Nach fast 40 Dienstjahren geht Uwe Wick in den Ruhestand. Ab sofort berät er die Landes-CDU zur Untersuchung der HSH-Nordbank.

Kiel. Barschel-Skandal, der Tod der 16-jährigen Jennifer in Neumünster, Verfahren gegen Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid, THW-Affäre – bei solch spektakulären Fällen war Uwe Wick immer mit dabei. Fast zwei Jahrzehnte lang gab der Jurist der Kieler Staatsanwaltschaft Gesicht und Stimme; dabei wurde der Pressesprecher der größten Strafverfolgungsbehörde in Schleswig-Holstein Dienstältester seines Metiers in ganz Deutschland. Am Montag beginnt für den drahtigen, 68 Jahre alten Oberstaatsanwalt nach fast 40 Dienstjahren der Ruhestand, der zugleich ein Neuanfang ist: Wick wird Berater der CDU-Landtagsfraktion für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur HSH-Nordbank.

Am Freitag stellte Fraktionschef Christian von Boetticher ihn den CDU-Abgeordneten vor. Er gehe mit Freude und Elan an die neue Aufgabe, sagte Wick. „Ich will noch nicht in den Vorgarten und auch nicht auf den Golfplatz. Für mich ist das „Back to the roots„ („Zurück zu den Wurzeln„).“ Der Tennis- und Fußballfan fühlt sich „höchstens wie Mitte 50“. Schon am Montag nimmt er seine Beratertätigkeit auf.

Was die Öffentlichkeit über spektakuläre Ermittlungsverfahren im Landgerichtsbezirk Kiel erfuhr oder nicht, lief über Wicks Schreibtisch. Seine wöchentlichen Presslisten mit Hinweisen zu Anklageerhebungen und dem Beginn von Strafverfahren bestimmten den Terminkalender der Gerichtsberichterstatter. Wick behielt sich vor, drängende Nachfragen zu den Fällen selbst zu beantworten – oder eben auch nicht. Dann prallten sie am Hinweis „laufende Ermittlungen“ oder „ermittlungstaktische Gründe“ ab.

Auch Staatsanwälte waren angewiesen, bei Nachfragen von Journalisten an ihn zu verweisen. Auch Hintergrundgespräche durften nie den Ermittlungszweck gefährden, betont er. Seine Pressepolitik verstand Wick durchaus als „offensiv und Prävention“, zum Beispiel bei Korruptionsfällen. „Wenn man die publik macht, dann schreckt das möglicherweise potenzielle Täter ab.“ Über die Darstellung von Staatsanwälten in Krimis schimpft Wick: „Die sind entweder doof oder bestechlich.“

1973 begann Wick als Staatsanwalt in Lübeck. Ein Jahr später kam er nach Kiel, wurde 1976 im Justizministerium Fachreferent für Strafrecht. 1982, nun Oberstaatsanwalt, ging er zur Kieler Staatsanwaltschaft am Schützenwall zurück. 1991 übernahm der Vater zweier Söhne die Abteilung für Verfahren von besonderer politischer Bedeutung und stieg in die Pressearbeit ein. Seit 2000 ist er auch Personalchef für 250 Mitarbeiter.

Wicks Spezialgebiet ist internationale Rechtshilfe: „Damit kriegen wir jeden“. Rechtshilfeabkommen machten es auch möglich, in Kiel einen deutschen pädophilen Sextouristen zu überführen. Erstmals in einem deutschen Strafverfahren wurden dessen Opfer aus Kambodscha als Zeugen eingeflogen.

Rechtshilfe im ehemaligen Ostblock spielte auch bei Ermittlungen um mutmaßliche Schiedsrichter-Bestechung eine entscheidende Rolle. Für das Rückspiel des Champions-League-Finales THW Kiel – SG Flensburg-Handewitt sollen polnische Schiedsrichter bestochen worden sein. Wicks Behörde erhob deswegen vor kurzem Anklage gegen den früheren Manager des Handball-Bundesligisten THW Kiel, Uwe Schwenker, und Ex-Trainer Noka Serdarusic.

Die Karriere des leidenschaftlichen Juristen spiegelt ein Stück Justizgeschichte. Dazu gehören politisch hochbrisante Fälle wie der Barschel-Pfeiffer-Skandal und die „Schubladenaffäre“, über die der damalige Regierungschef Björn Engholm stürzte. Aufsehen erregte auch das Aufbringen und Entern des Minensuchers „Godewind“, der 1992 für Syrien bestimmte Panzer aus der Ex-Tschechoslowakei an Bord hatte. Wirtschaftsverfahren wie gegen Ex-Mobilcom-Chef Schmid oder um die millionenfache Abzocke mit Flirt-SMS machten ebenfalls Schlagzeilen.

Für tiefe Betroffenheit auch bei ihm sorgten Kriminalfälle, die Wick begleitete. Dazu gehört der Tod der 16-jährigen Jennifer aus Neumünster, die sexuell missbraucht und erwürgt wurde: „Das Verfahren ging unter die Haut“, sagt Wick. „Menschlich am meisten belastend aber war Darry.“ Dort hatte im Dezember 2007 eine verzweifelte Mutter im Wahn ihre fünf Kinder erstickt. Der Fall löste bundesweit Entsetzen aus und trug zu einer „Kultur des Hinschauens“ bei. Solche Bilder lassen selbst einen hartgesottenen Profi nicht los: „Das geht an die Substanz und berührt tief“, sagt Wick.

Ehrungen oder gar einen Abschiedsempfang hat der 68-Jährige entschieden abgelehnt. „Ich mag keine Leichenreden. So ein Tamtam, ich würde verrückt werden“. Wicks lakonischer Rückblick: „Ich bin 37 Jahre im Dienst gewesen. Und ich war jeden Tag gern Staatsanwalt."