Durften die Neonazis im Auftrag des Anwalts Jürgen Rieger die Türschlösser aufbohren? Darüber befindet jetzt das Landgericht Lüneburg.

Faßberg/Lüneburg. Seit mehr als zwei Wochen halten die Bürger von Faßberg im Kreis Celle Mahnwachen vor dem ehemaligen Hotel „Gerhus“. Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass Neonazis im Auftrag des rechtsextremen Anwalts Jürgen Rieger die Immobilie besetzt halten und dort womöglich ein Schulungszentrum einrichten. Weil die Staatsanwaltschaft bisher keine strafrechtliche Handhabe gegen die braunen Umtriebe finden konnte, hat der Zwangsverwalter der Immobilie eine einstweilige Verfügung gegen die Besetzer beantragt.

Am Dienstag entscheidet eine Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg darüber, ob die Neonazis die Türschlösser aufbohren durften. „Es geht darum, ob die Inbesitznahme rechtmäßig ist oder nicht“, erklärt der Sprecher des Landgerichts, Bernd Gütschow. Die Gültigkeit eines zwischen Rieger und den Eigentümern der Immobilie geschlossenen Pachtvertrags sei nicht Gegenstand der Verhandlung. „Beim einstweiligen Verfügungsverfahren wird nach Aktenlage und schriftlichen Zeugenvernehmungen entschieden“, sagt Gütschow. Die Kammer erörtere den Sachverhalt noch einmal ausführlich. „Es kann dann ad hoc eine Entscheidung geben oder wenige Tage später.“

Gibt das Gericht dem Zwangsverwalter Recht, kann dieser mit dem Titel umgehend zum Gerichtsvollzieher gehen und das Hotel räumen lassen – gegebenenfalls mit Unterstützung der Polizei. Das gilt auch für den Fall, dass Rieger Beschwerde vor dem Oberlandesgericht einlegt und die Entscheidung deshalb noch nicht rechtskräftig ist. Er gehe davon aus, dass sowohl Zwangsverwalter Jens Wilhelm als auch Rieger Beschwerde einlegen, wenn sie unterliegen. „Das kann sich dann hinziehen.“ Zwangsverwalter Wilhelm stellte auch eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung. Damit ist er noch nicht weit gekommen. „Bei uns ist die Beweislage bisher eher dünn“, sagt der Leitende Lüneburger Oberstaatsanwalt Gerhard Berger. „Wir warten nun eigentlich ab, was die zivilrechtliche Auseinandersetzung um eine einstweilige Verfügung ergibt.“

Der Verdacht, dass der Pachtvertrag vordatiert sein könnte, sei bisher noch nicht entkräftet. Die Eigentümer des Hotels hätten den Vorwurf aber in einer Vernehmung bestritten. „Das zu widerlegen wird sehr schwierig sein“, sagt Berger. Der Vertrag trägt das Datum 26. Mai. Das ist genau einen Tag vor der Einsetzung des Zwangsverwalters, die eine Gläubigerbank der hoch verschuldeten Eigentümer beantragt hatte. Die Rechtmäßigkeit des Pachtvertrags kann Zwangsverwalter Wilhelm noch vor Gericht überprüfen lassen, beispielsweise weil er die Miete für sittenwidrig niedrig hält. Was Rieger in Faßberg tatsächlich vorhat, ist fraglich: Will er gemeinsam mit den Eigentümern den Preis des Hotels in die Höhe treiben oder tatsächlich einrechtes Zentrum eröffnen? In Delmenhorst beispielsweise hatte sich die Stadt im Dezember 2006 genötigt gesehen, ein fast wertloses Hotel für drei Millionen Euro zu kaufen - und später abzureißen, weil sich kein Mieter fand. Auf der anderen Seite sieht der niedersächsische Verfassungsschutz Rieger in der rechten Szene unter Zugzwang, sein lange angekündigtes Schulungszentrum zu realisieren.