Die Grünen legen ein Gutachten vor, nach dem das Atomkraftwerk nur sicher sein soll, wenn es stilliegt. Seit 2007 produziert es nicht mehr.

Kiel. Ist die Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Brunsbüttel erloschen? Ein juristisches Gutachten der Grünen sieht dies so. Der Betreiber Vattenfall widerspricht. Ende 2011 soll die mehr als 300 Millionen Euro teure Nachrüstung des Pannen-Meilers fertig sein.Über die Zukunft des seit langem abgeschalteten störanfälligen Atomkraftwerks Brunsbüttel ist neuer Streit entbrannt. Der Betreiber Vattenfall widersprach am Montag einem juristischen Gutachten der Grünen, demzufolge die Betriebsgenehmigung des Kernkraftwerks (Kreis Dithmarschen) erloschen sei, weil die Anlage länger als drei Jahre stillsteht. Die Atomaufsicht in Kiel äußerte Zweifel an dem Gutachten. Unterdessen wird das Werk nachgerüstet. Seit 2007 wurden bereits mehr als 300 Millionen Euro investiert.

2011 sollen die Arbeiten fertig sein als Voraussetzung, einen Antrag zum Wiederanfahren an Netz zu stellen, sagte eine Vattenfall-Sprecherin am Montag der Nachrichtenagentur dpa. „Es wäre ein schwerer Fehler, die Wieder-Inbetriebnahme ohne Klärung der Rechtslage zu genehmigen“, sagte Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Er verwies auf das Gutachten der Grünen im Landtag Schleswig-Holstein. „Statt weiter an dem Pannenreaktor herumzudoktern, sollte spätestens jetzt auch dem Letzten klar werden: Brunsbüttel darf nicht wieder ans Netz.“ Das AKW führe die Pannenstatistik an und sei nicht gegen terroristische Angriffe gesichert. „Sicher ist Brunsbüttel nur, wenn es weiterhin stillliegt“, sagte Trittin. Auch die Deutschen Umwelthilfe (DUH) forderte am (DUH) ein endgültiges Abschalten von Brunsbüttel angesichts des „insgesamt fragwürdigen Sicherheitszustands“ des rund 35 Jahre alten Siedewasserreaktors an der Elbe. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Betriebsgenehmigung der Anlage abgelaufen ist, weil sie länger als drei Jahre stillstand. Dies gehe aus Paragraf 18 Abs.1 Nr. 2 des Bundesimmisionsschutzgesetzes (BImSchG) hervor, sagte die Autorin des Gutachtens, die Berliner Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, am Montag in Kiel. Brunsbüttel produziere seit Sommer 2007 keinen Strom mehr, nicht einmal für den Eigenbedarf. Eine Sanierung sei kein Betrieb, auch wenn in den Betriebsvorschriften etwas anderes stehen sollte.

Die Vattenfall-Sprecherin sagte, dass Unternehmen gehe davon aus, das BImSchG finde in diesem Fall keine Anwendung. Da die Grundsätze, die im Paragraf 18 BImSchG festgelegt sind, in der Verordnung zum Genehmigungsverfahren nach dem Atomgesetz nicht aufgenommen worden seien, könne man „messerscharf“ schließen, dass er für atomrechtliche Anlagen nicht gilt. Im Kernkraftwerk Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen), 1977 in Betrieb genommen, laufen nach zahlreichen Pannen seit 2007 umfangreiche Sanierungsarbeiten. Dazu zählen etwa der Umbau und die Optimierung der Notstromversorgung, die Sanierung von Dübelverbindungen und Stahlbühnen, um das Atomkraftwerk künftig erdbebensicher zu machen, wie die Vattenfall-Sprecherin erläuterte. Das Kernkraftwerk könnte dann auch die Explosion eines Gastankers auf der Elbe aushalten. Der für die Aufsicht zuständige Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) sagte, die Atomaufsicht halte die These, dass das Atomgesetz ein Regelungsdefizit enthalte „für wenig überzeugend“. Da das Kernkraftwerk Brunsbüttel aus technischen Gründen auf absehbare Zeit ohnehin nicht wieder in Betrieb genommen werden könne, sehe er keinen akuten Entscheidungsbedarf in Bezug auf die abschließende Bewertung des Gutachtens. Eine in rechtlicher Hinsicht seriöse Bewertung könne sowieso erst nach sorgfältiger Auswertung des Gutachtens erfolgen. Festzustellen bleibe jedoch, dass die 1983 erteilte unbefristete Betriebsgenehmigung grundsätzlich auch den sogenannten Stillstandsbetrieb, dass heißt etwa Instandsetzungsvorgänge, Reparaturen, Brennelementwechsel und wiederkehrende Prüfungen umfasse, betonte der Minister. Das Gutachten argumentiert, dass das Bundesverwaltungsgericht in andern Fällen bereits entschieden habe, dass das BImSchG im Atomrecht Anwendung finden kann. „Die Vorschrift hat bisher keine Beachtung gefunden, weil in Deutschland noch nie solange ein Atomkraftwerk stillstand“, meinte die Sachverständige Ziehm. „Jetzt beginnt die politische und juristische Auseinandersetzung“, kündigte der Kieler Grünen-Fraktionschef Robert Habeck an. Wenn die Atomaufsicht eine Wiederanfahrgenehmigung erteile, dann sei das ein rechtswidriger Akt, sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen, Detlef Matthiessen. Und dass Vattenfall für Brunsbüttel eine neue Betriebsgenehmigung erhalten könnte, schlossen die Grünen sowieso aus: Dafür besitze der alte Reaktor nicht die technischen Voraussetzungen. (dpa)