Hamburg. Mit dem Projekt „Aurora“ will der Nabu Hamburg falterfreundlicher machen, denn die Zahl dieser Insekten sinkt stetig.

Leuchtend gelb lässt sich in der Mittagssonne ein Zitronenfalter auf der Blüte nieder. Wenig später fliegt ein Kleiner Kohlweißling durch die Lüfte – ein klarer Fall für eine Notiz im Meldebogen des Naturschutzbundes Nabu. Die Organisation veranstaltet gerade in zwei Etappen das große Zählen – den „Insektensommer 2020“. Zahlreiche Hamburger machen mit und melden die Sichtungen (Nachmeldungen) bis zum 14. Juni.

Zwar liegen noch keine abschließenden Ergebnisse über die Volkszählung der Insekten in Hamburg vor. Aber nach dem ersten Trend scheint die Steinhummel unter allen Insektenarten den Rüssel vorn zu haben. Bei den Schmetterlingen ist neben dem Zitronenfalter der Grünader-Weißling sehr häufig verbreitet. Klar ist aber auch: Es gibt immer weniger Schmetterlinge. Während vor 100 Jahren rund 77 bodenständige Arten in Hamburg lebten, dürfte inzwischen etwa die Hälfte ausgestorben sein. Deshalb wartet man auf Schmetterlinge wie den Wachtelweizen-Scheckenfalter und Lungenenzian-Ameisenbläuling vergeblich.

Hamburg zu einer falterfreundlichen Großstadt entwickeln

„Nach heutigem Kenntnisstand ist etwa die Hälfte aller Tagfalter, die sich jemals in Hamburg fortgepflanzt haben, aus unserer Stadt verschwunden“, sagt Frank Röbbelen, Leiter der Nabu-Gruppe Entomologie (Insektenkunde). Allein in den vergangenen 20 Jahren seien mindestens sechs Arten ausgestorben oder verschollen. Röbbelen, der in diesen Tagen im Gelände Falter und Libellen kartiert und deshalb alle Hände voll zu tun hat, steht an der Spitze eines ehrgeizigen Projekts. Es ist nach Aurora, der Göttin der Morgenröte und einem heimischen Falter benannt.

Mit „Aurora“ wollen der Nabu und seine Kooperationspartner Hamburg zu einer falterfreundlichen Großstadt entwickeln. „Schmetterlinge bereiten nicht nur uns Menschen Freude, sondern sind gleichzeitig wichtige Indikatoren für funktionierende Ökosysteme“, sagt Umweltsenator Jens Kerstan, zugleich „Aurora“-Schirmherr. Der zunehmende Rückgang der Insektenarten sei alarmierend und Schutzmaßnahmen dringend erforderlich. Daher unterstütze der Senat das Projekt „Aurora – Stadt der Schmetterlinge“, um gute Lebensbedingungen für Schmetterlinge zu schaffen.

Drei Jahre läuft das Projekt schon

Drei Jahre läuft das Projekt schon. Es gibt erste Erfolge, aber „in vielen Fällen ist die konkrete Umsetzung schwierig“, sagt Frank Röbbelen. „So ist es eine mühsame Geschichte, Landwirte zu einer variablen Mahd zu bewegen, da sind oft unterschiedliche Interessenlagen im Spiel“, klagt er. Gerade die zweischürige Mahd (zweimal im Jahr) lasse nur wenigen anspruchsvolleren Insekten eine Chance, ihren Entwicklungszyklus vollständig zu durchlaufen. Deshalb seien variable Mahdkonzepte gefragt, bei denen Teilflächen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemäht werden, fordert der Nabu. Das koste Überzeugungskraft bei Bauern und Parkbesitzern. Schließlich haben Schmetterlinge komplexe Ansprüche an ihren Lebensraum.

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) ist Schirmherr  des Projekts  „Aurora“.
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) ist Schirmherr des Projekts „Aurora“. © Mark Sandten

Auf Kaltehofe-Hinterdeich konnten die Umweltschützer das Unternehmen Hamburg Wasser auf einen falterfreundlichen Kurs bringen. Dort wird inzwischen ein variables Mahdkonzept praktiziert. Michael Beckereit, Geschäftsführer von Hamburg Wasser, will schmetterlingsgerechte Pflege von Grünflächen auf anderen Flächen des Versorgers in die Tat umsetzen. Auch Wiesen im Duvenstedter Brook werden jetzt so gemäht, dass beim ersten Schnitt Rückzugsräume für Tagfalter und andere Tiere entstehen. „Aurora“-Pflegekonzepte liegen ebenso der Verwaltung des Ohlsdorfer Friedhofs vor. „Über bestimmte Flächen wurde aber noch keine befriedigende Einigung erzielt“, heißt es in einem Nabu-Papier.

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Damit Hamburg eine Stadt der Schmetterlinge wird, bedarf es darüber hinaus mehr unversiegelter Flächen und mehr Sympathie für Brachflächen. Sie sind nach Ansicht von Insektenkundlern keineswegs wertlos, sondern häufig beliebte Lebensräume. Auch jeder Hamburger kann etwas für ein buntes Schmetterlingsleben tun. Im Juni, sagt Nabu-Sprecherin Ilka Brodmann, sei auf Balkonen und in Gärten einiges möglich. „Wer auf eine Pflanzenauswahl achtet, die Schmetterlingen als Nahrungsquelle dient, hat schon viel erreicht.“ Die Tiere fliegen beispielsweise auf Kräuter, die auch dem Menschen nützlich sind: Thymian, Salbei, Bohnenkraut.

Für Naturfreunde hat der Nabu kleine Samentüten zusammengestellt, die eine insektenfreundliche Blumenmischung enthalten. Ein Tütchen reicht für einen Quadratmeter. Sie sind kostenlos in der Nabu-Infozentrale erhältlich (Klaus-Groth-Str. 21, Di–Do 14–17 Uhr), sowie im Duvenstedter BrookHus und in der Nabu-Vogelstation Wedeler Marsch.