Norderstedt/Pinneberg. Was sich 2023 geändert hat und warum das die Lage für Erben schwierig machen kann. Das raten Experten aus der Region.

Ein Haus zu erben, ist immer auch mit Kosten verbunden. Und diese steigen in diesem Jahr aus verschiedenen Gründen stark, in der Umgebung von Norderstedt und Pinneberg. Das hat mit kürzlich geänderten Gesetzen zur Erbschaftssteuer zu tun, mit der Lage am Immobilienmarkt – und auch mit der aktuellen Diskussion um klimafreundliche Heizungen.

„Wir spüren aktuell einen sehr großen Beratungsbedarf. Viele ältere Menschen, die ihre Häuser einmal an ihre Kinder vererben möchten, sind sehr verunsichert“, sagt Tobias Hübner. Er ist als Rechtsanwalt mit Fachrichtung Familienrecht und Notar in Norderstedt tätig, in der Kanzlei Soth.

Immobilien Norderstedt: Warum es viel teurer geworden ist, ein Haus zu erben

Tobias Hübner, Rechtsanwalt und Notar in Norderstedt (Kanzlei Soth).
Tobias Hübner, Rechtsanwalt und Notar in Norderstedt (Kanzlei Soth). © Kanzlei Soth | Nele Martensen

Grund für die Verunsicherung seien „die Erbschaftssteuer- und Heizungsgesetze“, sagt Hübner. Doch während es derzeit noch keine klare Gesetzeslage gibt, welche Regeln in Sachen Heizung und Klima in ein paar Jahren gelten werden, ist die Sache in punkto Erbschaftssteuer klar. Hier wurde die Rechtslage bundesweit zum 1.1.2023 geändert. Und das bedeutet de facto, das viele Menschen, die eine Immobilie erben, nun deutlich mehr Erbschaftssteuer zahlen werden als früher.

Geändert wurde die Art, wie Finanzämter den Wert einer Immobilie bewerten, die verschenkt oder vererbt wurde. Und zwar gab es Änderungen beim sogenannten „Sachwertverfahren“, das bei der Bewertung eines Teils der Immobilie zur Anwendung kommt. Hier wurden die sogenannten Wertzahlen geändert.

Häuser wurden früher oft zu niedrig vom Finanzamt eingestuft – das ist jetzt vorbei

Daniel Eidel, Diplom-Finanzwirt, Rechtsanwalt und Steuerberater in Tornesch.
Daniel Eidel, Diplom-Finanzwirt, Rechtsanwalt und Steuerberater in Tornesch. © Kanzlei Schmitt & Eidel

Der Hintergrund: Häuser, die früher nach diesem Verfahren bewertet wurden, wurden tatsächlich oft deutlich niedriger eingestuft, als es dem tatsächlichen Marktwert entsprach. „Eine Immobilie, die nach diesem Verfahren mit 700.000 Euro bewertet wurde, konnte man früher oft für eine Million weiterverkaufen“, sagt Daniel Eidel. Er ist Diplom-Finanzwirt, Rechtsanwalt und Steuerberater in Tornesch. Er arbeitet in der Kanzlei Schmitt & Eidel, die oft Menschen berät, die ihre Häuser vererben möchten.

Mit der zum 1. Januar erfolgten Änderung nähert sich das Sachwertverfahren „den tatsächlichen Marktwerten an“, sagt Eidel. Er betont aber auch, dass dieses Verfahren nicht immer zur Anwendung kommt – häufig greift das Finanzamt zum sogenannten „Vergleichswertverfahren“. Und zwar dann, wenn es genügend vergleichbare Häuser und Grundstücke in der Umgebung gibt, die in den letzten Jahren verkauft wurden.

Änderungen am Immobilienmarkt können ein Problem für Erben bedeuten

Beim Vergleichswertverfahren hat sich die Gesetzeslage nicht geändert. Das Problem: Auch bei diesem Verfahren kann es für die Erben jetzt teuer werden. Das liegt daran, dass sich der Immobilienmarkt seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs stark verändert.

Seit Mitte 2022 beginnen die Preise in der Region langsam zu sinken – das aber spielt für das Finanzamt unter Umständen noch keine Rolle. Daniel Eidel: „Beim Vergleichswertverfahren werden Immobilienverkäufe der letzten zwei Jahre angeguckt.“ Damit gehen auch noch die deutlich höheren Preise von 2021 mit in die Bewertung ein.

Sven Wojtkowiak: Neues Gesetz ist „nur eine Verschlimmerung“

Sven Wojtkowiak, Vorsitzender des Eigentümervereins Haus & Grund Norderstedt.
Sven Wojtkowiak, Vorsitzender des Eigentümervereins Haus & Grund Norderstedt. © Christopher Mey

Eidel betont, dass man so eine Einstufung des Finanzamts immer auch durch ein eigenes Gutachten anfechten kann. Nur: So ein Gutachten schlägt ebenfalls mit einer vierstelligen Summe zu Buche. Und: „Nach meiner Wahrnehmung spielt bei dieser Bewertung keine Rolle, ob ein Haus eine Ölheizung oder schon eine Wärmepumpe hat“, so Daniel Eidel. Es könne also durchaus passieren, dass ein wenig energieeffizientes Haus, in das investiert werden müsste, vom Finanzamt vergleichsweise hoch eingestuft werde.

Für Sven Wojtkowiak, Vorsitzender der Eigentümervereins Haus & Grund Norderstedt, stellt die neue Gesetzesänderung „nur eine Verschlimmerung“ dar. Denn aus seiner Sicht haben Eigentümer oder Erben „hier im Hamburger Speckgürtel“ ohnehin schlechte Karten beim Erb- oder Schenkungsrecht.

Steuerliche Freibeträge schnell ausgeschöpft – zumindest im Speckgürtel

Er bezieht sich auf die steuerlichen Freibeträge, die bei Erbschaften oder Schenkungen gelten. Erbt etwa ein Kind von einem verbliebenen Elternteil ein Haus, liegt der Freibetrag bei 400.000 Euro. Weil die Grundstücks- und Immobilienpreise im Hamburger Umland aber vergleichsweise hoch sind, ist der Freibetrag recht schnell ausgeschöpft.

Wojtkowiak findet es ungerecht, dass diese Freibeträge bundesweit einheitlich sind, außerdem nicht „dynamisch“, wie er sagt. Tatsächlich gelten seit 2013 dieselben Werte.

Dann die Planungen, die Regeln für Betrieb und Einbau von Heizungen zu verschärfen: „Es ist eine riesige Unsicherheit da, bei unseren Mitgliedern.“ Das mache sich auch am Immobilienmarkt bemerkbar: „Wir bekommen mit, dass ältere Häuser, die zum Beispiel in den 80er-Jahren gebaut wurden, zu Ladenhütern werden.“

„Kann passieren, dass man für Erbschaftssteuer ein Darlehen aufnehmen muss“

Denn wer so eine Immobilie kaufe, müsse damit rechnen, erst einmal „150.000 Euro für eine Wärmepumpe zu investieren“, wie Wojtkowiak sagt. Aus diesem Grund, und auch wegen der neuen Steuerregeln, könnten Erben so eines Hauses in „finanzielle Schieflage“ geraten, wie Wojtkowiak sagt. „Es kann passieren, dass man erst einmal ein Darlehen aufnehmen muss, um die Erbschaftssteuer zu begleichen.“

Was rät er Senioren, die ihr Haus einmal vererben möchten, aber nun verunsichert sind? „Wir empfehlen unseren Mitgliedern, ihre Immobilie schon zu Lebzeiten nach und nach auf die Kinder zu übertragen“, sagt Sven Wojtkowiak.

Was Steuerberater ihren Kunden raten, um Erbschaftssteuern zu sparen

Den selben Rat gibt Daniel Eidel vielen seiner Kunden. „Wer Steuern sparen will, kann eigentlich nicht früh genug damit anfangen, sein Eigentum zu übertragen“, sagt der Steuerexperte. Grund: Bei Schenkungen gilt eine Zehn-Jahres-Frist. Ist die abgelaufen, kann erneut ein Freibetrag von 400.000 Euro pro Kind genutzt werden.

Auch Tobias Hübner sagt: „Ich rate häufig dazu, Eigentum möglichst früh zu übertragen, bei Einräumung eines Nießbrauchsrechts.“ Letzteres bedeutet, dass die Eltern-Generation beziehungsweise der verbliebene Ehepartner ein lebenslanges Wohnrecht behält. Das Nießbrauchsrecht macht sich dann sogar steuerlich günstig für die Erben bemerkbar.

Sorge vieler Senioren: Was passiert mit dem Haus, wenn man pflegebedürftig wird?

Hübner macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam, das immer wieder ältere Menschen umtreibt, die sich von ihm beraten lassen. Das betrifft die Frage, was mit dem Haus passiert, wenn man selbst pflegebedüftig wird.

Hübner: „Wenn jemand zum Beispiel eine niedrige Rente hat, aber ein Haus besitzt, ist die Sorge, dass das Haus dann am Ende an den Staat fällt und nicht an die Kinder.“ Die Sorge hat ihre Berechtigung – denn Sozialämter greifen ab einem gewissen Punkt tatsächlich auf Eigentum zurück, um etwa die Beiträge für ein Seniorenheim zu begleichen.

„Im Kreis Segeberg wird oft so verfahren, dass sich das Sozialamt eine Grundschuld auf das Grundstück eintragen lässt. Später bekommt es dann die Leistungen daraus erstattet“, so Tobias Hübner. Im Erbschaftsfall ist der Wert der Immobilie gemindert, „im schlimmsten Fall ist das Haus ganz weg.“

Um das zu vermeiden, kann es auch hier – aus Eigentümersicht – das Richtige sein, die Immobilie zu Lebzeiten auf die Erben zu übertragen. Aber auch hier gilt eine Zehn-Jahres-Frist, nach dem Eigentümerwechsel: „Erst wenn zehn Jahre rum sind, kann keiner mehr auf das Haus zugreifen. Vorher kann das Sozialamt die Schenkung zurückfordern“, sagt Tobias Hübner.