Lauenburg. Die Schwarzenbekerin Katharina Grunert hat bereits im Juni bei der Insektenzählung des Nabu teilgenommen. Ihre Tipps für Neueinsteiger.

Was unter Menschen als ungehörig gilt, ist bei der Hummel notwendig, denn nur über ihr Hinterteil lassen sich Erd-, Stein- oder Ackerhummel unterscheiden. Zum sechsten Mal lädt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zur Zählung der Insekten ein: Katharina Grunert hat in der Juni-Zählung binnen einer halben Stunde nur eine Ackerhummel in ihrem Garten gezählt, dazu sieben weitere Insekten. Am Wochenende will sie erneut zählen und hat Tipps für Neueinsteiger.

Vom 4. bis 13. August sind große und kleine Naturfreunde erneut aufgerufen, für maximal eine Stunde an einem schönen Platz mit Blick in die Natur wichtige Daten für die Artenvielfalt zu sammeln. Doch wie funktioniert das, wenn sich eine Fliege – oder mehrere – gefühlt einige Dutzend Male auf mir niederlässt. „Gezählt wird nicht jedes einzelne Insekt, sondern die Anzahl der Tiere, die wir gleichzeitig in einem Augenblick sehen können“, sagt Andrea Pohlen von der Nabu-Regionalgeschäftsstelle Heide-Wendland im niedersächsischen Celle.

Insektenzählung: Tipp für Anfänger – immer nur eine Art zählen

Im Fokus stehen diesmal die Hummeln, die besonders gut an ihrem Hinterteil unterschieden werden können: Während die Ackerhummel ein gelb-bräunliches Hinterteil hat, ist der Hintern bei der Erdhummel weiß, bei der Steinhummel orange-rötlich.

Das hat auch Grunert bei der Zählung im Juni getan: Der Nabu schlägt zwar einen Umkreis von zehn Meter vor, doch auch der Reihenhausgarten am Mühlenredder mit einer Größe von fünf mal 15 Meter ist ausreichend. Anders als auf der Internetseite des Nabu unter www.insektensommer.de beschrieben, hat sich die 32-Jährige, die erstmals an der Zählung teilnahm, die für fortgeschrittene Insektenfreunde gedachte Zählhilfe heruntergeladen.

Im Juni hatte Katharina Grunert nur wenige Insekten gezählt

Das empfiehlt sie auch allen Neueinsteigern: „Auf den acht Seiten sind die häufigsten Insekten mit Bild aufgeführt. Das erspart das Nachschlagen im Insekten-Bestimmungsbuch.“ Im Garten der 32-Jährigen, die als Geophysikerin im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg arbeitet, summt und brummt es – zumindest in den Regenpausen: Am Schmetterlingsflieder, Lavendel und selbst den Blüten des Gartenbasilikums im Hochbeet sind Hummeln, Wespen und Bienen unterwegs.

Mit dem Bestimmungsbuch bei der Insektenzählung: Am Lavendel entdeckt Katharina Grunert (32) besonder viele Insekten. Neben Hummeln finden dort auch Wespen und Honigbienen Nahrung.
Mit dem Bestimmungsbuch bei der Insektenzählung: Am Lavendel entdeckt Katharina Grunert (32) besonder viele Insekten. Neben Hummeln finden dort auch Wespen und Honigbienen Nahrung. © Marcus Jürgensen

Am Wochenende will Grunert noch einmal zählen: „Mich interessiert, wie sich Zahl und Arten gegenüber meiner Zählung vom Juni verändert haben.“ Damals hatte sie lediglich eine Acker- und eine Erdhummel gezählt, dazu jeweils eine Wespe, Honigbiene, Feuerwanze, Schmeißfliege sowie zwei Hainschwebfliegen und drei Ameisen gezählt – aber keine Schmetterlinge. Der Nabu rät Anfänger, sich auf eine Art zu konzentrieren und hat im sechsten Jahr der Zählung die Hummel in den Mittelpunkt gestellt: Die dicken Brummer sind erstens nicht so schnell und zweitens können die drei am häufigsten vorkommenden Arten – Acker-, Erd- und Steinhummel – über die Färbung ihres Hinterleibs gut unterschieden werden.

Gemeldet wird dann nur die jeweils höchste gleichzeitig gesehene Insektenzahl

Doch wie zählt man Insekten: „Wenn ich einen Kohlweißling sehe und nach einer halben Stunde wieder einen, kann es sich auch um denselben Schmetterling handeln. Deshalb notieren wir die jeweils höchste Anzahl der Insekten, die wir gleichzeitig gesehen haben“, erläutert Pohlen. Flattern zwei Kohlweißlinge vorbei, trägt der Zähler eine zwei ein, sind es später vier, wird diese Anzahl eingetragen. Gemeldet wird dann nur die jeweils höchste gleichzeitig gesehene Insektenzahl.

So hat es Grunert auch im Juni gemacht, ist von einer Staude zur nächsten gegangen und hat dann die jeweils höchste Zahl an den Nabu gemeldet. Wichtig ist dabei, dass sich die Zähler an diese Vorgaben halten, so Grunert: „Nur so können die von den ehrenamtlichen Zählern ermittelten Zahlen später von den Experten auch ausgewertet und interpretiert werden.“

Bei der ersten Zählung im Juni gab es deutschlandweit nur 3491 Rückmeldungen

Die Aktion „Insektensommer“ läuft mittlerweile im sechsten Jahr, doch verwertbare Zahlen kann die Nabu-Geschäftsführerin noch nicht präsentieren: „Wir brauchen einen längeren Zeitraum, um aus den Zahlen auf die Entwicklung der Insekten schließen zu können.“ Und mehr Zähler: Bei der ersten Zählung vom 2. bis 11. Juni gab es deutschlandweit nur 3491 Rückmeldungen. Auf Platz eins landetet bei dieser Zählung die Erdhummel gefolgt von der Steinhummel und der Hainschwebfliege. Den größten Sprung nach vorn machte die Hornisse, die auf Platz elf kam.

Katharina Grunert (32) nimmt an der Nabu-Aktion Insektensommer teil: In ihrem Reihenhausgarten in Schwarzenbek blühen Schmetterlingsflieder und Lavendel, deren Blüten Nahrung für viele Insekten bieten.
Katharina Grunert (32) nimmt an der Nabu-Aktion Insektensommer teil: In ihrem Reihenhausgarten in Schwarzenbek blühen Schmetterlingsflieder und Lavendel, deren Blüten Nahrung für viele Insekten bieten. © Marcus Jürgensen

Schmetterlinge hingegen wurden seltener gemeldet. Jetzt sind die Naturschützer gespannt auf die Zahlen der August-Zählung. Dass es zwei Zählzeiträume – im Juni und im August – gibt, hat seinen Grund: Im Sommer lassen sich Insekten vor allem als ausgewachsene Tiere besonders gut finden und sind damit leichter zu sehen. Manche Arten sind eher im Frühsommer gut zu beobachten, manche im Hochsommer. Bei der ersten Zählung im Juni haben Naturfreunde aus Geesthacht, Escheburg, Marschacht, Büchen und Schwarzenbek mitgemacht.

Gezählt wird alles, was sechs Beine hat

Gezählt werden können aber alle Sechsbeiner, die entdeckt werden. Ihre sechs Beine sind das Erkennungsmerkmal der Spezies: Spinnen haben acht Beine, dazu fehlen auch Fühler oder Flügel – sie sind deshalb keine Insekten, sondern eine eigene Tierklasse. Ameisen hingegen haben sechs Beine und zwei Fühler und obwohl sie nicht fliegen können, sind sie nahe Verwandte der Wespen.

Der Kleine Fuchs (Aglais urticae) ist an seinen orange-braunen Flügeln, die mit leuchtend blauen Punkten gesäumt sind, leicht zu erkennen.
Der Kleine Fuchs (Aglais urticae) ist an seinen orange-braunen Flügeln, die mit leuchtend blauen Punkten gesäumt sind, leicht zu erkennen. © Helge May, Nabu

Ursachen des Insektensterbens sind vielfältig

„Studien zeigen, dass die Insekten in Deutschland deutlich zurückgehen“, verweist Pohlen auf die Krefelder Studie von 2017. Ehrenamtliche Insektenkundler (Entomologen) hatten von 1989 bis 2016 Insekten per Flugfallen gefangen und einen Rückgang von bis zu 82 Prozent festgestellt. Das Alarmierende daran ist: Die Fallen hingen nicht in Gärten oder landwirtschaftlich genutzten Flächen, sondern in Schutzgebieten.

Die Ursachen des Insektensterbens sind vielfältig. „Dazu zählen die intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden und die Ausräumung der Landschaft und der Flächenverbrauch“, sagt Pohlen. Auch der Klimawandel mit langen Trocken- und Regenzeiten sowie stärkeren Stürmen trage dazu bei. Die zunehmende Sensibilisierung zahlreicher Gartenbesitzer und Landwirte für das Thema sei auch ein Grund, warum in heimischen Gärten vermehrt selten gewordene Insekten wie das Pfauenauge wieder anzutreffen sind.

Brennnesseln im Garten: Schmetterlinge fliegen drauf

„Viele Gartenbesitzer gärtnern naturnah, pflanzen gezielt heimische Gewächse an, die insektenfreundlich sind“, so die Expertin. Pohlen rät, mehrjährige Stauden zu nehmen, weil deren Halme von einigen Arten zur Überwinterung genutzt werden. „Und wer kann, soll ruhig Brennnesseln im Garten stehen lassen. „Schmetterlinge fliegen darauf.“

Die Steinhummel (Bombus lapidarius) erkennt man am samtschwarzen Körper mit einer rotbraunen Spitze am Hinterleib. Ihre Nester baut die Hummel oft unter Steinhaufen oder Mauern, wodurch sie ihren Namen erhalten hat.
Die Steinhummel (Bombus lapidarius) erkennt man am samtschwarzen Körper mit einer rotbraunen Spitze am Hinterleib. Ihre Nester baut die Hummel oft unter Steinhaufen oder Mauern, wodurch sie ihren Namen erhalten hat. © Kathy Büscher / NABU Rinteln

Doch das Zählen hat noch einen weiteren Aspekt. „Man schützt bekanntlich das, was man kennt. Mit dem Insektensommer wollen wir für den Schutz dieser wichtigen Tiergruppe sensibilisieren“, so Pohlen. Rund 33.000 heimische Insektenarten gibt es allein in Deutschland. „Bei so einer riesigen und vielfältigen Tiergruppe kann wirklich jeder immer wieder etwas Spannendes und Wunderbares entdecken. Und das Abenteuer Insektenwelt beginnt direkt vor der eigenen Haustür”, sagt Pohlen.

Gemeldet werden die Beobachtungen per Online-Formular oder mit der kostenlosen App Nabu Insektensommer. Beide Meldewege sind unter www.insektensommer.de abrufbar. Paten der Aktion sind in diesem Jahr die Moderatorin Ruth Moschner, der forensische Entomologen Mark Benecke, die Schauspielerin Maria Furtwängler sowie die Trickfilmfigur Biene Maja und ihre Freunde (www.diebienemaja-bienenschutz.de).

Beim Insektenschutz steht Deutschland noch am Anfang

Anders als beim Waldsterben der 1980er-Jahre, als die europäischen Nachbarn noch über die waldvernarrten Deutschen den Kopf schüttelten, spottet heute keiner mehr. Im Gegenteil: Die Sorge um die Zukunft der Sechsbeiner findet weltweit Nachhall. Untersuchungen über deutliche Insektenrückgänge liegen auch in anderen Ländern vor.

England oder die Niederlande sind da bereits deutlich weiter als die Deutschen: So begann das britische „Butterfly Monitoring Scheme“ bereits 1976. Es gilt als das älteste weltweit und umfasst aktuell fast 3000 Beobachtungsstrecken. Das vergleichbare „Tagfalter-Monitoring Deutschland“ existiert erst seit 2005.

Die Ackerhummel trägt an ihrem ganzen Körper einen gelblich bis rotbraunen Pelz. Der Hinterleib kann gelblich oder bräunlich sein.
Die Ackerhummel trägt an ihrem ganzen Körper einen gelblich bis rotbraunen Pelz. Der Hinterleib kann gelblich oder bräunlich sein. © Kathy Büscher / NABU Rinteln

Gezählt werden aber nicht nur Insekten oder Falter: An jedem zweiten Wochenende im Januar schlägt die „Stunde der Wintervögel“, am zweiten Maiwochenende sind dann alle Naturliebhaber aufgefordert, bei der „Stunde der Gartenvögel“ die Tiere zu zählen – beides sind Nabu-Aktionen. Nicht um eine Zählung, sondern um die Sichtbarmachung der nächtlichen Jäger geht es bei der „Batnight“: In der Nacht vom 26. zum 27. August bieten zahlreiche Nabu-Gruppen Veranstaltungen an.

Weitere Aktionen für Naturfreunde in diesem Jahr

Die Fledermaus-Nacht wird zeitgleich in 38 Ländern begangen. Veranstaltungen gibt es unter anderem im Möllner Wildpark Uhlenkolk (14 bis 22 Uhr; Waldhallenweg 11) oder in Bad Segeberg (11 bis 21.45; Oberbergstraße 27). Helfen kann man der Natur aber auch bei jährlich wiederkehrenden Aktionen wie „Unser sauberes Schleswig-Holstein“ (im März) oder dem „World Cleanup Day“ am 16. September.