Lesen Sie hier, was der Norderstedter Arne Hentschel als Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks bei seinem Einsatz an der jordanisch-syrischen Grenze erlebt. Ein Blog aus dem Krisengebiet.

Za’atari/Norderstedt. Die Nacht ist gegen 6.30 Uhr beendet. Frühstück besteht aus einem schnellen Kaffee und kurzen Gesprächen mit den Kameraden. Man tauscht sich über leichte Themen aus. Spricht über Beruf und Familie. Dann geht es ins Camp. Der Fahrt dauert 45 bis 60 Minuten, je nach Verkehr. Amman hat Verkehrsprobleme wie fast alle Großstädte. Auf dem Weg ins Camp kann man sich zu dieser Jahreszeit an den schönen Seiten Jordaniens erfreuen. Für ein paar Wochen wechselt die Wüste ihre Farben und blüht. Immer wieder führt unser Weg an satten Wiesen vorbei. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier früher die Karawanen auf ihren langen Reisen rasteten und Kraft tankten. Doch unsere Fahrt führt uns weiter in die Wüste, dichter an die syrische Grenze.

Schon viele Kilometer vor unserem Ziel kann man am Horizont Za’atari erkennen. Tausende weiße Zelte reflektieren das Sonnenlicht. Im Camp herrscht schon früh wilder Trubel. Die ersten Händler haben ihre Stände aufgebaut und versuchen, Waren aus aller Welt anzupreisen. Vorm Camp warten die ersten Besucher auf Einlass. Lange Schlagen bilden sich, Menschentrauben versperren die Wege und Straßen. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun, um jeden zu kontrollieren. Ohne Anmeldung kommt keiner rein, keiner raus. Hier wird Sicherheit sehr groß geschrieben. In einer solch angespannten Lage möchte man jeden Konflikt vermeiden und ist vorbereitet.

Unser Arbeitsbereich liegt im Basecamp, einem abgesperrten Bereich hinter hohen Zäunen. Hier ist auch die Einsatzzentrale vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und vom UNO-Kinderhilfswerk Unicef. Zu Beginn besorgen wir uns die wichtigsten Neuigkeiten und Zahlen. Wie ist die Sicherheitslage? Wie viele Flüchtlinge sind in der Nacht angekommen? Die Zahlen sind immer erschreckend gleich. Wieder eine Nacht mit mehr als 4000 Menschen. Nacht für Nacht menschliche Schicksale, tausendfach gleich und doch jedes mit einer eigenen Geschichte. Oft sind die Menschen Tage auf der Flucht. Begleitet von der Angst, nicht das sichere Nachbarland Jordanien zu erreichen. Keiner kennt die Zahl derer, die es nicht schaffen. Es gibt nur Vermutungen und Spekulationen.

Die Menschen flüchten im Schutz der Nacht. Sie durchqueren die Wüste oft mit letzter Kraft. Nur getrieben von der Hoffnung auf Sicherheit. Über die Hälfte sind Kinder. Viele kommen ohne ihre Eltern. Deren Schicksale sind uns unbekannt. Wir können nur vermuten, was mit ihnen geschehen ist.

Im Grenzgebiet werden die Flüchtlinge vom jordanischen Militär eingesammelt, registriert und in Bussen nach Za’atari gebracht. Dort nimmt sich der UNHCR ihrer an. Die elternlosen Kinder werden von Unicef aufgenommen.

Danach beginnt der Job der Organisationen aus aller Welt. Wir sind ein großes internationales Team und kommen. Jeder hat seine Aufgabe und erfüllt sie gewissenhaft, Die Menschen in Deutschland können sich sicher sein, dass ihre Spenden gut ankommen und sinnvoll investiert werden.

Der Arbeitstag im Camp ist lang und abwechslungsreich. Wir sind immer bestrebt, alle Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen. Das THW ist für den Aufbau und die Wartung der Sanitär- und Kochbereiche zuständig. Mit unseren lokalen Mitarbeitern werden täglich neue Waschhäuser errichtet und alte repariert. Die Kommunikation erfolgt in englisch oder mit Händen und Füßen. Doch das gemeinsame Ziel hilft, die Sprachbarriere zu überwinden.

In den vergangenen Tagen häufte sich die Zahl prominenter Besucher. Politiker und Abgeordnete aus aller Welt kommen und machen sich ein Bild von der Lage. Jedes Land ist gefordert, diese humanitäre Katastrophe zu beheben. Auch die Bundesrepublik erweitert ihre Hilfe. Mehrere Möglichkeiten werden aktuell geprüft. In den nächsten Tagen erwarten wir wieder mehrere Gäste aus Deutschland.