Norderstedt. Fragen zur Kommunalwahl am 14. Mai an die Politik: Wie kann der dringend benötigte, bezahlbare Wohnraum geschaffen werden?
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist ein Dauerbrenner-Thema bei den Kommunalwahlen in Norderstedt. Kein Wunder: In der bestens an Hamburg angebundenen Stadt im Grünen, mit seinen attraktiven Arbeitgebern, guter Infrastruktur und Freizeitangeboten möchten viele Menschen leben. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt entsteht hauptsächlich durch Hamburger, die in der Hansestadt keine bezahlbare Alternativen mehr finden.
Deswegen muss sich die Kommunalpolitik immer wieder aufs Neue die Frage stellen, wohin sich Norderstedt entwickeln soll. Ein von Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder angesteuertes „Bündnis für Wohnen“, einem koordinierten Zusammenspiel zwischen Stadt, Politik und Wohnungswirtschaft, scheiterte krachend.
Kommunalwahl 2023: Wohnungsmarkt – Was die Parteien in Norderstedt befürworten
Denn die Wohnungswirtschaft stieg aus den Verhandlungen aus, als eine Mehrheit aus CDU, SPD, Grünen und Die Linke 2019 in der Stadtvertretung beschlossen, dass künftig 50 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert sein müssen, wenn neu gebaut wird. Manche befürchten seither, dass in der Stadt mittelfristig kein Bauherr mehr Wohnungen bauen möchte – zu unwirtschaftlich.
Um überhaupt noch Alternativen für die Unterbringung von Menschen mit engem Budget – also Geringverdiener, Senioren, Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge – zu haben, verlegte sich die Stadt auf das „Norderstedter Modell“ und baute moderne Wohnhäuser, in denen zu 100 Prozent geförderter Wohnraum entstand. Es war so etwas wie die Einstieg in eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft.
„Bündnis für Wohnen“ – Gescheitert. „Norderstedter Modell“ – tot.
Ein Modell, dass SPD, Grüne und Die Linke favorisieren, Parteien wie die CDU, FDP, WiN und Freie Wähler aber klar ablehnen. Eskaliert war die Situation an der Lawaetzstraße, wo ein eigentlich geplantes und von der Entwicklungsgesellschaft baureif entwickeltes 100-Wohnungen-Projekt von den Gegnern gekippt wurde. Seither ist auch das „Norderstedter Modell“ faktisch tot.
Und so wird die Geschichte des bezahlbaren Wohnungsbaus in Norderstedter weitergeschrieben – im Spannungsfeld zwischen dem Druck auf dem Wohnungsmarkt und dem Schutz nötiger Grünflächen.
Wie wollen Sie den dringend benötigten, bezahlbaren Wohnraum in Norderstedt schaffen?
Peter Holle, CDU: „Die Stadt Norderstedt hat zwar keine Stadtmauern aber Stadtgrenzen, die ihr Wachstum per se begrenzt. Mit der CDU wird es weder ein immer höheres Bauen noch ein Betonieren der letzten Grünflächen geben. Wir treten für eine Stadtplanung mit Sorgfalt und Augenmaß ein. Wenn es um Neubau geht, haben wir mit der Vorgabe, insgesamt 50 Prozent davon gefördert zu errichten, eine wegweisende Entscheidung getroffen. Dadurch werden in den nächsten Jahren rund 1000 Wohnungen mit günstigen Mieten geschaffen. Zusätzlich möchten wir die Fehlbelegung unterbinden. Rund 750 steuerlich geförderte Wohnungen werden von Menschen bewohnt, welche aufgrund ihres Einkommens keinen Anspruch auf diesen Wohnraum hätten. Die linken Planungen einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft sind sozialer Brennstoff und weder ausgereift noch finanzierbar.“
Katrin Fedrowitz, SPD: „Als Ergänzung für die in Norderstedt agierenden Wohnungsbaugesellschaften, halten wir die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft für zwingend notwendig. Die im Eigentum der Stadt befindlichen Wohnungsbauflächen könnten mit einer solchen Gesellschaft, die ausschließlich im Interesse der Stadt handelt, selbst bebaut und bewirtschaftet werden. Die städtische Gesellschaft wäre auch an die Verpflichtung gebunden mindestens 50 Prozent geförderte Wohnungen zu errichten. So könnte gezielt für Personen mit Wohnberechtigungsschein, Geflüchtete und Menschen in prekären Lebenssituationen ein Zuhause geschaffen werden. Darüber hinaus soll weiterhin der Austausch und die Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft gepflegt und ausgebaut werden, um gemeinsam den Wohnungsmangel zu entschärfen.“
Ingrid Betzner-Lunding, Bündnis90/Die Grünen: „Die Grünen setzen insbesondere im geförderten Wohnungsbau auf einen Dreiklang aus Wohnungswirtschaft, Genossenschaften und ein kommunales Wohnungsbauunternehmen. Durch weitere Bauten des Norderstedter Modells könnte kurzfristig Entspannung auf dem angespannten Wohnungsmarkt entstehen. Dies wurde jedoch durch die Verweigerung von CDU, FDP und WiN verhindert. Günstiges Verkaufen der Flächen oder gar verschenken, wie es der so genannte bürgerliche Block überlegt ist dabei keine nachhaltige Lösung. Dabei verliert die Stadt nur ihr wichtigstes Eigentum – den Boden – während andere damit nur Profit generieren.“
Reimer Rathje, Wir in Norderstedt (WiN): „Wir unterstützen Bauvorhaben, die mit einem umfassenden und vernünftigen Infrastrukturkonzept geplant werden. Neben der Planung von günstigem Wohnraum müssen auch ausreichend Kitas, erreichbare Schulen, soziale Einrichtungen und eine verkehrliche Struktur bedacht werden. Wir favorisieren eine umsetzbare 30-Prozent-Quote im sozialen Wohnungsbau und keine realitätsferne 50-Prozent-Quote. Mit einer städtischen Flächensicherung und Kompetenz der freien Wohnungswirtschaft möchten wir neue Wohn- und Baukonzepte mit bedarfsgerechtem, nachhaltigem und bezahlbarem Wohnraum realisieren. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft wird ein Zuschussprojekt, das die Probleme der hohen Baukosten nicht behebt. Wir möchten die Erfahrung der Wirtschaft nutzen und scheuen ein unkalkulierbares finanzielles Risiko.“
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Tobias Mährlein, FDP: „Der Bedarf an günstigem Wohnraum ist groß, daran besteht kein Zweifel. Aber allein in Norderstedt werden wir dieses Problem nicht lösen können. Wir unterstützen eine Quote von 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau bei neuen Bauvorhaben. Aber wir leben in einer Metropolregion, allein in Hamburg fehlen 200.000 günstige Wohnungen. Egal wie viel wir in Norderstedt also bauen, der Druck aus Hamburg wird bleiben. Wir unterstützen die behutsame Entwicklung neuer Wohngebiete dort, wo es sinnvoll ist. Voraussetzungen dafür sind vor allem eine gute ÖPNV-Anbindung sowie das gleichzeitige Mitplanen von ausreichend Kita-Plätzen und angemessenen Schulräumen. Aber wir dürfen die Struktur Norderstedts nicht zerstören, unsere Straßen sind an der Belastungsgrenze und wir wollen die „Stadt im Grünen“ bleiben.“
Thomas Thedens, Freie Wähler: „Wir benötigen endlich ein „Bündnis für Wohnen“ in Norderstedt. Die Wohnungswirtschaft muss mit an den Tisch! Nur gemeinsam können wir Lösungen entwickeln, um mehr Wohnraum zu schaffen. Die Quote für geförderten Wohnungsbau liegt derzeit bei 50 Prozent, daran wollen wir festhalten. Zudem fordern wir eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren auf allen Ebenen durch eine digitale Bauakte. Und ebenso das Mitdenken neuer Wohnformen, wie z.B. Mehrgenerationenwohnen, Lebensphasenkonzepten und der Wechsel von verschiedenen Wohnformen. Zusätzlich wollen wir aber auch den Weg ins Wohneigentum ebnen. Hier z.B. durch Einsatz von Mietkaufmodellen, oder die Ausweisung von neuen Erbpachtgrundstücken für Menschen mit mittlerem Einkommen. Und die Ausweisung von Baugrundstücken zu fairen Preisen für Familien.“
Miro Berbig, Die Linke: „Eine gute Wohnung für jeden sollte in unserem reichen Land selbstverständlich sein. Ohne einen kommunalen sozialen Wohnungsbau, der dauerhaft bezahlbar bleibt, ist dies nicht mehr möglich. Feste Quoten sind nicht die Lösung, aber ein probates Mittel eine Mindestanzahl an Wohnungen mit bezahlbaren Mieten zur Verfügung zu stellen. Städtische Flächen dürfen nicht mehr an Investoren veräußert werden, sondern sollen dem kommunalen Wohnungsbau dienen. Bei all dem dürfen wir nicht vergessen, dass auch wir immer älter werden. Deshalb sollen grundsätzlich in allen Neubauten auch Wohnungen geschaffen werden, die barrierefrei gestaltet sind. Für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Obdachlose und Flüchtlinge wollen wir wieder Wohnraum nach dem Norderstedter Modell zur Verfügung stellen.“
Sven Wendorf, AfD: „Norderstedt hat als Schnittstelle zwischen ländlichem Raum und der Metropole Hamburg einen ganz eigenen Charakter, den es zu bewahren gilt. Die Lebensqualität der Bürger darf nicht durch überdimensionierte Bauvorhaben vermindert werden. Neubau und Nachverdichtung darf es daher nur mit Augenmaß geben. Die Unterbringung von Asylanten in Wohnungen und Hotels erhöhen den Druck auf dem Wohnungsmarkt. Stattdessen sollten Anreize für eine schnelle Rückkehr geschaffen werden, sobald es die Situation im Heimatland zulässt. Um Grundstückseigentümer und Mieter finanziell zu entlasten, ist die Grundsteuer möglichst gering zu halten. Des Weiteren fordern wir die Streichung unwirtschaftlicher Bauvorschriften. Ein Verbot von altbewährten Heizungsanlagen für Hauseigentümer lehnen wir ab.“