Der 13. und letzte Transport mit hoch radioaktivem deutschen Müll aus französischer Wiederaufbereitung dauerte nicht nur am längsten, er war wohl auch der teuerste. Niedersachsen rechnet mit Kosten in Höhe von 33,5 Millionen Euro.

Gorleben. Ungeachtet der massiven Proteste gegen den Castor-Transport soll die Erkundung von Gorleben als mögliches Atommüll-Endlager fortgesetzt werden. Bei der bundesweiten Endlagersuche bleibe der Salzstock im Wendland im Spiel, teilte das Bundesumweltministerium am Dienstag in Berlin mit. Der Atommülltransport war am späten Montagabend nach heftigem Widerstand von Atomkraftgegnern angekommen – mehr als 126 Stunden, also gut fünf Tage, nach dem Start im französischen La Hague. Der 13. und letzte Transport mit hoch radioaktivem deutschen Müll aus französischer Wiederaufbereitung dauerte nicht nur am längsten, er war wohl auch der teuerste. Niedersachsen rechnet mit 33,5 Millionen Euro.

Der rund 1200 Kilometer lange Transport verlangte der Polizei nach Einschätzung von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann mehr ab als alle anderen Gorleben-Einsätze zuvor. „Es war nicht nur ein fordernder Einsatz, er war auch härter als im vergangenen Jahr“, sagte der CDU-Politiker in Lüchow. Entlang der Strecke seien 20 500 Polizisten eingesetzt worden – noch mehr als im Vorjahr.

Aus den Ländern seien 12 405 und von der Bundespolizei 8010 Einsatzkräfte im Einsatz gewesen, sagte Schünemann. Er kritisierte die Gewaltbereitschaft einzelner Demonstranten, die Entwicklung sei besorgniserregend. 450 Linksautonome aus dem gesamten Bundesgebiet seien angereist. Der Lüneburger Polizeipräsident Friedrich Niehörster beklagte, dass einige Gewalttäter versucht hätten, die friedlichen Demonstranten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Nach Angaben beider Seiten wurden 133 Polizisten und 355 Demonstranten verletzt.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sagte: „Der Hass und die Gewalt, die meinen Kolleginnen und Kollegen von einzelnen autonomen Gruppen entgegenschlug, waren ohne Beispiel.“

Die niedersächsischen Grünen fordern eine Untersuchung des Polizeieinsatzes während des Castor-Transports nach Gorleben. „Auch wenn die Beamten überwiegend besonnen agiert haben, wurde die Verhältnismäßigkeit nicht immer gewahrt“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Meta Janssen-Kucz, am Dienstag in Hannover. Der nach Ansicht der Politikerin „in Teilen überzogene“ Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken sowie bei der Aufbietung von Pferdestaffeln müssten untersucht werden. Sie forderte die Polizeiführung auf, in der kommenden Sitzung des Innenausschusses Stellung zu nehmen.

Die Atomkraftgegner im Wendland werteten die massiven Proteste als Erfolg und beklagten wiederum, dass die Polizei härter vorgegangen sei als bei früheren Transporten. „Die Nervosität und Aggressivität bei den Polizeikräften ist größer geworden“, hieß es auf Seiten der Bäuerlichen Notgemeinschaft, in der sich vor allem Landwirte aus der Region zusammengeschlossen haben. Einmütig gefordert wurde, dass die Politik den Bürgerprotest ernst nehmen müsse und die Planung für ein mögliches Endlager stoppen solle. „Dieser Rekord-Castorprotest ist Norbert Röttgens schwerste Niederlage“, sagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl.

+++ Schünemann kritisiert Gewalt von Demonstranten +++

+++"Nicht die Castoren, die Regierung soll umdrehen"+++
+++ Verletzte beim Gorleben-Protest +++
+++ Das passierte am Freitag +++

Auch die letzten 20 Straßenkilometer vom Umladebahnhof Dannenberg ins Zwischenlager liefen am Montagabend nicht reibungslos. Zwei Atomkraftgegnern gelang es, auf einen der Tieflader zu klettern und den Tross noch einmal eine Stunde aufzuhalten. In Dannenberg waren die elf Castoren vom Zug auf Speziallastwagen umgeladen worden.

Die GdP forderte, den eingesetzten Polizisten sämtliche Einsatz- und Bereitschaftszeiten zu bezahlen. „Sie haben überlange Arbeitszeiten, ungeklärte Strahlenbelastungen und teilweise brutale Angriffe durch gewalttätige Autonome hinter sich und warten jetzt auf ein Zeichen der Wertschätzung von staatlicher Seite“, erklärte der GdP-Landeschef Dietmar Schilff. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte im Januar entschieden, dass ein Polizist seine Bereitschaftszeiten beim Castor-Transport voll ausgeglichen bekommen muss. Das Land war dagegen in Revision gegangen.

Im Zwischenlager Gorleben stehen nun insgesamt 113 Behälter mit Atommüll. Deutschland ist vertraglich verpflichtet, den Müll der deutschen Atomkraftwerke aus der Wiederaufarbeitung zurückzunehmen. Atomkraftgegner halten das oberirdische Zwischenlager im Wendland für zu unsicher. Sie befürchten, dass damit Fakten für ein mögliches Endlager geschaffen werden.

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22.02 Uhr: Die Strahlung der Castor-Behälter hat nach nach offiziellen Messungen beim Umladen in Dannenberg unter dem Grenzwert gelegen. Die elf Behälter seien beim Umladen vom TÜV Nord und vom Zwischenlager-Betreiber, der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), ausgemessen worden, teilte das niedersächsische Umweltministerium in Dannenberg mit.

Nach Angaben des Ministeriums maß der TÜV an zehn der Behälter in zwei Meter Abstand Strahlendosen zwischen 58 und 64 Mikrosievert pro Stunde. Die von der GNS gemessenen Dosen bewegten sich zwischen 61 und 65 Mikrosievert pro Stunde. Die Strahlung des elften nicht ganz mit Atommüll gefüllten Castors gab der TÜV mit 44 und die GNS mit 45 Mikrosievert pro Stunde an. Die Behälter dürfen beim Transport in zwei Meter Abstand maximal 100 Mikrosievert pro Stunde abgeben.

21.39 Uhr: Die Situation in Laase bleibt angespannt, am Lager "Musentempel" brennen wieder Heuballen. Die Polizei setzt jetzt bis zu zehn Wasserwerfer ein.

21.28 Uhr: Nach rund einer Stunde haben Spezialkräfte der Polizei den Mann und die Frau vom Führerhaus des Tiefladers heruntergeholt und auf die Straße abgeseilt. "Die beiden kamen praktisch aus dem Nichts“, sagte der Sprecher der Polizei, Marco Bussler. Die Polizei hat noch keine Erklärung dafür, wie die beiden Atomkraftgegner durch die Polizeiketten kommen konnten. "Ganz lückenlos kann man das nie machen“, betonte Bussler. Eine gesundheitliche Gefährdung für die Demonstranten sah die Polizei nicht, da sie nicht direkt auf dem Castor-Behälter saßen. Der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg sagte: "Das ist schlitzohrig.“ Er wolle die Aktion nicht verurteilen, da die beiden Castor-Gegner nur auf das Führerhaus und nicht direkt auf den Castor geklettert seien. Er gehe davon aus, dass die Strahlungsbelastung auf dem Dach nicht höher sei, als die für die Fahrer der Zugmaschinen.

20.39 Uhr: Der Castor-Transport ist kurz vor seinem Ziel erneut von Atomkraftgegnern gestoppt worden. Nach Angaben der Polizei kletterten zwei Demonstranten gut fünf Kilometer vor dem Zwischenlager Gorleben auf das Führerhaus des ersten Tiefladers.

19.56 Uhr: Der Castor-Transport hat die Hälfte seiner letzten Etappe bis zum Zwischenlager Gorleben zurückgelegt. Er passierte nach Polizeiangaben am Montagabend Groß Gusborn etwa zehn Kilometer vor dem Atommüll-Zwischenlager. Sollte der Transport nicht mehr aufgehalten werden, könnte er sein Ziel in etwa einer Stunde erreicht haben, sagte der Polizeisprecher.

18.29 Uhr: An der Gorlebener Straße (L 256) bei Laase haben Castor-Gegner Heuballen angezündet. Die Polizei löschte das Feuer unter dem Einsatz dreier Wasserwerfer. In Richtung der Beamten flogen Steine und Flaschen. Polizei setzt Pfefferspray ein. Augenzeugen berichten von einem Verletzten. Drei Demonstranten sollen in Gewahrsam genommen worden sein.

17.45 Uhr: Die Straßen sind geräumt, jetzt hängen die Castor-Gegner in den Bäumen. Nach der Räumung einer großen Straßenblockade von Castor-Gegnern vor dem atomaren Zwischenlager in Gorleben beschäftigen die Polizei noch mindestens zwei Aktivisten. Die Umweltschützer der Organisation "Robin Wood" hingen in Bäumen über der Strecke, die der Transport mit dem Atommüll auf seinen letzten Kilometern zwangsläufig passieren muss.

17.18 Uhr: Der Castor-Transport steht offensichtlich kurz vor seiner Abfahrt. In der Verladestation Dannenberg formierte sich der Konvoi für den Atommüll, berichtete ein Reporter. Hubschrauber stiegen auf. Zuvor hatte die Polizei die Strecke für den Castor-Transport zum atomaren Zwischenlager in Gorleben von Aktivisten freigeräumt und dafür die traditionelle Sitzblockade auf der Zufahrt zum Zwischenlager nach genau einer Stunde gewaltsam beendet. Den elf Behältern mit hoch radioaktiver Ladung standen je nach Route noch bis zu zwanzig Kilometer bis zum Zwischenlager Gorleben bevor.

16.20 Uhr: Die Polizei hat den Kleinlaster mit zwei in einem Betonklotz verketteten Greenpeace-Aktivisten von der Straße geschoben. Die Polizei hob den Betonklotz an und fixierte ihn. Die Aktivisten steckten unterdessen weiter fest, berichtete ein Reporter vor Ort. Die Polizei hat damit begonnen, die letzten zwanzig Kilometer der Straßenstrecke bis ins Atommüll-Zwischenlager Gorleben frei zu räumen. Vor Gorleben saßen unterdessen noch mehrere hundert Umweltschützer auf der Straße. Die Polizei forderte sie bereits zwei Mal auf zu gehen. Die Polizei begann die Castor-Gegner von der Straße zu tragen.

15.39 Uhr: Noch 20 Kilometer Straße trennen den Transport von seinem Ziel im Atommüll-Zwischenlager in Gorleben. Wann der Transport in Gorleben eintrifft, ist noch unklar. Der letzte Streckenabschnitt kann nur auf der Straße zurückgelegt werden. Für die Polizei läuft der Einsatz trotz mehrerer Blockaden weitgehend nach Plan. "Ich denke, dass wir in dieser Umladestation etwa die Halbzeit erreicht haben und nun sehen müssen, wie die zweite Halbzeit spielt“, sagte Lüneburgs Polizeipräsident Friedrich Niehörster.

15.15 Uhr: Mit einer Elektro-Säge und Mini-Flex müssen Polizeibeamte in der Ortschaft Klein Gusborn gegen Atomkraftgegner vorgehen. Mitten auf der Fahrbahn steht ein blauer Greenpeace-Kleinlaster mit Göttinger Kennzeichen quer. Nichts geht mehr zwischen Dannenberg und Gorleben. Auf der Lagefläche des Transporters liegen zwei Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Im Innern eines etwa ein Kubikmeter großen Betonklotzes sind sie miteinander, mit dem Auto und mit der Straße verbunden.

Der Klotz war zuvor durch den Fahrzeugboden auf die Fahrbahn abgelassen worden. Den beiden Aktivisten, ein Mann und eine Frau, ist die körperliche und seelische Anstrengung deutlich anzusehen. Direkt neben den beiden Umweltschützern steht ein Polizeiarzt und beobachtet die Szenerie ebenso wortlos. Die Polizei-Experten suchen nach Lösungen. Sprecher von Polizei und Greenpeace liefern sich einen verbalen Schlagabtausch über die Entstehung der Blockade.

13.25 Uhr: Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat den friedlichen Demonstranten gegen die Castor-Transporte nach Gorleben gedankt und Randalierer kritisiert. Er habe Respekt vor den Demonstranten, die besonnen und friedlich seien, und danke ihnen dafür, sagte McAllister am Montag vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. "Umso mehr kritisiere ich diejenigen, die Gewalt gegen Sachen und Menschen ausgeübt haben. Das ist nicht akzeptabel.“

12.41 Uhr: Die Linke im niedersächsischen Landtag hat den Polizeieinsatz beim Castor-Transport scharf kritisiert. Polizisten hätten „überzogen“ und „unverhältnismäßig“ reagiert, sagte die innenpolitische Sprecherin, Pia Zimmermann, am Montag in Hannover. „Das Demonstrationsrecht wird im Wendland mit Knüppeln, Pfefferspray und Wasserwerfern außer Kraft gesetzt.“ Sie selbst habe beobachtet, wie ein Demonstrant von einem Polizeipferd zu Boden gerissen worden sei. Die Linken fordern nun die Unterrichtung des Innenministers über den Polizeieinsatz im Innenausschuss des Landtages.

11.48 Uhr: Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat militante Castor-Gegner und die Haltung der Grünen zu den Anti-Atomkraft-Protesten scharf kritisiert. „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass sogenannte Schotterer Verkehrswege unsicher machen und dass die Grünen sich davon nicht distanzieren“, sagte Kauder am Montag in Berlin. „Das ist ein klarer Eingriff in die Verkehrssicherheit, ein Straftatbestand.“ Es sei „ein unglaublicher Vorgang“, wenn das entsprechende Eingreifen der Polizei kritisiert werde, sagte der CDU-Politiker.

11.08 Uhr: Nach Angaben einer Anti-Atom-Initiative protestieren rund 1000 Menschen mit einer Sitzblockade bei Gorleben gegen die strahlende Fracht aus deutschen Atomkraftwerken.

9.58 Uhr: Aus Protest gegen den Castor-Transport haben Atomkraftgegner von Greenpeace am Montagmorgen mit einem Kleintransporter die Strecke ins Zwischenlager Gorleben blockiert. Sie sollen sich mit dem Fahrzeug auf der Straße zwischen Dannenberg und Gorleben festgemacht haben.

9.14 Uhr: Das Umheben der mit hoch radioaktivem Atommüll beladenen, tonnenschweren Behälter vom Zug auf Tieflader dauert voraussichtlich bis Montagnachmittag. Auf der Strecke nach Gorleben werden Tausende Atomkraftgegner mit weiteren Protestaktionen erwartet.

8.32 Uhr: In der Nacht zu Montag hatte die Polizei die Bahn-Strecke bei Hitzacker kurz vor Dannenberg nach einer mehrstündigen Blockade von Atomkraftgegnern gegen 3.30 Uhr geräumt. Hunderte Demonstranten wurden von den Schienen geholt. Vier Aktivisten der "Bäuerlichen Notgemeinschaft", die mit einer Beton-Pyramide die Strecke versperrten, gaben ihren Widerstand nach Verhandlungen mit der Polizei kurz vor Mitternacht am Sonntagabend auf.

7.02 Uhr: An der Verladestation im niedersächsischen Dannenberg hat am Montagmorgen die Umladung der elf Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll begonnen.

6.05 Uhr: Nach Gleisblockaden und massiven Protesten von Atomkraftgegnern ist der Castor-Transport am Montagmorgen an der Verladestation im niedersächsischen Dannenberg eingetroffen.

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Mit Material von dpa, dapd und epd