Norderstedt. CDU kritisiert: Armutszeugnis für so reiche Stadt, dass es zu wenig Schwimmunterricht gibt. Warum besonderer Lastwagen Lösung sein könnte.
„Ein rollendes Schwimmbad – das ist doch eine tolle Möglichkeit, mehr Kindern in Norderstedt das Schwimmen beizubringen“, sagt Uwe Matthes. Der CDU-Politiker hat ein Projekt entdeckt, das die Schweizer erfunden haben: ein acht Meter langes und zwei Meter breites Wasserbecken, untergebracht in einem Lastwagen-Anhänger. Die CDU möchte, dass die Stadt Norderstedt so einen Pool auf Rädern anschafft und auch Schulen in der Region zur Verfügung stellt.
Nun will die CDU die Verwaltung prüfen lassen, ob und wie das mobile Schwimmbecken in Norderstedt zum Einsatz kommen kann. „Wir werden einen entsprechenden Prüfauftrag im Ausschuss für Schule und Sport stellen“, sagt Matthes.
Eine Zugmaschine transportiert den rollenden Pool mit einer Gesamtlänge von 13,64 Metern an den gewünschten Ort, heißt es in der Beschreibung von „Aqwa Itineris“. So heißt das Schweizer Unternehmen, das mit seiner Erfindung durchaus Anklang findet, könnte sie doch dazu beitragen, die Mängel in der Schwimmausbildung zu reduzieren.
Schule Norderstedt: CDU fordert das rollende Schwimmbad für Norderstedt
Wasserflächen sind knapp in Norderstedt. Zwar steht das Lehrschwimmbecken in der Grundschule Friedrichsgabe nach der Sanierung wieder zur Verfügung, und auch im Arriba-Bad lernen Schüler und Schülerinnen Arm- und Beinzug, aber: „Das Angebot ist knapp, das rollende Schwimmbad könnte die Kapazitäten deutlich erhöhen“, sagt Matthes.
Als das Schulschwimmbecken an der Pestalozzistraße in Friedrichsgabe wieder in Betrieb ging, hatte CDU-Fraktionschef Peter Holle die Stadt massiv kritisiert: „Seit Jahren wissen wir, dass wir einen Neubau für das Schul- und Vereinsschwimmen benötigen. Pläne dazu wurden bereits im Jahr 2018 vorgelegt – getan hat sich nichts.“
Schulschwimmen: „Ein Armutszeugnis für die reiche Stadt Norderstedt“
Erschwerend komme hinzu, dass es zertifizierten Schwimmtrainerinnen und -trainern untersagt wurde, die bestehenden Kapazitäten im Arriba und im Bad an der Wiesenstraße zu nutzen, um außerhalb der Schulzeiten den Kindern Schwimmtraining zu ermöglichen.
„Das Arriba hat einen ,Ausschließlichkeitsvertrag’ mit einer privaten Schwimmschule und lässt die Bahnen in der übrigen Zeit lieber ungenutzt, während die Schwimmhalle an der Wiesenstraße sich ausschließlich die DLRG Norderstedt und die SG Wasserratten unter sich aufteilen“, kritisierte Holle. „Wer dort einen Termin für ein Training auf das Schwimmabzeichen Gold haben möchte, wird enttäuscht: gibt es nicht.“ Für alles andere gebe es Wartelisten mit einer Dauer von einem Jahr.
Schwimmunterricht: Es fehlt an geeigneten Wasserflächen
„Hier muss sich dringend etwas ändern“, fordert die CDU. „Wer nicht in Kauf nehmen möchte, dass Kinder in Badeseen ertrinken, muss dafür sorgen, dass Kinder Schwimmen lernen. Wenn dieses nicht einmal eine Stadt wie Norderstedt schafft, ist das ein Armutszeugnis.“
„Von den rund 750.000 Kindern, die jedes Jahr von den Grund- an die weiterführenden Schulen wechseln, waren schon vor der Pandemie 60 Prozent keine sicheren Schwimmer“, sagt Marco Troll, Präsident des Deutschen Schwimmverbandes. Nun habe sich Lage weiter verschlechtert. Es fehle nicht nur an Schwimmausbildern, sondern auch an geeigneten Wasserflächen.
Coronakrise: 1100 Jungen und Mädchen konnten nicht schwimmen lernen
Auch in Norderstedt hatte die Coronakrise negative Folgen für den Schwimmunterricht: Rund 1100 Jungen und Mädchen konnten nicht schwimmen lernen. Zwar nahmen die Schwimmausbilder die Arbeit wieder auf, aber die Situation blieb angespannt.
Die Wartelisten waren lang, Eltern und Kinder brauchten Geduld, ehe die Jungen und Mädchen ins Wasser konnten. Die Energiekrise wurde zur nächsten Bremse für die Jüngsten auf dem Weg zu sicheren Schwimmern. Manche Bäder stellten den Betrieb ein, andere senkten die Wassertemperatur – die Kinder froren schneller, die Ausbildungszeit verkürzte sich.
Mobiler Pool: Vielfältige Nutzung durch in der Höhe verstellbaren Boden
„Um die raren Wasserflächen zu vergrößern und das lokale Angebot zu erweitern, bietet sich das Lkw-Schwimmbecken geradezu an“, sagt Uwe Matthes. Er sieht einen weiteren wesentlichen Vorteil des Schwimmmobils: Der Edelstahlboden lasse sich verstellen, zwischen wenigen Zentimetern Höhe bis auf 1,20 Meter.
Diese Flexibilität ermögliche eine vielfältige Nutzung. So sei es leicht, ängstliche Kinder an das Wasser zu gewöhnen. Doch nicht Schüler und Schülerinnen könnten vom Hubboden profitieren, sondern auch Senioren und Menschen mit Handicaps. Wassertherapie und Wasserwellness seien möglich. Ergänzt werde der Wasserbereich durch drei Umkleidekabinen, Kleiderfächer, eine Dusche, ein WC und ein Fußbecken.
Nordrhein-Westfalen: Mobiles Schwimmbad steht im Koalitionsvertrag
Das Schwimmbad auf Rädern kann laut Hersteller sechs bis acht Kinder gleichzeitig aufnehmen. Pro Tag könnten vier bis sechs Gruppen mit je acht Schülern im Lkw-Bad schwimmen. Hochgerechnet auf ein Schuljahr ergebe das 500 bis 600 Schüler.
In Frankreich gibt es den mobilen Pool schon, hat Matthes recherchiert. Deutschland hingegen sei noch ein weißer Fleck. Allerdings habe die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen aus CDU und Grünen Pläne für die Realisierung des Projekts in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Auf Seite 128 heiße es: „Gemeinsam mit Bund und Kommunen wollen wir die für die Daseinsvorsorge notwendige Bäderinfrastruktur modernisieren und innovative Lösungen wir mobile Schwimmbäder vorantreiben.“
Rollender Pool: 500 Schüler mehr können Schwimmen lernen
„Das mobile Schwimmbecken ist günstiger als ein herkömmliches Bad, es kann von mehreren Gemeinden betrieben werden, und die Betriebskosten sind niedrig“, sagt Matthes. Rollt die Wasserfläche vor die Schule, entfalle der Zeitaufwand, die Schüler und Schülerinnen mit dem Bus zum Schwimmunterricht zu transportieren.
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In der Standardausführung koste das Bad im Lkw-Anhänger rund 600.000 Euro. Die Zugmaschine sei nicht im Preis enthalten, sie müsste angemietet werden.