Henstedt-Ulzburg. Paracelsus-Klinik modernisiert Standort in Henstedt-Ulzburg mit viel Geld. Wirtschaftlich ist die Situation weiter angespannt.
Die Vergangenheit ist im Obergeschoss der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg noch sichtbar. „Kreißsaal“, eine Glastür mit diesem Aufdruck lehnt an einer Wand. Es ist nur noch ein Relikt. Denn die Leitung des Krankenhauses hat nun erstmals präsentiert, was dort auf 600 Quadratmetern entsteht, wo sich bis zur Schließung Ende 2022 die Geburtsklinik und die Gynäkologie befanden. „Bei uns passiert eine ganze Menge“, sagt Klinikmanager Sebastian Margaschewski. Bis Anfang 2024 werden für 4,2 Millionen Euro die Behandlungskapazitäten erweitert – es soll ein Bekenntnis zum Standort sein.
Ein Rückblick: Margaschewski, selbst erst seit Januar 2022 hier, spricht von „einschneidenden“ Erlebnissen: Die Insolvenz der gesamten Paracelsus-Gruppe 2017, verbunden mit Existenzsorgen. 2018 dann die Übernahme durch die Porterhouse Group, eine Beteiligungsholding aus der Schweiz. Die Corona-Jahre waren für das Krankenhaus – wie für das gesamte Gesundheitswesen – eine extreme Belastung.
Henstedt-Ulzburg: Frühere Geburtsstation – Paracelsus-Klinik baut neue OP-Säle
Und dann folgte 2022 eine Entscheidung, die große Auswirkungen auf die gesamte Region hatte: Aus wirtschaftlichen Gründen wurden die Geburtsklinik und die Gynäkologie geschlossen. Auch Demonstrationen, öffentliche Solidaritätsbekundungen und Petitionen konnten daran nichts ändern.
Die Zukunft sieht so aus: Es entstehen drei neue, moderne Operationssäle mit Aufwachraum, dazu soll zum Jahreswechsel ein neues Herzkatheter-Labor eröffnet werden. Damit wolle man der steigenden Nachfrage sowohl im stationären als auch im ambulanten Sektor gerecht werden. Morgens der Eingriff, dann ein paar Stunden erholen, und dann im besten Fall wieder nach Hause – das soll in Zukunft immer dann, wenn es angemessen ist, zum Standard werden. Auch, damit Krankenhäuser ihre Ressourcen anders einsetzen können.
Margaschewski: „Einerseits erreichen wir derzeit schon oft die Kapazitätsgrenze bei der Zahl der stationären Operationen, andererseits sehen wir eine zunehmende Ambulantisierung.“ Die Schwerpunkte sollen dann bei Behandlungen von Erkrankungen im Stütz- und Bewegungsapparat liegen, etwa mit der modernen Mako-Robotertechnologie, dazu bei kardiologischen und internistischen Behandlungen sowie der minimalinvasiven Viszeralchirurgie.
150 Betten hat die Klinik, sie ist das größte Haus der Gruppe, hier arbeiten 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Paracelsus ist nach Rewe der zweitgrößte Arbeitgeber im Ort. „Ja“, es werde am Standort festgehalten, Zweifel will der Manager nicht aufkommen lassen. Dennoch: „Wir wissen nicht, wie die Klinik-Landschaft in zehn Jahren aussehen wird.“ Wichtig sei es, „klare Vorstellungen zu haben“.
Auf vier Eckpfeiler wird gesetzt. Die Orthopädie, Endoprothetik und den Bereich Wirbelsäule, dann die Kooperation mit externen Partnern, drittens die Innere Medizin inklusive Kardiologie sowie die Notfall- und Intensivmedizin.
Krankenhaus: „Wir verdienen im Moment kein Geld“
Wirtschaftlich ist die Situation weiterhin sehr angespannt. „80 Prozent der Krankenhäuser haben kein positives Ergebnis. Wir verdienen im Moment kein Geld, das ist den Mitarbeitern und den Gesellschaftern bewusst. Wir haben einen gewissen Umsatz, aber ein negatives Jahresergebnis.“ Auf Nachfrage beziffert er dieses auf „ein bis zwei Millionen Euro“.
Das soll natürlich nicht so bleiben. „Ein Krankenhaus ist immer eine Mischkalkulation“, so Margaschewski. „Das Ziel ist: Das Haus trägt sich. Wir wollen nicht zu den Häusern gehören, wie es sie in der Region gibt, die ihre Türen schließen müssen.“
Nicht absehbar ist, welche Auswirkungen die kommende Krankenhausreform haben wird, die derzeit im Bundesgesundheitsministerium unter Federführung von Karl Lauterbach entwickelt wird. Grundsätzlich sollen Kliniken „entökonomisiert“ werden, liest man, es geht auch darum, Schwerpunkte genauer zu definieren.
Paracelsus-Manager: „Einige kleine Häuser werden vom Markt verschwinden“
Noch ist man in Henstedt-Ulzburg da skeptisch. Sebastian Margaschewski kritisiert die Annahme, „dass ausschließlich große Krankenhäuser die Heilsbringer sind. Die Nutznießer der Reform werden die Unikliniken sein. Ich glaube, dass einige kleine Häuser vom Markt verschwinden werden.“ Das werde „billigend in Kauf genommen“. Er nennt die unsichere Situation beim Klinikum Bad Bramstedt als Beispiel. „Was passiert mit den Patienten?“
Mit den sogenannten Maximal-Versorgern gibt es allerdings auch Kooperationen, „ein Haus unserer Größenordnung wird nicht alles abdecken können“. Die Kardiologie ist ein Beispiel. Das Herzkatheter-Labor soll „eine aktuell bestehende Versorgungslücke in der Region durch eine deutlich höhere Präsenz im Bereich der Notfallversorgung bei Herzerkrankungen schließen“, so der Ärztliche Direktor Dr. Jürgen Ropers. Er ist überzeugt: Die Versorgung von akuten Herzinfarkten werde sich in der Region deutlich verbessern, Patientinnen und Patienten müssten nicht mehr nach Hamburg, sondern könnten in Henstedt-Ulzburg versorgt werden – nach kurzer Anfahrt.
2022 gab es einen Zuwachs von zehn Prozent beim Pflegepersonal
Bei komplizierteren Fällen sind dann wiederum Häuser wie das UKE gefragt. Dass große und kleine Kliniken auf dem Arbeitsmarkt in Konkurrenz stehen, gehört genauso zur Realität. „Man kann hier gut arbeiten. Das fängt beim FSJ an, geht bis zur Ausbildung. Wir versuchen, die Leute in einer roten Linie durch das Haus zu bringen“, sagt Sebastian Margaschewski.
Auch eine Azubi-WG hat sich gefunden. 2022 verzeichnete das Krankenhaus einen Zuwachs beim Pflegepersonal von zehn Prozent. Viele kämen aus größeren Häusern, so die Leitung. Rund zehn neue Ärztinnen und Ärzte hat die Klinik in diesem Jahr begrüßt, auch die Einstellungen für das neue Herzkatheter-Labor sind abgeschlossen. Viele seien „auf Empfehlung“ nach Henstedt-Ulzburg gewechselt.
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René Klingbeil ist Pflegedienstleister. Er wirbt nachdrücklich für den Beruf. „Wie können wir das Interesse junger Menschen wecken und sie dazu bringen, zu uns zu kommen und den Pflegeberuf zu ergreifen?“ Er verweist darauf, dass die Branche angesichts von Debatten über einen „Pflegenotstand“ fast schon einen negativen Ruf hat. „Wir müssen darüber reden, was Spaß macht. Wir können nicht nur jammern, dass wir einen Notstand haben, wir müssen auch aktiv werden.“ Es gebe so viele Entfaltungsmöglichkeiten und Weiterbildungen, „es gibt, so glaube ich, keinen Beruf mit so vielen Freiheiten, bestimmte Richtungen einzuschlagen“.
Paracelsus-Klinik: „Ja“ zu Henstedt-Ulzburg sei sehr wichtig, sagt die Bürgermeisterin
All das hört Bürgermeisterin Ulrike Schmidt gerne. Henstedt-Ulzburg und das Krankenhaus sind eng miteinander verbunden. „Die Investitionen, die neue Ausrichtung, das Ja zu Henstedt-Ulzburg ist uns sehr wichtig.“ Aus ihrer Sicht sei es richtig, nicht darauf zu warten, bis die Krankenhausreform komme. „Die Gemeinde hat die Schließung der Geburtsstation als sehr schlecht empfunden. Ich hätte mir gewünscht, dass die Krankenhausreform dieser Entwicklung frühzeitig entgegengestanden hätte.“ Schmidt betont, dass die Notfallversorgung sichergestellt sein müsse. „Wir profitieren auch davon, dass hier Fachärzte anfangen, die sich dann mit ihrer Praxis in der Gemeinde niederlassen.“
Und dafür tut Henstedt-Ulzburg auch etwas. Die ÖPNV-Anbindung sei verbessert worden, auch der On-Demand-Service HVV Hop werde das Krankenhaus bald früher anfahren, und zwar schon um 5.15 Uhr. Und dann wurde bekanntlich nach jahrelangem Hin und Her in diesem Jahr die Sanierung samt Vollausbau der Wilstedter Straße beschlossen. Eine Schlaglochpiste mit Verkehrshindernissen als direkte Zufahrt, das nennt Sebastian Margaschewski „wenig einladend“ für Rettungswagen und Patienten. Er versichert: Während der Bauarbeiten werde es nur marginale Einschränkungen geben.