Am Wochenende will die Niedersachsen-SPD Olaf Lies zum Vorsitzenden wählen. Stefan Schostok wird Fraktionschef

Hannover/Stade. Die Niedersachsen-SPD setzt in der Not auf eine männliche und weitgehend unbekannte Doppelspitze: Auf einem Landesparteitag heute in Stade soll der 43-jährige Olaf Lies zum Landesvorsitzenden gewählt werden, 14 Tage später dann der 46-jährige Stefan Schostok den Fraktionsvorsitz im Landtag übernehmen. Nur wenn es dem neuen Führungsduo gelingt, die Grabenkämpfe zwischen den vier Bezirken zu beenden, kann die Partei darauf hoffen, bei der Landtagswahl Anfang 2013 der CDU Paroli bieten zu können.

Bei der Landtagswahl 2008 hat die SPD mit 34,4 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis in der Landesgeschichte verkraften müssen, ihr laufen unverändert die Mitglieder weg, die Schuldenlast drückt. Und dann warf vor drei Monaten der bisherige Landesvorsitzende Garrelt Duin die Brocken hin, weil er mit seinem Versuch gescheitert war, den Landesverband nachhaltig zulasten der vier Bezirke zu stärken. Der 62-jährige Fraktionschef Wolfgang Jüttner kündigte prompt seinen Rückzug an, machte damit den Weg frei für eine personelle Runderneuerung.

Aus der Not des taktischen Gegeneinanders der Bezirke machte die Landespartei dann eine Tugend, auf zehn Regionalkonferenzen durften mehr als 3000 Mitglieder ihr Votum abgeben. Am Ende lag dabei Lies (Bezirk Weser/Ems) deutlich vor Schostok (Hannover), verfehlte aber die absolute Mehrheit, weil mit der früheren Umweltministerin Monika Griefahn eine dritte Kandidatin ins Rennen gegangen war.

Die drohende Kampfabstimmung und daraus resultierende Vertiefung der Gräben zwischen den Bezirken auf dem Stader Parteitag vermieden Lies und Schostok mit einem Deal. Schostok zog zurück, wird dafür nun Fraktionschef - dies ist zugleich ein Brückenschlag zwischen den beiden größten Bezirken.

Schostock gilt als zurückhaltend, Lies als Rampensau

Beide Kandidaten sortieren sich selbst als links ein, damit aber enden die Gemeinsamkeiten. Stefan Schostok gilt als betont zurückhaltend, ausgleichend, zudem als guter Organisator. Diese Charakterisierung aber liest sich paradoxerweise wie eine Bewerbung um den Landesvorsitz. Hier wird jemand gebraucht, der dicke Bretter bohrt, die Landespartei saniert, die Bezirke in den Griff kriegt.

Aber Schostok wird Fraktionschef und ist in dieser Rolle ab Mitte Juni der Widerpart schlechthin im Parlament für Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Als Oppositionsführer wird jemand gebraucht, der kräftig austeilt, der dem eloquenten Regierungschef auch am Rednerpult Paroli bieten könnte. Genau diese Eigenschaften hat Olaf Lies. Manchen gilt er gar schon als charismatisch, ein Mann, der sich vor großem Publikum behaupten kann, der keine Berührungsängste kennt, extrovertiert eben. Aber er wird Parteichef, und da ist die große Bühne die Ausnahme und die Versammlung von Orts- und Kreisverbänden in Hinterzimmern die Regel.

So unterschiedlich die beiden Typen, so unterschiedlich ist die Stellenbeschreibung: Lies übernimmt als Landesvorsitzender ein Ehrenamt und wird künftig bestenfalls seine Kilometerkosten abrechnen können. Der Landesverband mit gerade elf Mitarbeitern ist zudem kaum in der Lage, mehr für ihn zu leisten als das Alltagsgeschäft. Schostok dagegen wird ab 15. Juni eine Diät beziehen, die um 90 Prozent über dem Regelsatz für Abgeordnete von 5595 Euro liegt. Er hat Dienstwagen und Fahrer, vor allem aber gibt es in der Fraktion Fachreferenten, die ihm zuarbeiten.

Manche erwarten einen deutlichen Schwenk nach links

Gespannt wartet deshalb die Landes-SPD auf die Rede, mit der Lies sich heute in Stade vorstellt: Wird er die Partei nach links rücken, die Linksfraktion umarmen oder sich abgrenzen, bleibt es bei Attacken auf den politischen Gegner? Eines ist klar: Die beiden neuen Führungskräfte der Niedersachsen-SPD sind Anfänger, beide erst seit 2008 im Landtag. Und die nächste schwierige Personalentscheidung können sie nicht allein auskungeln: Der Parteitag wird die Satzung so ändern, dass der Spitzenkandidat für die Wahl 2013 von allen Mitgliedern in Urwahl bestimmt wird.

Das Stader Treffen soll Aufbruchsstimmung verbreiten, dass in Nordrhein-Westfalen seit der Landtagswahl nichts mehr gegen die SPD geht, sorgt auch in Niedersachsen für eine Aufhellung der Perspektive. Das neue Duo hat eine weitere heimliche Hoffnung: Regierungschef Wulff könnte dem Beispiel des Hessen Roland Koch folgen und in die Wirtschaft wechseln.