Berlin. Wie findet Deutschland wieder Wohnraum? Bei einem Krisentreffen diskutiert die Bau- und Immobilienbranche mit Kanzler Scholz. Die Regierung hat einen Plan, den ihr manche gar nicht zugetraut hätten.
Mit einem Konjunkturprogramm für Häuslebauer und die Immobilienwirtschaft will die Bundesregierung die Dauerkrise im Wohnungsbau stoppen. Niedrigere Ökostandards, Steuervorteile, weniger Bürokratie und ein höherer Klimabonus sollen dafür sorgen, dass in Deutschland wieder mehr gebaut wird. Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist positiv überrascht: Das Paket könne tatsächlich etwas bewirken, meint sie. Enttäuscht zeigten sich am Montag dagegen Umwelt- und Sozialverbände.
Warum kommt Deutschland beim Wohnungsbau nicht voran?
Seit Jahren fehlt hierzulande Wohnraum, vor allem in den Ballungsgebieten. Die Preise schossen wegen des geringen Angebots sowohl auf dem Miet- als auch auf dem Kaufmarkt in die Höhe. Die Ampel-Regierung hat sich deshalb vorgenommen, für 400.000 neue Wohnungen im Jahr zu sorgen. Doch dieses Ziel verfehlt sie seit Jahren.
Inzwischen werden sogar bereits geplante Projekte abgesagt, Familien begraben wegen hoher Kosten den Traum vom eigenen Haus, Firmen gehen pleite. Hauptproblem sind die seit Beginn des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Bauzinsen. Wo vor zwei Jahren noch weniger als ein Prozent verlangt wurde, sind es heute vier. Dazu kommen die hohe Inflation und hohe Materialkosten. Immer weniger Privatleute können sich die eigene Immobilie leisten - und das obwohl die Kaufpreise zuletzt so stark sanken wie noch nie seit dem Jahr 2000.
Wie versucht die Bundesregierung gegenzusteuern?
Sie hat Politiker, Kommunalverbände, Wohnungs- und Bauwirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialverbände an einen Tisch geholt. Am Montag traf man sich zum zweiten Mal im Kanzleramt. Zwei Verbände allerdings boykottierten den Krisengipfel aus Enttäuschung über die bisherigen Krisenmaßnahmen.
Was sind das für Krisenmaßnahmen?
Die Bundesregierung, allen voran Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und der für Sanierungen zuständige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), versuchen mit Förderprogrammen für Bauherren und Steuervorteilen für Firmen gegenzusteuern. Vor dem Krisentreffen legten sie ein neues Maßnahmenpaket mit 14 Punkten vor.
Firmen sollen ihre Investitionen durch neue Abschreibungsmöglichkeiten schneller refinanzieren können. Der Klimabonus für den Tausch alter, fossiler Heizungen soll erhöht und auch auf Wohnungsunternehmen ausgeweitet werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht ein Schlüsselinstrument im seriellen Bauen: Ein in einem Landkreis in der Grundstruktur genehmigtes Haus soll auch anderswo ohne große Verfahren so gebaut werden dürfen.
Wie sieht es aus mit Förderung für private Bauherren?
Die Bundesregierung plant eine Reform der Neubauförderung für Familien mit wenig Einkommen. Hier hatte es in den ersten zwei Monaten nur 104 Anträge gegeben. Die Baubranche kritisiert vor allem die Einkommensgrenze von 60.000 Euro. Jetzt soll diese Grenze auf 90.000 Euro angehoben werden. Auch die Kreditsumme wird nach oben gesetzt.
Außerdem soll es ein neues Programm für den Kauf und die Sanierung eines älteren Hauses geben. Details sind dazu aber noch nicht bekannt.
Welche Rolle spielt der Klimaschutz?
Eine entscheidende, denn der Gebäudebereich gehört hier zu den größten Sorgenkindern - wegen fossiler Heizungen, schlechter Dämmung, alter Fenster. Staatliche Förderung ist deshalb in der Regel daran gekoppelt, dass man sein Haus klimafreundlich baut oder saniert. Doch das macht die Vorhaben teuer. Die Bundesregierung rückt deshalb jetzt davon ab, Energiestandards für Neubauten zu verschärfen. Auf den sogenannten EH40-Standard will sie erstmal verzichten. Das sei möglich, weil ja bald ohnehin vielerorts klimafreundlichere Heizungen eingebaut würden, meint Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Ist das 14-Punkte-Programm der geforderte „Wumms“ für den Wohnungsbau?
Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist jedenfalls positiv überrascht: Einen solchen Aufschlag hatten sie der Bundesregierung gar nicht zugetraut, ließen Verbände am Montag durchblicken. „Wir gehen davon aus, dass wir zumindest den Niedergang aufhalten können“, erklärten der Bauindustrie-Verband und der Zentrale Immobilienausschuss. Was fehle, sei ein konkretes Zinsverbilligungsprogramm - und die Zusage der Länder, etwa beim seriellen Bauen auch wirklich mitzuziehen. „Wir haben heute nur erreicht, dass der Bund halbwegs seine Schularbeiten macht. Länder und Gemeinden müssen jetzt noch tätig werden“, betonten sie.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte dagegen fehlende Verbesserungen in Sachen Mieterschutz und sozialem Wohnungsbau. „Die katastrophale Situation für viele Mieterinnen und Mieter wird sich so nicht verbessern.“ Umweltverbände fürchten, dass der Verzicht auf härtere Ökostandards den Klimaschutz torpediert.