Vor dem Castor-Transport nach Lubmin haben mehrere Protestler symbolische Atomfässer vor das Wahlkreisbüro der Bundeskanzlerin gerollt.
Stralsund. Rund 40 Atomkraft-Gegner haben am Montag vor dem Stralsunder Wahlkreisbüro von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die Atompolitik des Bundes demonstriert. Unter dem Motto „Zurück zum Absender“ rollten sie lautstark symbolische Atomfässer durch die Stralsunder Innenstadt und forderten die Bundesregierung zum Atomausstieg auf. „Statt für Lobbyinteressen ist Merkel für das Wohl und die Gesundheit der Menschen verantwortlich“, sagte Adelwin Bothe vom Anti-Atom-Bündnis Nordost. Stralsund liegt rund 40 Kilometer vom Zwischenlager Nord in Lubmin entfernt, wo am Donnerstag ein Castor-Transport mit deutschem Atommüll aus Frankreich erwartet wird.
Bereits am Sonnabend hatten in Greifswald nach Polizeiangaben rund 2000 Atomkraftgegner gegen den Transport protestiert. Unter den Demonstranten waren auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und Ehefrau Britta. Die Veranstalter hatten von 3500 Teilnehmern gesprochen.
Die CDU kritisierte Sellerings Teilnahme an der Demo. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sei ins Lagezentrum geeilt, um für Sicherheit zu sorgen, während Sellering "die Sicherheit nicht unbedingt erhöht", sagte Landesgeneralsekretär Vincent Kokert.
Der Castor-Transport soll am Dienstag in Südfrankreich starten. In den Castoren befinden sich rund 2500 Brennstäbe aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und vom Atomschiff „Otto Hahn“, die jahrelang im Kernforschungszentrum Cadarache lagerten. Der Transport wird voraussichtlich am Donnerstag gegen Mittag das bundeseigene Zwischenlager Nord bei Lubmin erreichen. Genaue Informationen dazu will Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Dienstag bekanntgeben.
Die Bundespolizei hat eigenen Angaben zufolge seit Montag die Patrouillen verstärkt und die Zahl ihrer Einsatzkräfte allein am Endstück der Strecke zwischen Greifswald und Lubmin auf mehrere hundert erhöht. An dem 22 Kilometer langen Teilstück werden die größten Proteste erwartet.
Innenminister Lorenz Caffier (CDU) erinnerte an die langjährige Genehmigungsphase und kritisierte die Grünen und den früheren Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne). „Faktisch kriegt Mecklenburg-Vorpommern also nun den Müll, den die Grünen bestellt haben.“
Bei den hochradioaktiven Abfällen, die nun nach Mecklenburg-Vorpommern rollen, handelt es sich um Atommüll des Bundes, der langfristigen Verträgen zufolge von Deutschland zurückgenommen werden muss. Die vom Bundesamt für Strahlenschutz erteilte Genehmigung stößt in Mecklenburg-Vorpommern auf heftige Kritik, da die Einlagerung dem Willen der Landesregierung widerspricht. Ursprünglich war das Zwischenlager in Nähe des stillgelegten Atomkraftwerks Lubmin nur für die atomaren Hinterlassenschaften der DDR errichtet worden.
Voraussichtlich im Frühjahr 2011 wird ein weiterer Transport mit fünf Castoren aus der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe (WAK) nach Lubmin rollen. Die WAK ist ein Tochterunternehmen der bundeseigenen Energiewerke Nord, die auch das Zwischenlager in Lubmin betreiben. Dann werden mit den 65 Castoren mit DDR-Atommüll und den erwarteten neun Castoren 74 von insgesamt 80 Castor-Stellplätzen belegt sein. Weitere Castor-Transporte soll es nach Angaben der Energiewerke Nord (EWN) als Betreiber nicht geben. Der Bund besitze keine weiteren hochradioaktiven Abfälle, wie eine Unternehmenssprecherin sagte.
Für Dienstag planen die Castor-Gegner Mahnwachen und eine Lichterkette von Greifswald in Richtung Lubmin. Am Abend wollen Atomkraft-Gegner unter dem Motto „Nazis abschalten“ durch die Hansestadt ziehen und damit gegen eine Vereinnahmung des Protestes durch Neonazis demonstrieren.