Norderstedt. Mit der sogenannten Eisspeicher-Heizung wird die Schule zum Vorreiter. Was sich dadurch für die Schüler ändert - auch im Sommer.
Dass am Schulzentrum Nord gebaut wird, ist schon von weitem erkennbar, an der großen Baugrube vor dem Eingangsbereich an der Moorbekstraße. Nicht jeder sieht aber gleich, dass hier technisches Neuland beschritten wird. Dass Norderstedt hier einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität macht – und womöglich zum Modell für andere Städte und Gemeinden wird.
Denn schon in einigen Jahren wird das Schulzentrum Nord, bestehend aus dem Lessing-Gymnasium und der Gemeinschaftsschule Friedrichsgabe, komplett von einer Eisspeicherheizung versorgt werden. Sie sind damit die ersten Schulen in Schleswig-Holstein, die diese ganz neue Technik einsetzen werden.
Norderstedt: Heizen mit Eis – Schulzentrum Nord bekommt modernste Technik
Heizen mit Eis – wie geht das? Das Herzstück des Systems befindet sich, gut sichtbar, im Inneren der Baugrube. Es ist ein riesiger Betonzylinder, 17 Meter Durchmesser, 2,80 Meter Höhe. Der Eisspeicher. Darin werden sich künftig 350 Kubikmeter Eis, beziehungsweise Wasser, befinden.
„Wir nutzen die Energie der Natur“, umschreibt Tim Bernitt, Leiter des Amtes für Gebäudewirtschaft, das Prinzip. Stark vereinfacht funktioniert das so: Photovoltaikanlagen auf den Dächern des Schulzentrums – diese gibt es schon jetzt – erwärmen im Winter das kalte Wasser im Inneren des unterirdischen Speichers. Zusätzlich wird auch Erdwärme genutzt, die es auch im Winter gibt. Und das System nutzt auch die Energie, die entsteht, wenn Wasser gefriert – die sogenannte Kristallisationswärme.
Im Sommer kehrt sich das Prinzip um – mit dem Eis wird gekühlt
Leitungen im Inneren des Speichers nehmen die Wärme auf. Mithilfe von drei Wärmepumpen versorgen sie die Heizkörper in den Klassenräumen. Diese wiederum werden sich künftig nicht an den Wänden oder im Fußboden befinden, sondern oben, an den Raumdecken.
Im Sommer kehrt sich das Prinzip dann um. Mit dem Eis aus dem unterirdischen Speicher werden die Räume an heißen Tagen gekühlt – über die Elemente an den Decken. „Damit stellen wir uns auch auf den Klimawandel ein, der ja mit sich bringt, dass wir heißere Sommer bekommen werden“, sagt Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder.
Einbau der Heizung ist Teil der Komplett-Modernisierung des Schulzentrums
Der Einbau der Eisspeicherheizung ist nur ein Baustein im Gesamtumbau des Schulzentrums – und auch nur als solcher realisierbar. Denn das ganze Schulzentrum wird komplett entkernt und erneuert, außerdem bekommt es einen dreistöckigen Erweiterungsbau. 60 Millionen Euro kostet die gesamte Baumaßnahme, die 2027 abgeschlossen sein soll.
„Die Chance haben wir genutzt. Denn durch die Entkernung und den Neubau lohnt sich die Installation eines komplett neuen Heizsystems“, sagt Baudezernent Christoph Magazowski. Zunächst hatte im Raum gestanden, das Schulzentrum nach und nach zu sanieren. „Aber das hätte 35 Jahre gedauert“, so Magazowski.
Alte Solarzellen auf den Dächern werden abgebaut und wiederverwendet
Außerdem sei die Entkernung besonders nachhaltig, da Elemente, die energieintensiv in der Herstellung sind – wie Stahl- und Betonträger – stehen gelassen werden. Und: Auch die Solarzellen, die sich schon seit mehr als 20 Jahren auf den Dächern befinden, werden wiederverwendet.
Bereits im März soll mit dem Bau des Ergänzungsgebäudes begonnen werden. Es wird genau neben der Baugrube für die Eisspeicherheizung entstehen, erste Vorbereitungen für die Baustelle sind schon erkennbar.
Viel Holz, bodentiefe Fenster: Ab März entsteht der dreistöckige Erweiterungsbau
Ein dreistöckiges Gebäude ist vorgesehen, mit bodentiefen Fenstern, viel Holz als Baustoff und außenliegenden Laubengängen. Der Entwurf stammt von dem niederländischen Architekturbüro RDMR und dem Hamburger Büro Medium. 20 Klassenräume sollen hier Platz finden, für beide Schulen, außerdem ein Fahrradkeller.
„Das Gebäude soll Ende 2024, Anfang 2025 fertig sein. Und das wird dann auch schon mit der Eisspeicherheizung versorgt“, sagt Elke Christine Roeder. Die Solarmodule, die sich jetzt noch auf dem Dach des Altbaus befinden, werden dann auf dem Neubau installiert.
2025 kommen dann Container auf das Schulgelände. Der Altbau wird entkernt
Etwa Anfang, Mitte 2025 kommen dann Container auf das Schulgelände. Denn dann wird die Entkernung und Komplettsanierung des alten Gebäudekomplexes angegangen. 2027 soll alles fertig sein – und dann versorgt die Eisspeicherheizung auch die gesamte Schule, die bisher noch Fernwärme aus einem Blockheizkraftwerk bezieht.
Für den „absoluten Notfall“ soll das auch nach 2027 noch möglich sein, sagt Elke Christina Roeder. Falls ein Winter extrem kalt wird, also minus 20 oder minus 30 Grad, ist die Mit-Versorgung aus dem Blockheizkraftwerk des nebenan liegenden Berufsbildungszentrums als „Backup“ vorgesehen.
Bekommen jetzt alle Schulen in Norderstedt so eine Heizung? Nicht unbedingt
Ohnehin müsse man mit dem neuen Eisspeicher-Heizsystem erst Erfahrungen sammeln, „da wird viel Monitoring in der Anfangszeit nötig sein“, sagt Tim Bernitt. Aber ein Hamburger Spezialist werde dabei helfen. Und das Norderstedter Schulzentrum helfe auf diese Art auch bei der Erprobung moderner, klimaschonender Energiesysteme.
Das Beispiel soll durchaus Schule machen – dass jetzt nach und nach alle Norderstedter Schulen eine Eisspeicherheizung bekommen, bedeutet das allerdings nicht. „Das muss Sinn machen und sich rechnen. Es geht ja auch um Steuergeld. Im Zuge des Umbaus des Schulzentrum Nord bot sich das aber an“, sagt Christoph Magazowski.
Fördergeld bekommt Norderstedt für diese Pioniertat nicht – bisher
Eine Förderung vom Land, Bund oder gar aus EU-Töpfen bekommt Norderstedt für die Eisspeicher-Heizung übrigens nicht. „Für uns hat das Projekt trotzdem absolut Sinn und rechnet sich auch“, sagt Elke Christina Roeder. Die aber ergänzt: „Über eine Förderung würden wir uns natürlich trotzdem freuen.“
Und vielleicht ist hier das letzte Wort auch nicht gesprochen. Der Bau dauert ja noch eine Weile, es gibt immer wieder neue Förderlinien. Außerdem sei man in dieser Frage „mit Kiel im Gespräch“, sagt Tim Bernitt.
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In jedem Fall bekommen die Schüler der Gemeinschaftsschule Friedrichsgabe und des Lessing-Gymnasiums bald ein sehr innovatives Heizsystem. Und damit auch gleich ganz besonderes Anschauungsmaterial für den Unterricht, etwa für das Fach Physik – oder auch für Politik, Sozialkunde oder Mathematik. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt.
Norderstedt: Eine negative Folge der neuen Heizung – aus Schülersicht
„Ich würde mich freuen, wenn sich die Schüler im Unterricht damit auseinandersetzen“, sagt Elke Christine Roeder, die auch betont, dass man am Schulzentrum ohnehin „sehr aufgeschlossene, innovative Lehrer“ habe.
Eine negative Folge für den Schulalltag habe die Eisspeicher-Heizung dann aber doch – zumindest aus Schülersicht. „Wir können ja künftig die Klassenräume kühlen, das bedeutet, es gibt dann leider kein Hitzefrei mehr!“, sagt Elke Christina Roeder.