Norderstedt. Die Immobilienbranche steckt in großen Schwierigkeiten. Was bedeutet das für die wichtigen Bauprojekte in der Stadt?

  • Rund um das Herold-Center sind Neubauten geplant. Werden die Vorhaben jetzt gestoppt?
  • Was die aktuelle Krise für das Projekt „4 Höfe“ an der Ulzburger Straße bedeutet.
  • Wie die Lage beim Projekt „Nordlicht“ am Kösliner Weg ist.

Hohe Zinsen, Inflation, strenge Auflagen für Neubauten und auch noch Fachkräftemangel: Ein Bündel an Schwierigkeiten belastet derzeit die Wohnungswirtschaft in Deutschland. Verbände klagen, es stehe der Neubau Tausender Wohnungen auf der Kippe. Wie wirken sich die Probleme in Norderstedt aus? Vertreter großer Unternehmen blicken mit großer Sorge auf die aktuelle Lage.

Schon begonnene Bauvorhaben stellt zwar niemand zur Disposition. Aber die heutigen Schwierigkeiten, das ist überall spürbar, sorgen für große Zurückhaltung bei neuen Projekten. Das könnte sich dann in einigen Jahren bemerkbar machen – in Form eines noch viel größeren Mangels an Wohnungen.

„Können im Moment keine neuen Projekte starten“, sagt Plambeck-Geschäftsführer

„Im Moment gibt es eine toxische Mischung, die wir in der Wohnungswirtschaft noch nie hatten“, sagt Volker Heins, der gemeinsam mit Steffen Becker das Norderstedter Wohnungsunternehmen Plambeck leitet. Das Unternehmen prägt seit Jahrzehnten maßgeblich die Stadt, Plambeck gehören rund 3500 Wohnungen in Norderstedt und Umgebung.

Die „toxische Mischung“ besteht laut Volker Heins aus neueren Problemen wie der Inflation und dem sehr hohen Zinsniveau, die auf altbekannte, aber auch stets größer werdende Schwierigkeiten treffen. Und das sind der Fachkräftemangel und die immer höheren Auflagen, etwa in Sachen Energiesparen und Schallschutz. Folge dieser Gemengelage, so Heins: „Wir können im Moment keine neuen Projekte starten“.

Garstedter Tor und Wohnquartier Schumanstraße: Mit Baubeginn 2024 wird nicht gerechnet

An bereits geplanten Projekten wie „Garstedter Tor“ an der Ecke Stettiner Straße/Kohfurt, wo rund 230 Wohnungen entstehend sollen, werde festgehalten, auch am Umfang ändere sich nichts. Das gilt auch für das Projekt „Wohnquartier Schumanstraße“ neben dem Herold-Center. Hier sollen 200 Wohnungen entstehen. Und auch der „Plambeck-Campus“, also der Neubau der Firmenzentrale am Kreisel Ochsenzoller Straße/Berliner Allee, soll wie geplant kommen.

Aber all diese Großprojekte seien aktuell „im B-Plan-Verfahren“, mit einem Baubeginn sei auch 2024 nicht zu rechnen. Und darüber ist man sogar ganz froh bei Plambeck. Mit Bezug auf die Großprojekte im Wohnungsbau sagt Steffen Becker: „Es ist ein Glück, dass wir derzeit keine Entscheidung fällen müssen, ob wir so etwas stoppen müssten oder nicht.“

Wohnungsunternehmen Struck hält sich mit Grundstückskauf „sehr zurück“

In zentraler Lage an der Ulzburger Straße in Norderstedt entsteht das Wohnquartier „4 Höfe“.
In zentraler Lage an der Ulzburger Straße in Norderstedt entsteht das Wohnquartier „4 Höfe“. © Behrendt Immobilien | Behrendt Immobilien

Ähnlich klingt Sönke Struck, Geschäftsführer des Wohnungsunternehmens Struck in Kellinghusen, das in Norderstedt unter anderem das Projekt „4 Höfe“ an der Ulzburger Straße plant. „Wir haben noch kein Vorhaben eingestellt. Die Vorhaben, die bereits genehmigt sind, sind im Bau oder gehen etwas zeitverzögert in den Bau. Aber beim Ankauf neuer Grundstücke halten wir uns sehr zurück. Denn die Gesamtlage ist sehr angespannt.“

In den „4 Höfen“ entstehen rund 280 Wohnungen, auf einigen Baufeldern haben die Arbeiten schon begonnen. Zur Jahreswende soll nun, so Struck, Baufeld 1 mit 59 Wohnungen starten. „Da sind wir ein halbes Jahr verspätet. Aber das läuft.“

Adlershorst: Fokus liegt auf öffentlich geförderten Wohnungen

Beim Norderstedter Wohnungsunternehmen Adlershorst werden ebenfalls „die begonnenen Bauvorhaben wie geplant realisiert und fertiggestellt“, teilt Sprecherin Kim Münster mit. Und man plane auch weitere Neubauten. Aber Kim Münster sagt auch, dass es aktuell „sehr schwer“ sei, frei finanzierten Wohnraum zu planen, da „kostendeckende Mieten unverhältnismäßig hoch zu werden drohen“. Deshalb liege bei Adlershorst der Fokus „momentan auf öffentlich geförderten Wohnungen.“

Projekt „Nordlicht“ am Kösliner Weg: Alles nach Plan?

Eines der großen Norderstedter Bauprojekte ist die Bebauung des ehemaligen Stielow-Geländes am Kösliner Weg. 250 Wohnungen sollen insgesamt entstehen, Projektentwickler ist das Unternehmen Instone Real Estate mit Sitz in mit Sitz in Berlin. Mittlerweile heißt das Projekt „Nordlicht“, doch bei der Realisierung im geplanten Umfang soll es bleiben, sagt Sprecherin Franziska Jenkel. „Grundsätzlich halten wir trotz derzeit schwieriger Rahmenbedingungen am Immobilienmarkt im vollen Umfang an dem Projekt in Norderstedt fest“, teilt sie mit

Auf dem Baufeld Nord seien 103 Wohnungen geplant, auf dem Baufeld Süd 68 Wohnungen. Aktuell „ruhe“ der Bau – das liege allerdings daran, dass sich Instone aktuell „in Verkaufsverhandlungen“ für das Areal befinde. Es wird ein Eigentümer gesucht, der die Bauten dann schlüsselfertig übernimmt, ein in der Branche üblicher Vorgang. Aber deshalb werde sich „die Fertigstellung etwas verzögern.“

Ein drittes „Wohnungspaket“ auf dem Gelände, bestehend aus 78 geförderten Wohnungen, sei hingegen schon Ende 2022 an einen anderen Entwickler verkauft worden, die FEWA Mobil Verwaltungs GmbH. Und hier liefen die Bauarbeiten.

Möbel Kabs wurde abgerissen. Aber kommt der Neubau?

Neben „Saturn“ in Garstedt, an der Berliner Allee, stand einst das Möbelhaus Kabs. Jetzt sollen 200 Wohnungen entstehen, aber die Bauarbeiten haben noch nicht begonnen.
Neben „Saturn“ in Garstedt, an der Berliner Allee, stand einst das Möbelhaus Kabs. Jetzt sollen 200 Wohnungen entstehen, aber die Bauarbeiten haben noch nicht begonnen. © FMG | Claas Greite

Nicht weit entfernt vom Stielow-Grundstück an der Berliner Allee, geschah seit dem Abriss des ehemaligen Möbelhauses Kabs nicht viel auf der großen Brachfläche im Herzen Garstedts. Die Quarterback Immobilien AG aus Leipzig hatte angekündigt, hier ein attraktives Wohn- und Geschäftshaus bauen zu wollen, 200 Wohnungen, 60 davon geförderter Wohnraum für den schmalen Geldbeutel, dazu Geschäfte und Büros.

Doch ein Sprecher der AG beteuert, dass man an dem Projekt in jedem Fall im bisherigen Umfang festhalten wolle – nicht zuletzt wegen der Bedeutung für den lokalen Wohnungsmarkt. Seit dem 18. Januar sei der Bebauungsplan für das etwa 7000 Quadratmeter große Grundstück rechtskräftig. Die Baugenehmigung liege seit dem 9. Februar vor.

„Zurzeit befinden wir uns in der Vergabe der Leistungen für den Hochbau. Die Erdarbeiten sind bereits vergeben und konnten aufgrund noch weiterer benötigter ausstehender Genehmigungen noch nicht gestartet werden. Aus diesem Grund fanden nach dem erfolgten Abriss des alten Kabs-Möbelhauses in 2022 noch keine wahrnehmbaren Arbeiten auf dem Baufeld in 2023 statt“, teilt die Quarterback Immobilien AG mit.

Was sich aus Sicht der Plambeck-Geschäftsführer ändern müsste

Was müsste sich ändern, damit die Branche wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft blickt? Laut Steffen Becker von Plambeck müsste dringend bei den Auflagen für Neubauten angesetzt werden. „Das ist der größte Hebel“, sagt er. Standards, etwa in Sachen Schallschutz, seien „viel zu hoch“, seien „über die letzten 20 Jahre in DIN-Ausschüssen ins Unermessliche hochgedreht worden.“ Die Folge, so Becker: „Ich brauche heute für jedes Bauteil ein Spezialgutachten.“ Etwa in den Niederlanden könne „um 40 Prozent günstiger“ gebaut werden, bei ebenfalls hohen, aber eben moderateren Auflagen.

Dann der Klimaschutz: Bis vor Kurzem wurden Neubauten mit dem Energieeffizienz-Standard EH 55 finanziell gefördert. Das lief aus, es sollte nun der deutlich strengere Standard EH 40 folgen. Den bezeichnet Steffen Becker als „unbezahlbar“, zumindest dann, wenn die Mieten nicht extrem steigen sollen.

Was beim Krisengipfel im Kanzleramt herauskam

Immerhin ist in Berlin vernommen worden, dass die Branche ein Problem hat – und so wurde jetzt ein Krisengipfel im Kanzleramt einberufen, mit einigen Erleichterungen für die Wohnungsunternehmen. Eine davon: der EH-40-Standard kommt jetzt erstmal nicht.

Steffen Becker und Volker Heins begrüßen das und hoffen, dass weitere Schritte folgen. Denn die Branche müsse ja mit weiteren Problemen kämpfen – wie dem Fachkräftemangel auf den Baustellen. Steffen Becker: „In ländlichen Unternehmen verlieren kleine Baufirmen reihenweise ihre Mitarbeiter. Das sind Kapazitäten, die dann für immer verloren sind.“

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Wie das Problem in Zukunft gelöst werden soll? Becker und Meins setzen auf moderne Technik: „Ein Schlüssel ist Robotik. Dann muss niemand mehr säckeweise Zement in den fünften Stock schleppen“, sagt Volker Heins.