Norderstedt. Zuzug, Fachkräftemangel und ganz viele Bauvorhaben: Norderstedts Bildungslandschaft steht vor großen Herausforderungen.

Norderstedts Bevölkerung wächst stetig – wie kommen Schulen und Kitas hinterher? Das ist die große Frage, die Politik und Verwaltung in den kommenden Jahren beantworten müssen. Denn zum einen gibt es einen ungebrochenen Zuzug aus Hamburg, zum anderen kommen seit 2022 deutlich mehr Geflüchtete aus Ländern wie der Ukraine in die Stadt.

Es werden also immer mehr Schul- und Kitaplätze gebraucht. Kinder und Jugendliche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, müssen beschult und pädagogisch betreut werden. Gleichzeitig leiden Kitas und zunehmend auch die Schulen unter einem Fachkräftemangel.

Kommunalwahl: Was Norderstedts Parteien für Schulen und Kitas tun wollen

Die Norderstedter Stadtvertretung derzeit.
Die Norderstedter Stadtvertretung derzeit. © HA Infografik | Frank Hasse

Die Möglichkeiten für die Stadt, hier steuernd einzugreifen, sind begrenzt. Mehr Lehrer einstellen kann sie nicht – das ist Sache des Landes. Der Schulbau liegt aber in der Hoheit der Stadt. Und hier tut sich in den kommenden Jahren sehr, sehr viel. Ein Großteil der 21 Norderstedter Schulen – oft noch Zweckgebäude aus den 70er-Jahren – wird in den nächsten Jahren saniert, erweitert, um- oder neu gebaut.

Nur einige Beispiele: Das Schulzentrum Süd wird neu gebaut. Das Schulzentrum Nord bekommt einen Erweiterungsbau und wird dann nach und nach entkernt und erneuert. Das Coppernicus-Gymnasium bekommt einen Neubau und wird dann um einen Klassenzug erweitert. Die Gemeinschaftsschule Harksheide bekommt einen Anbau und dann ebenfalls einen weiteren Klassenzug. Die Grundschule Lütjenmoor wird mitsamt Kita neu gebaut.


Schwimmunterricht – nach Corona immer wichtiger

Die Aufgabe von Politik ist es, diese Vorhaben zu begleiten, für gute Lernbedingungen zu sorgen, Pläne zu ändern, wenn das nötig ist – und bei alldem die Kosten im Blick zu behalten. Die Stadt stattet die Schulen auch mit Schulsozialarbeitern aus.

Ein Thema, das nach drei Corona-Jahren drängender geworden ist, ist der Schwimmunterricht. Viele kleinere Kinder konnten während der Zeit nicht schwimmen lernen, aber an den Schulen fehlen Lehrer, um das Fach zu unterrichten. Außerdem ist das Lehrschwimmbecken neben der Grundschule Friedrichsgabe in die Jahre gekommen.

Die CDU forderte deshalb kürzlich das „rollende Schwimmbad“ für Norderstedt, also den Einsatzes eines speziellen Lastwagens mit einem Lehrschwimmbecken im Anhänger. Allein: Den Fachkräftemangel beseitigt man so auch nicht.

In Norderstedts Kitas wird der Fachkräftemangel immer stärker spürbar

Auch in Norderstedts Kitas fehlt es an Personal. Das zeigte sich zuletzt etwa darin, dass während der Krankheitswellen im Herbst und Winter zum Teil ganze Gruppen geschlossen werden mussten. Eltern mussten ihre Kinder zu Hause betreuen.

Das Problem wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verschärfen. Denn einerseits gibt es einen immer größeren Bedarf an Kinderbetreuung und es werden immer neue Kitas in Norderstedt gebaut – andererseits gehen viele ältere Erzieherinnen und Erzieher der „Babyboomer“-Generation in Rente.

Neue Mitarbeiter zu bekommen, wird immer schwieriger. Die Stadt Norderstedt betreibt viele Kitas selbst. Allerdings kann sie nicht einfach mehr Geld bezahlen als die Hansestadt Hamburg, hier gilt das Tarifrecht. Sie kann aber für gute Arbeitsbedingungen sorgen und Extras wie das HVV-Jobticket finanzieren. Bald sollen städtische Kitas auch auf Aushilfen von externen Zeitarbeitsfirmen zugreifen können, wenn der Krankenstand hoch ist.

Abhilfe: Eine eigene Erzieherfachschule für Norderstedt?

Was wirklich helfen würde, wäre eine eigene Erzieherfachschule für Norderstedt, heißt es oft. Denn aktuell gibt es in Norderstedt nur eine Außenstelle der Schule in Bad Segeberg. Das Problem: Das Land Schleswig-Holstein möchte der Stadt aktuell keine eigene Schule zugestehen – pro Kreis soll es nur eine geben, sagt das Gesetz.

Der Stadt bleibt im Moment kaum etwas übrig, als in Kiel in der Sache Druck zu machen. Oder sie geht einen ganz anderen Weg und versucht, einen privaten Träger zu finden, der so eine Schule in Norderstedt aufmachen will.

Kommunalwahl: Was die Parteien zur Lösung der Probleme vorschlagen

Lesen Sie nun, welche Vorschläge die Parteien vor der Kommunalwahl machen für den Bereich Schulen und Kitas. Wir haben allen diese Frage gestellt: Was ist nötig, um Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen noch besser zu fördern? Das hier sind die Antworten.

Der Norderstedter CDU-Fraktionschef Peter Holle.
Der Norderstedter CDU-Fraktionschef Peter Holle. © Michael Schick

Peter Holle, CDU: „Zwei wichtige Bausteine sind derzeit zu bewältigen: Förderung durch Inklusion/Integration und individuelles Fördern. Die Integration kann nur durch die Entwicklung der Sprache gelingen. Kinder müssen bereits in der Kita lernen, verständlich und in ganzen Sätzen zu reden. Die CDU steht aber auch dafür, Talente zu fördern und zu unterstützen. Da wir kommunal keinen Einfluss auf die Stellenbesetzung haben, fördern wir dieses durch neue innovative Schulumbauten und Neubauten. Erzieherinnen und Erzieher müssen ausgebildet werden. Dazu bedarf es einer Fachschule in Norderstedt für kurze Wege, welche wir realisieren werden. Das digitale Lernen wird die CDU durch die Finanzierung weiterer Endgeräte fördern. Für die erfolgreiche Umsetzung fordern wir gleichzeitig, die Medienkompetenz als Schulfach einzuführen.“

Katrin Fedrowitz, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Norderstedt.
Katrin Fedrowitz, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Norderstedt. © SPD Norderstedt | Britta Willig

Katrin Fedrowitz, SPD: „Zur Förderung von Kindern in Schulen und Kitas ist vor allem mehr Personal erforderlich. Hier ist der Fachkräftemangel jedoch so groß, dass eine ausreichende Personalausstattung derzeit kaum möglich ist. Die vorhandenen Mitarbeitenden sind an der Grenze der Belastbarkeit. Gemeinsam mit dem Kreis werden wir die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) für die Kitas ausbauen. Auf die Ausbildung und die Einstellung von Lehrkräften haben die Kommunen leider keinen Einfluss. Das Versagen der schwarz-grünen Landesregierung können wir nur kritisieren. Die Stadt ist für die räumliche Ausstattung zuständig. Wir werden kräftig in die Schulen und Kitas investieren und durch Neubauten und Sanierung Stück für Stück die Voraussetzungen für Pädagogik des 21. Jahrhunderts schaffen.“

Ingrid Betzner-Lunding, Fraktionschefin der Grünen.
Ingrid Betzner-Lunding, Fraktionschefin der Grünen. © Grüne Norderstedt

Ingrid Betzner-Lunding, Bündnis 90/Die Grünen: „Grundsätzlich ist Norderstedt gut aufgestellt, in Bezug auf die Versorgung mit Krippen und Kita-Plätzen. Diese müssen jedoch laufend der wachsenden Bevölkerung angepasst werden. Hier benötigen wir insbesondere weitere Krippenplätze, um der Nachfrage gerecht werden zu können. Mehr Plätze erfordern jedoch auch mehr Erzieher*innen. Wir müssen attraktive Ausbildungsplätze für pädagogisches Personal bereitstellen, um den Bedarf zu decken. Bei den Schulen haben wir alle wichtigen Sanierungs- und Neubauten bereits in der Planung und werden diese Zug um Zug abarbeiten. Gut aufgestellt sind wir im Bereich der offenen Ganztagsbetreuung in den Grundschulen und müssen die Plätze kontinuierlich der Nachfrage anpassen. Den Rechtsanspruch, der 2025 kommen wird, kann Norderstedt bereits heute nahezu erfüllen.“

Reimer Rathje, Fraktionschef von Wir in Norderstedt.
Reimer Rathje, Fraktionschef von Wir in Norderstedt. © HA

Reimer Rathje, Wir in Norderstedt (WiN): „Der Fachkräftemangel ist das größte Problem in der Kinderbetreuung. Norderstedt muss endlich eine eigene Erzieher*innenschule erhalten, damit ausreichend Nachwuchskräfte ausgebildet werden können. Flankierend wird günstiger Wohnraum für Azubis benötigt, die den Anreiz erhöhen, in Norderstedt zu wohnen, ausgebildet zu werden und dann auch in den Norderstedter Kitas zu arbeiten. Bei neuen Bauvorhaben sollte für den Kitabau auf einem Raum- und Freiflächenstandard deutlich über den gesetzlichen Mindestgrößen bestanden werden. So wird sichergestellt, dass ausreichend Raum für die Umsetzung pädagogischer Konzepte und für Bewegung und Spiele zur Verfügung steht. In den Schulen müssen die Angebote der BEB noch erweitert sowie ausreichend Räume und Personal zur Verfügung gestellt werden.“

Tobias Mährlein, Spitzenkandidat der FDP Norderstedt.
Tobias Mährlein, Spitzenkandidat der FDP Norderstedt. © HA

Tobias Mährlein, FDP: „Die beiden Corona-Jahre mit allen ihren Einschränkungen haben uns noch einmal dramatisch aufgezeigt, wie wichtig für einen guten Lernerfolg die Ausstattung der Schulen und aller Schüler mit den modernen digitalen Endgeräten ist. Wir haben dafür in den vergangenen Jahren viele Initiativen ergriffen, wurden aber leider meistens überstimmt. Genauso wichtig sind angemessene Schulräume. Hier hinken wir leider seit vielen Jahren der Entwicklung unserer Einwohnerzahlen hinterher. Die zukünftigen Investitionen in Neubauten oder Erweiterungsbauten für Schulen werden für uns als FDP-Fraktion eine absolute Priorität genießen. Wir müssen jetzt die Einwohnerentwicklung der nächsten Jahrzehnte mitdenken. Mehr als 15 Jahre an dem Neubau für das Schulzentrum-Süd zu planen, ist ein absolutes Armutszeugnis!“

Miro Berbig, Fraktionschef der Linken.
Miro Berbig, Fraktionschef der Linken. © Die Linke

Miro Berbig, Die Linke: „In erster Näherung ist dies natürlich ein Personalproblem. Das Land bildet für den inklusiven Ganztagesbetrieb der Schulen zu wenige Lehrer für zu wenige Stellen aus. Die Linke hat es in den letzten Jahren geschafft, an jeder Schule einen Schulsozialarbeiter zu etablieren. So könnte es weitergehen, auch mit Schulgesundheitsfachkräften, die die durch das Land gestellten Lehrer unterstützen. Unterbezahlte ErzieherInnen in den Kitas, die in direkter Nachbarschaft in Hamburg auch noch deutlich mehr verdienen, werden es uns nicht leicht machen. Im Bereich der Kitas muss einfach mehr bezahlt werden. Solange der Kfz-Mechatroniker an unseren Autos für mehr Geld herumschraubt, als unsere ErzieherInnen für die (Aus)-Bildung unserer Kinder, unserer Zukunft, bekommen, ist hier was gehörig falsch! Und da wir den landesweiten Tarif für ErzieherInnen nicht ändern können, müssen wir kreativ werden: günstiger städtischer Wohnraum und freier ÖPNV könnten helfen!“

Thomas Thedens, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler in Norderstedt.
Thomas Thedens, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler in Norderstedt. © Freie Wähler

Thomas Thedens, Freie Wähler: „Wir stehen für eine familienfreundliche Gesellschaft und für Kitas und ein Schulsystem, das Kindern und Jugendlichen die notwendige Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung gibt. Deswegen wollen wir die räumliche und materielle Ausstattung der Kitas und Schulen in Norderstedt verbessern Dazu gehört unter anderem ein massiver Ausbau der Ganztagesbetreuung an den Schulen, sowie ein deutlich erhöhter Personalschlüssel für Schulsozialarbeit, qualitativ hochwertiges Kita- und Schulessen, sowie der Ausbau der Kooperation mit den örtlichen Vereinen. Außerdem der Ausbau von Kitaflächen und Schulhöfen hin zu naturnahen pädagogisch wertvollen Naturräumen und praxisbezogene, altersgerechte Angeboten an Kursen wie zum Beispiel der von vielen Schülerinnen und Schülern geforderten „Fit fürs Leben machen“ beziehungsweise „Lebensökonomie.“

Sven Wendorf von der AfD Norderstedt.
Sven Wendorf von der AfD Norderstedt. © Frank Knittermeier | AfD Kreis Segeberg

Sven Wendorf, AfD: „Verringerung des Zuzugsdrucks wird auch bei der Auslastung der Kitas und Schulen zu einer Entspannung führen. Gemäß dem Motto „kurze Beine brauchen kurze Wege“ werden wir uns für den Erhalt auch kleinerer Schulstandorte einsetzen – der Schulweg darf nicht zur Strapaze werden. Gleiches gilt für die Unterbringung in Kindertagesstätten. Bei Ausstattung und Modernisierung muss sichergestellt werden, dass alle Einrichtungen gleichberechtigt bedacht werden; es darf keine Benachteiligungen bei Schülern verschiedener Standorte geben. Bemühungen zur Inklusion bedürfen vernünftiger Grenzen, um auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler Rücksicht zu nehmen. Inklusion „um jeden Preis“ belastet sowohl Schüler als auch Lehrkräfte.“