffnungszeiten, wegen Personalmangel und Krankheit.“
Auch Kramp sagt, dass es neben dem Fachkräftemangel ein weiteres Problem gebe, nämlich sinkende Umsätze an den Theken. „Die Leute essen weniger Fleisch, zum einen deshalb, weil sie sich viele heute anders ernähren. Und auch deshalb, weil sie einfach weniger Geld zur Verfügung haben.“
Rewe geht „aktiv in Vorleistung, um Öffnungszeiten nicht reduzieren zu müssen“
Vorsichtiger klingen die Presseabteilungen der großen Warenhausketten Rewe und Famila, die im Gegensatz zu Edeka zentral organisiert sind. Rewe betreibt im Kreis Segeberg Supermärkte mit Fleischtheken in Norderstedt, Kaltenkirchen, Bad Bramstedt, Bad Segeberg und Wahlstedt. Und aktuell habe man „an den Fleischtheken die vollen Öffnungszeiten und auch keinen Personalmangel“, sagt Anni Helene Richter, Junior-Referentin in der Unternehmenskommunikation von Rewe Nord.
Aber sie sagt auch: „Trotzdem suchen wir immer aktiv nach Personal, da wir den Fachkräftemangel an den Fleischtheken sehen und aktiv in Vorleistung gehen, um nicht die Öffnungszeiten reduzieren zu müssen.“
Fachkräftemangel „nur vereinzelt“ spürbar an den Theken bei Famila, heißt es
Ähnlich klingt das, was aus der Presseabteilung von Famila kommt. Es gibt fünf Famila-Warenhäuser im Kreis Segeberg, die eine Fleischtheke haben – in Norderstedt, Kaltenkirchen, Bad Segeberg, Bad Bramstedt und Trappenkamp. Dort spüre man den Fachkräftemangel, aber „nur vereinzelt“, wie Pressereferentin Solveig Hannemann sagt. Es werde „etwas schwieriger, vakante Stellen zu besetzen.“ Aber bislang funktioniere das noch und es sei „nicht erforderlich, die Fleischereitheken-Öffnungszeiten einzuschränken.“
Deutlicher wird Tim-Tobias Kramp. Er sei zwar froh, noch eine Theke mit einem ausgebildeten Fleischermeister und Fachpersonal zu haben. Aber: „Das Problem Fachkräftemangel wird uns in den nächsten Jahren massiv beschäftigen.“
Marktleiter: „Im dritten Schritt nur noch abgepackte Waren“
Er geht davon aus, dass es eine Veränderung in vielen Supermärkten geben werde, die er in drei Schritten beschreibt: „Im ersten Schritt wird immer weniger vor Ort an Fleischtheken gemacht.“ Fleisch werde dann hauptsächlich in zentralen Metzgereien verarbeitet. „Im zweiten Schritt werden die Sortimente verkleinert. Und im dritten Schritt gibt es keine Theke mit Bedienung mehr, sondern nur noch abgepackte Waren.“
Kramp betont auch, dass er seine Frischetheke in Stuvenborn weiter betreiben will. „Außerdem bilden wir aus“, so der Edeka-Marktleiter. Doch allgemein ist der Nachwuchsmangel ein Grundproblem der Branche.
Anja Kost: Nur zwei Fleischer-Azubis in zehn Jahren
Wie sich das äußert, schildert Anja Kost: „Ich habe in den letzten zehn Jahren ganze zwei angehende Fleischer ausgebildet. Früher hatten wir mal einen Azubi pro Lehrjahr.“ Kost habe versucht, auf allen möglichen Wegen junge Leute für die Lehrstellen zu bekommen, „auch über soziale Netzwerke“, sagt sie. Doch erfolglos: „Offenbar wollen die jungen Leute in dem Bereich einfach nicht mehr arbeiten. Ich weiß nicht, was die jungen Leute heutzutage machen. Aber ins Fleischerhandwerk wollen sie nicht mehr.“
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Die ehemalige Frische-Theke werde nun in eine SB-Theke umgebaut. Zwei der fünf Theken-Mitarbeiter bleiben für die SB-Theke dort, drei wechseln in den Markt nach Wahlstedt. Und dort werden sie dringend gebraucht: „Ich suche schon lange Leute für die Frischetheke in Wahlstedt. Wenn die Drei jetzt nicht hinüberwechseln würden, müsste ich da die Zeiten einschränken“, so Anja Kost. Und sie sagt noch: „Ich hoffe, dass die Kunden in Bad Segeberg uns trotzdem die Treue halten.“