Bundesumweltminister Röttgen stößt mit seinen Plänen zur Erkundung des Salzstocks auf heftigen Widerstand. Bürgerinitiative will Klage erheben.
Hannover/Gorleben. Die Zeichen in Gorleben stehen wieder auf Sturm: Die Ankündigung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), die Erkundung des Salzstocks als Atommüllendlager wieder aufzunehmen, hat in kürzester Zeit eine Protestwelle ausgelöst. Atomkraftgegner kündigten Klagen und Proteste an, und auch Gewerkschaften, Verbände sowie SPD, Grüne und Linke kritisierten die Pläne massiv. Noch vor der Bekanntgabe hatten bereits einige Dutzend Kernkraftgegner in Gorleben friedlich gegen die Pläne demonstriert.
Röttgen hatte erklärt, dass die vor zehn Jahren von der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Aussetzung der Erkundung des ehemaligen Salzbergwerks aufgehoben werden soll. "Das Moratorium war Ausdruck der Verweigerung von Verantwortung", sagte der CDU-Politiker. Bis zu einer endgültigen Entscheidung für oder gegen Gorleben werde es aber noch 20 bis 25 Jahre dauern. Das Verfahren der Standortsuche bleibe ergebnisoffen, Gorleben habe aber "oberste Priorität". Nur wenn Sicherheitsanalysen gegen Gorleben sprächen, kämen Alternativen infrage.
"Die Proteste werden enorm sein", sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). Für die BI stehe fest, dass sie gegen die weitere Erkundung klagen werde. Obwohl die Aufhebung des Moratoriums bereits im Koalitionsvertrag des Bundes stehe, sei die Entscheidung eine "unglaubliche Farce". Röttgen agiere im "obrigkeitsstaatlichen Geist der 70er-Jahre" und spinne die "Gorleben-Lüge Erkundung bis zur Fertigstellung" fort. Besonders verärgert reagierte die BI auf die Fortsetzung des Rahmenbetriebsplans von 1983. Die Erkundung nach "Bergrecht" verhindere Bürgerbeteiligungen.
Landwirtin Monika Tietke von der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" im Wendland bezeichnete die Ankündigung Röttgens als "unglaublichen Affront". "Wir sehen, dass die Bundesregierung es mit dem verantwortungsbewussten Umgang mit Atommüll überhaupt nicht ernst meint." Es gehe nur um eine möglichst schnelle Lösung, weil der Betrieb der Atomkraftwerke davon abhänge. Gemeinsam mit rund 60 Atomgegnern war sie gestern Morgen spontan vor dem Erkundungsbergwerk erschienen. Ein Atomgegner kettete sich dabei an das Tor. Die rund zweistündige Aktion verlief laut Polizei friedlich.
FDP-Umweltminister Sander begrüßte die Entscheidung seines Berliner Amtskollegen. "Für die jetzt anstehende Erkundung reicht das Bergrecht vollkommen aus, da es einzig um geologische Fragen geht." Nichtsdestotrotz müsse die Öffentlichkeit immer eng an dem Verfahren beteiligt werden. SPD, Linke und Grüne warfen Röttgen "Trickserei", "Atom-Folklore" und eine Politik mit dem "Brecheisen" vor. Die Erkundung werde viel Steuergeld verbrennen.
Bislang hat das Verfahren rund 1,5 Milliarden Euro gekostet. Für CDU und FDP ist die Fortsetzung unbedingt notwendig. Bei der Erkundung der restlichen 15 Prozent des Bergwerks dürfe keine Zeit verloren werden, sagte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinrich Langspecht. "Die Suche nach einem Endlager ist sehr wichtig", sagte Gero Hocker, umweltpolitischer Sprecher der FDP.
Die niedersächsische IG Metall, Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) verurteilten die Gorleben-Pläne scharf. "Die Endlagerpolitik von Norbert Röttgen ist intransparent, verantwortungslos und verlogen", sagte Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. Röttgen ignoriere die Gefahren für die Menschen in der Region und wolle Niedersachsen schleichend zum Atommülllager der Republik machen, betonte Hartmut Meine, IG-Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Für den BUND zeige der drohende Einsturz des Salzbergwerks Asse, dass die Erkundung von Gorleben "reine Zeit- und Geldverschwendung" ist.