Lesen Sie hier, was der Norderstedter Arne Hentschel als Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks bei seinem Einsatz an der jordanisch-syrischen Grenze erlebt. Ein Blog aus dem Krisengebiet.
Za’atari/Norderstedt. Eigentlich wäre jetzt die Zeit meiner Rückkehr in die Heimat gewesen, doch mein Einsatzauftrag wurde verlängert. Weitere vier Wochen in Za’atari warten nun auf mich. Die ursprünglich geplanten vier Wochen vergingen wie im Fluge.
Neben der eigenen Entscheidung erfordert eine Verlängerung immer eine Abstimmung mit der Familie und dem Arbeitgeber. Kann und will ich weitere Wochen auf mein gewohntes Leben verzichten? Das ist die Kernfrage. Die Antwort auf diese Frage findet jeder Helfer für sich selber.
Bisher waren über 120 THW-Helfer in Jordanien im Einsatz, manche inzwischen ein zweites Mal. So sehr wir uns alle auf die Heimat freuen, fällt jedem der Abschied schwer. Wir kommen, um zu helfen und müssen eines Tages wieder gehen. Das Leid der Bewohner von Za´atari bleibt und sie bleiben in unserer Erinnerung.
In vier Wochen schafft ein ausgebildeter THW-Experte jede Menge Arbeit. Er bringt sein gesamtes Fachwissen zum Wohle der syrischen Flüchtlinge ein. Er baut Waschhäuser und Sanitäranlagen oder Abwasserleitungen. Dinge, die wir in der Heimat selbstverständlich nutzen und kaum beachten. Hier besichern diese Dinge das Überleben der Menschen. Dadurch wird jede Heimreise zu einem schweren Gang.
Die Menschen nennen uns „die Männer mit den blauen Mützen“ oder „The German Engineers“. Sie vertrauen uns und sie bauen auf unsere Hilfe. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit laden sie uns manchmal in ihre Zelte zum Tee ein und erzählen sie uns ihre Geschichten.
Wir Helfer entdecken im Lager sehr viel mehr als die Arbeit. Wir beginnen den fremden Kulturkreis zu verstehen und finden Freunde unter den Kameraden und lokalen Mitarbeiten. Zuvor unbekannte Menschen werden zu Mitstreitern für eine gemeinsame Sache, für ein gemeinsames Ziel. Das verbindet viele für immer und über die Grenzen hinaus.
Jede Verabschiedung eines Kameraden wird für alle ein schweres Ereignis. Am Abend der Abreise sitzt man zusammen und erzählt sich von den gemeinsamen Erlebnissen. Man lacht und versucht, den Abschied zu beschönen. Man spricht über freudige und schwierige Ereignisse im Camp, über Erlebtes und über die Bewohner von Za´atari. Wir erzählen uns dann ihre Geschichten aus den Zelten, über ihr Leben vor der Syrienkrise und über ihre lange Flucht.
Die Uhr tickt unaufhaltsam und es kommt die Zeit zum Gehen. Mit Freude auf die Heimat und mit Wehmut im Herzen nimmt der Kamerad seinen Rucksack. Er verabschiedet sich von allen und fährt davon. „Du kannst den Mann aus der Wüste nehmen, aber nie die Wüste aus dem Mann“, wird oft zum Abschied gesagt - oder ein einfaches „See you, my friend!" Was wir hier täglich erleben, wird uns ewig verbinden. Die gemeinsame Zeit ist nur kurz, aber dafür sehr intensiv.
Ich habe meinen Abschied um vier Wochen aufgeschoben. Ich werde noch weitere vier Wochen meinen Job machen und den Menschen helfen. Sie brauchen unsere Hilfe. Ich kann ihnen helfen, und ich bin jetzt hier.