1000 Euro soll jeder Hochschullehrer aus seinem Privatvermögen berappen. Ansturm auf die Universitäten zum Wintersemester.
Hannover. Mit einem Spendenaufruf für bedürftige Studenten hat Hannovers Uni-Präsident Erich Barke die Diskussion um Studiengebühren neu entfacht. Per E-Mail forderte Barke alle etwa 340 Professoren der Leibniz-Universität auf, finanziell schlecht gestellte Studierende mit 1000 Euro im Jahr zu unterstützen. Das entspricht den Studienbeiträgen in Niedersachsen.
Barke kritisiert in dem durch die "Hannoversche Allgemeine Zeitung“ bekanntgewordenen Schreiben außerdem, dass es bundesweit kein "wirksames Stipendiensystem“ gebe. SPD, Grüne und Linksfraktion sehen den Vorstoß als Beweis für das Scheitern der Studiengebühren in Niedersachsen.
Der hannoversche Uni-Präsident gab am Mittwoch keine Stellungnahme ab. Seine E-Mail sei lediglich als interne, vertrauliche Diskussionsgrundlage gedacht gewesen, erklärte Uni-Sprecherin Stefanie Beier.
"Solche Denkprozesse müssen möglich sein, ohne dass sie als Votum gegen Studiengebühren instrumentalisiert werden“, sagte der Präsident der Landeshochschulkonferenz (LHK), Jürgen Hesselbach. Die LHK sprach sich am Mittwoch mehrheitlich für den Erhalt der Studienbeiträge aus. Lehre und Studienbedingungen hätten sich durch sie spürbar verbessert. Niedersachsen ist neben Bayern das letzte Bundesland, das an Studienbeiträgen festhält.
In seinem Spendenaufruf beklagt Barke, dass das vom Bund und von Sponsoren aus der Wirtschaft finanzierte Deutschland-Stipendium zu kurz greife. So entfielen auf die Leibniz-Universität nur 90 Deutschland-Stipendien, 13.000 Studenten bezahlten Studiengebühren. Die bestehenden Stipendienprogramme berücksichtigten zudem kaum soziale Aspekte.
Hesselbach sagte: "Die soziale Ungerechtigkeit beginnt am Anfang der Kette.“ Notwendig sei eine Abschaffung von Kita-Gebühren. Studenten könnten ein spezielles zinsgünstiges Dalehen beantragen. Dank der Studienbeiträge konnten nach LHK-Angaben zwischen 2006 und 2009 unter anderem fast 120 Millionen Euro für Personal, mehr als 29 Millionen Euro für Lehr- und Lernmittel und über 27 Millionen Euro für bessere Geräte an Hochschulen ausgegeben werden.
Niedersachsens Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) verteidigt die Studienbeiträge mit Verweis auf eine Studie der Hochschulberatung CHE Consult. Dank der Beiträge sei die Betreuungsquote an Niedersachsens Hochschulen besonders gut. Landesweit sei die Zahl der hauptberuflichen wissenschaftlichen Mitarbeiter von 2005 bis Ende 2010 um 26 Prozent gestiegen. Jeder dieser Mitarbeiter betreue im Schnitt nur 9,2 Studierende. "Damit ist Niedersachsen bundesweit Spitzenreiter“, erklärte Ministeriumssprecher Christian Stichternath.
Die Opposition im Landtag kämpft für die Abschaffung der Studiengebühren. "Barkes Initiative ist ehrenwert und zeugt von einem sozialen Gewissen, das der Landesregierung fehlt“, erklärte die SPD-Hochschulexpertin Gabriele Andretta.
"Wenn nun schon die Professoren für bedürftige Studierende spenden sollen, dann ist das der Paukenschlag im Abgesang auf die Studiengebühren“, meinte die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, Gabriele Heinen-Kljajic. Der Hochschulexperte der Linksfraktion, Viktor Perli, forderte ebenfalls die Gebühren durch Landesmittel zu ersetzen. (dapd/dpa/abendblatt.de)