Die insgesamt drei Verdächtigen sollen “Red Devils“-Mitglieder mit Messern attackiert haben. 130 Polizeibeamte waren an der Aktion beteiligt.
Neumünster. So sehr die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Bandidos und den Hells Angels die Öffentlichkeit erschrecken, so sehr helfen sie auch der Arbeit der Polizei.
In den vergangenen Wochen konnten die Ermittler der Soko "Rocker" immer wieder ranghohe Mitglieder nach Überfällen auf gegnerische Rocker verhaften und die Struktur der Motorradklubs entscheidend schwächen, zuletzt gestern Morgen: Kurz nach 6 Uhr nahm eine Spezialeinheit den Vizechef der Bandidos MC Neumünster, den Chef der befreundeten Rockergruppe Contras und einen weiteren Bandido fest.
Die drei Männer sollen Mitte Januar drei den Hells Angels nahe stehende Red-Devils-Rocker in einem Fast-Food-Restaurant in der Innenstadt Neumünsters angegriffen und zwei von ihnen schwer verletzt haben.
Wenige Wochen zuvor waren bereits mehrere ranghohe Mitglieder der Hells Angels verhaftet worden: Darunter der Chef der Flensburger "Höllenengel", nachdem er einen Bandido auf der Autobahn angefahren haben soll. Außerdem festgenommen: zwei einflussreiche Hells Angels aus Kiel, die zwei Bandido-Anhänger vor einem Fitnessstudio niedergestochen hatten. Alle Motorradrocker warten in Untersuchungshaft auf ihre Prozesse.
Nach Erkenntnissen der Polizei werden den beiden Motorradcklubs nur etwa 70 Mitglieder und 200 Unterstützer zugeordnet. Entsprechend hart treffen die jüngsten Verhaftungen die Strukturen beider Vereine, die in einem blutigen Verteilungsstreit stecken. Es geht um Einnahmen aus Prostitution, Einfluss in der Türsteherszene und Erlöse aus dem Drogenhandel.
Die Beamten des Landeskriminalamts (LKA) fahren seit einem Jahr eine Null-Tolleranz-Strategie gegen beide Klubs. Entsprechend zufrieden zeigte sich gestern LKA-Chef Hans-Werner Rogge: Mit den Verhaftungen sei ein bedeutender Ermittlungserfolg gelungen, der die Gruppen nachhaltig schwäche. "Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen bieten immer wieder Ansätze für investigative Ermittlungen und die Chance, Anführer herauszuziehen", konkretisiert Sprecher Stefan Jung. "Die beiden Gruppen schaden sich damit selbst."
Unter den gestern Verhafteten soll auch eine Neonazi-Größe sein: Ex-NPD-Landeschef Peter Borchert. Der 33-Jährige stieg in den vergangenen Jahren zum Vizechef der Bandidos Neumünster auf. Borcherts Parteikarriere geriet nach einer Haftstrafe wegen illegalen Waffenhandels ins Stocken. Seine Personalie war in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu Vermutungen, die Bandidos würden mit Neonazis kooperieren. Nicht ohne Grund: Der heute parteilose Rocker soll eine treibende Kraft der rechtsextremen "Aktionsgruppe Kiel" sein, die zu den autonomen Nationalisten zählt.
Am Abend des 14. Januar sollen laut Polizei Borchert und seine Begleiter die Red Devils in einem Subway-Restaurant am Großflecken entdeckt haben. Für die Bandidos eine unerhörte Provokation, da das Schnellrestaurant zu ihren Treffpunkten zählt. Sie griffen die Männer unmittelbar an. Erik B. ,45, wurde durch Messerstiche in Oberkörper und Bein lebensgefährlich verletzt. Bodo W. ,50, erlitt schwere Verletzungen am Arm. Der dritte Rocker blieb unverletzt.
Die Angreifer raubten ihren Opfern die Kutten, die bei den Rockern als "Heiligtum" gelten, und flüchteten ins Bandidos-Clubheim an der Kummerfelder Straße im Stadtteil Neumünster-Gadeland, das später von der schwer bewaffneten Polizei umstellt wurde. 14 Rocker wurden noch am Abend vorläufig festgenommen, darunter auch die mutmaßlichen Täter. Sie kamen aber mangels Beweisen in der Nacht wieder auf freien Fuß.
Erst in den vergangenen Wochen gelang es den Ermittlern, den Tatverdacht gegen Borchert und seine Komplizen derart zu erhärten, dass das Amtsgericht Kiel Haftbefehle erließ.
Zeitgleich zu den Verhaftungen in Kiel und Neumünster durchsuchten Polizisten gestern auch sechs Wohnungen. 130 Beamte von Landespolizei und Spezialeinsatzkommando (SEK) waren im Einsatz.