Die Polizei setzte bei den Auseinandersetzungen in Gorleben Pfefferspray ein. Die Anti-Atom-Bewegung kündigte bundesweite Proteste an.

Gorleben. Bei Protestaktionen am niedersächsischen Erkundungsbergwerk Gorleben ist es am Sonntag zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Rund 300 Menschen hatten am Vormittag nach Angaben der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg mit dem Bau von Protesthütten auf dem Gelände der Salinas GmbH begonnen. Die Aktion sei von mehr als 60 Treckern der Bäuerlichen Notgemeinschaft unterstützt worden. Die Polizei sei zum Teil massiv mit Schlagstöcken und Pfefferspray auch gegen Kinder vorgegangen, teilte die Bürgerinitiative mit. Die Polizei bestätigte den Einsatz von Pfefferspray. Eine Sanitäterin sei vor Ort gewesen.

Beamte hätten den Hüttenbau zur Dokumentation per Video filmen wollen, sagte ein Polizeisprecher dem EPD. Sie seien dabei von zahlreichen Personen, unter anderem auch von einem Traktor, bedrängt worden und hätten sich mit Pfefferspray gewehrt. Danach habe sich die Polizei, die mit mehreren Einsatzzügen vor Ort war, zurückgezogen, um die angespannte Situation zu deeskalieren. Gegen zwei Demonstranten sei ein Strafverfahren eingeleitet worden.

Die Vorsitzende der Bürgerinitiative, Kerstin Rudek, kritisierte den Einsatz: „Es handelt sich hier um den friedlichen Protest einer Bevölkerung, auf deren Rücken die Problematik der deutschen Atommüll-Misere ausgetragen werden soll.“ Die Zeichen stünden im Wendland auf Sturm. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte Anfang der Woche angekündigt, Gorleben als einzigen Standort für die Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll weiter zu erkunden. Das von der rot-grünen Bundesregierung vor zehn Jahren verhängte Erkundungs-Moratorium für den Salzstock soll aufgehoben und noch in diesem Jahr mit den Vorbereitungen begonnen werden.

Bei ihrer Frühjahrskonferenz im westfälischen Ahaus haben Anti-Atom-Initiativen aus ganz Deutschland am Sonntag die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen gefordert und Demonstrationen gegen den Weiterbetrieb angekündigt. Unter anderem seien am 24. April Großdemonstrationen in Biblis, Ahaus und Krümmel sowie eine Menschenkette zwischen Krümmel, Brokdorf und Brunsbüttel geplant, hieß es. Damit solle zum Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 ein deutliches Zeichen für das sofortige Ende der Atomkraftnutzung gesetzt werden.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kündigte an, dass zwischen dem 4. und 6. Juni das 30-jährige Jubiläum der Protestbewegung „Freie Republik Wendland“ begangen werden solle. Die am Sonntag errichteten Hütten seien die ersten von vielen weiteren, die aus Protest gegen die Atompolitik bis dahin errichtet werden sollen. „Wir geben keine Ruhe mehr, wenn Gorleben trotz der Sicherheitsbedenken mit Tricksereien weiter als Endlager ausgebaut wird“, hieß es. Für September plant die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad nach eigenen Angaben eine Demonstration in Salzgitter gegen die geplante Nutzung des ehemaligen Eisenerz-Bergwerks als Atommüll-Endlager.

Am Freitag hatte auch die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers die Pläne des Bundesumweltministers kritisiert und um ein baldiges klärendes Gespräch gebeten. Röttgen solle auf Bedenken und Sorgen der Bevölkerung Rücksicht nehmen und die Suche nach einem Endlager ergebnisoffen halten, hieß es in einer Stellungnahme. Zur größten evangelischen Landeskirche in Deutschland gehören auch Kirchen- und Kapellengemeinden in der Region Gorleben. Darunter sind Gemeinden, deren Grundstücke über dem Salzstock liegen.