Vor dem für November geplanten Castortransport nach Gorleben verhärten sich die Fronten zwischen Innenministerium und Atomkraftgegnern.

Hannover. Wenige Wochen vor dem Castortransport ins Atommüll-Zwischenlager in Gorleben verhärten sich die Fronten zwischen Atomkraftgegnern und dem niedersächsischen Innenministerium. Demonstranten, die während des Transports mutwillig Schotter aus den Gleisen entfernen, machen sich strafbar, warnte am Freitag ein Sprecher des niedersächsischen Innenministerium in Hannover. „Das ist kein Spaß, sondern ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr“, sagte ein Sprecher.

Castorgegner bezeichneten die Aussage dagegen als „Drohgebärde“. Ziel der Aktionen sei es, die Schiene unbrauchbar zu machen und nicht, die Polizei anzugreifen. Nach Angaben der Bürgerinitiative in Lüchow-Dannenberg soll der Zug mit elf Atommüll-Behältern am 5. November im französischen La Hague starten. „Außer dem Castor gibt es an den Tagen keinerlei Bahnverkehr“, sagte Christoph Kleine, Mitglied der Kampagne „Castor Schottern“. Daher bestehe auch keine Gefahr für andere Züge. „Auch dieser Versuch der Kriminalisierung wird hunderte und tausende Menschen nicht daran hindern, am Castorwochenende auf die Gleise zu gehen und die Schottersteine zu entfernen.“ Dieser Castor-Transport werde zum „Symbol für die ungelöste Entsorgung strahlender Abfälle“, betonte auch Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt.

Die öffentlichen Aufrufe vom Atomkraftgegnern zur Beteiligung an den Schotter-Aktionen haben unterdessen auch die Staatsanwaltschaft Lüneburg auf den Plan gerufen. Derzeit werde geprüft, ob bereits der Aufruf eine strafbare Handlung ist, sagte Staatsanwältin Angelika Klee. Aus Sicht der Juristen des Innenministeriums ist dies unumstritten. Offene Aufforderungen zu Straftaten, zur Zerstörung des öffentlichen Betriebes seien definitiv nicht legal. Ein Sprecher betonte zudem, dass die Polizei alles tun werde, um das Entfernen von Schotter zu verhindern.

„Die Entfernung des Schotters ist in keiner Form gefährlich, da der Castorzug jederzeit anhalten könne“, sagte Kleine. Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sehe die Kampagne gelassen entgegen. „Aus unserer Sicht ist das Schottern nicht zuletzt aufgrund der Gefährlichkeit der Atomenergie für uns und die kommenden Generationen gerechtfertigt.“ Es sei eine besondere Form vonNotwehr. „Durch die Politik von CDU und FDP haben wir in diesem Jahr eine völlig neue Situation. Die Leute wissen, es geht jetzt um alles.“

Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel verteidigt die geplanten Blockade-Aktionen. „Es wird zivilen Ungehorsam geben, aus meiner Sicht ist das aber keine Straftat“, sagte Wenzel in Hannover. Unter zivilem Ungehorsam werden öffentliche und gewaltlose Verstöße gegen einzelne Gesetze verstanden. „In der Vergangenheit haben Gerichtsurteile erwiesen, dass ziviler Ungehorsam als Ordnungswidrigkeit bewertet wird.“ Zu möglichen Gleis-Beschädigungen von Atomkraftgegner äußerte sich Wenzel nicht konkret.

Die Bürgerinitiative in Lüchow-Dannenberg erwartet in diesem Jahr bis zu 30.000 Demonstranten im Wendland. Das sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Vor zwei Jahren waren zu einer Protestdemonstration in Gorleben um die 15.000 Menschen aus ganz Deutschland gekommen – es war damals die größte Anti-Atom-Demonstration seit Jahren.

„Das gewaltsame Vorgehen der Polizei in Stuttgart bei den Protesten gegen Stuttgart 21 hat zudem mobilisierenden Einfluss“, sagte Kleine. Verschiedene Anti-Atom-Organisationen planen nach eigenen Angaben Blockaden der Transportstrecke. Bereits an der französisch-deutschen Grenze beim rheinland-pfälzischen Berg solle es eine Aktion geben, kündigte Stay am Freitag an. Später wollen Atomkraftgegner zwischen Lüneburg und Dannenberg und auf der letzten Etappe zwischen Dannenberg und Gorleben Blockaden organisieren.

Die Organisation Ausgestrahlt teilte mit: „Im Wendland gibt es eine gute Tradition des Zivilen Ungehorsams.“ Wenn die Regierung grundlegende Rechte der Menschen missachte, dann seien auch begrenzte Regelverletzungen legitim. „Dabei sind sich alle darin einig, dass durch die Aktionen keine Menschen gefährdet werden dürfen.“