So viele Journalisten kamen nie zu einer Pressekonferenz ins Kieler Landeshaus: 18. September, 11 Uhr. Die Unschuldserklärungen Uwe Barschels werden in die ganze Welt übertragen. Nach den Enthüllungen über schmutzige Wahlkampftricks tritt er die Flucht nach vorn an, um sich zu retten.

Hamburg. Die undurchsichtige Schlüsselrolle im Barschel-Skandal spielte Reiner Pfeiffer (Jahrgang 1939). Er war einst in Bremen Chefredakteur des kostenlosen Anzeigenblattes "Weser Report" gewesen, das dem CDU-Landesvorsitzenden Bernd Neumann gehörte. Dessen Auflage hatte er von 20 000 auf 280 000 hochgepuscht. Übertriebene Skrupel zählten kaum zu seinen Schwächen. Später wurde er durch Vermittlung des Axel-Springer-Verlages Medienreferent in der Staatskanzlei von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU). "Früher waren Sie mal Chefredakteur, mal Beerdigungsredner. Sie rennen als Freizeitsportler auf der Aschenbahn herum und werden als Trunkenbold geschmäht", hielt der "Spiegel" ihm vor.

Zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein erklärte Pfeiffer im September 1987 an Eides statt im "Spiegel", dass er im Auftrag von Ministerpräsident Uwe Barschel das Privatleben des SPD-Kandidaten Björn Engholm durch zwei Detektive habe ausspähen lassen und ihn in einem anonymen Brief ans Finanzamt der Steuerhinterziehung beschuldigt habe. Barschel habe ihn, Pfeiffer, außerdem gedrängt, eine Wanze in seinem Telefon einzubauen, um sie Engholm vorwerfen zu können. Schließlich hatte Pfeiffer auch noch unter dem falschen Namen Dr. Wagner zweimal Engholm angerufen, sich als Arzt ausgegeben und ihm gesagt, dass er möglicherweise Aids habe.

Die Wahl am 13. September hatte ein Patt im Landtag ergeben. In Kiel waren nun der Teufel und Klabautermann los.

Gegen Pfeiffer stellte Barschel am Tag nach der Wahl einen Strafantrag. Durch einstweilige Verfügungen wurden ihm zahlreiche Vorwürfe untersagt. Während seiner Operationen gegen Engholm - so kam heraus - war er viermal ausgerechnet mit dem Pressechef der SPD, Klaus Nilius, zu Informationsgesprächen zusammengetroffen.

Der "Spiegel", der 165 000 Mark Honorar an Pfeiffer zahlte, hatte mit seiner Schlagzeile "Barschels schmutzige Tricks" zu dessen Vorverurteilung beigetragen. "Wenn der ,Spiegel' ein Nachrichtenmagazin ist", urteilte CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, "dann ist der ,Playboy' ein Mitteilungsblatt des Heiligen Stuhls."

Und Barschel selbst? Von Parteifreunden bedrängt, klar zu den Vorwürfen im "Spiegel" Stellung zu nehmen, beraumt er für den 18. September, fünf Tage nach der Wahl, eine Pressekonferenz für elf Uhr im Schleswig-Holstein-Saal des Landeshauses ein. Nie waren in Kiel mehr Journalisten versammelt.

Unmittelbar vor dem Beginn telefoniert Barschel noch einmal mit Kanzler Helmut Kohl. Dann nimmt er hinter einer Batterie von Mikrofonen Platz. Ein schriller Pfeifton dringt aus ihnen. "Dass das noch nicht mal klappt", murrt der Ministerpräsident. Dann nimmt er zu jedem Pfeiffer-Punkt Stellung, bestreitet, ihm die fraglichen Aufträge erteilt zu haben und sagt: " . . . gebe ich Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holstein und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort, ich wiederhole, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind."

Die CDU atmete auf. Indes: Zweifel blieben. Und bald wurden denkbare Widersprüche zwischen Ehrenwort und Tatsachen offenbar. Am 2. Oktober trat Barschel als Ministerpräsident zurück. Am gleichen Tag setzte der Landtag einen Untersuchungsausschuss ein, wenngleich sich auch schon rasch zeigte, dass die Volksvertreter bei dem Versuch, Klarheit und Wahrheit herauszufinden, möglicherweise überfordert waren.

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