Schwarzenbek/Müssen. Für das Miteinander braucht es mehr gegenseitiges Verständnis – dafür soll der neue Verein „Jagd und Natur Herzogtum Lauenburg“ sorgen.

Jetzt machen sich die Jäger Konkurrenz: Neben der Kreisjägerschaft hat sich im Herzogtum Lauenburg ein neuer Jagdverein gegründet: Jagd und Natur Kreis Herzogtum Lauenburg will sich verstärkt der Umweltbildung widmen und für ein Miteinander von Naturschützern und Jägern werben.

Ute Olsson-Wollner war viele Jahre Mitglied im Vorstand der Kreisjägerschaft, leitet nach wie vor den Hegering X und betreut die Jagdhundausbildung. Dennoch hat die 67-jährige Müssenerin jetzt mit 20 Mitstreitern einen neuen Verein gegründet: „Jagd und Natur Herzogtum Lauenburg“ will sich der Umweltbildung widmen und zeigen, wie wichtig das biologische Gleichgewicht ist, um die Diversität der Natur zu erhalten – auch durch die Jagd. „Wir möchten gerne Jäger und Naturliebhaber verbinden“, so die Vereinsvorsitzende, die weiterhin auch Mitglied in der 1260 Mitglieder zählenden Kreisjägerschaft ist.

Werden Rehe nicht geschossen, leidet der Wald

In der Kreisjägerschaft seien nur Jäger organisiert, im neuen Verein hingegen sowohl Menschen mit als auch ohne Jagdschein – trotz vieler Vorurteile gegenüber Jägern. Besonders in sozialen Netzwerken werden diese von Tierschützern häufig als „Mörder“ verunglimpft. Das sei so nicht richtig, so Olsson-Wollner: Auch Jäger seien Naturschützer. Steige etwa der Bestand an Rehwild stark an, so sei der Wald in Gefahr, weil die Tiere die jungen Bäume und deren Knospen fressen. Schon 2014 hatten Forscher unter anderem der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft gewarnt, dass bei einer Überpopulation von Rehen die Waldverjüngung nicht gelingen kann. Und das hat Folgen nicht nur für den Wald: Werden junge Bäume von den Tieren gefressen, gibt es auch weniger Insekten.

Kleine Bäumchen sind eine der Lieblingsspeisen von Rehen (Archivbild).
Kleine Bäumchen sind eine der Lieblingsspeisen von Rehen (Archivbild). © WAZ FotoPool | Ute Gabriel

Nächtliche Spaziergänger stören Jagd und Wild

In diesem Spannungsfeld möchten die Müssenerin und ihr neuer Verein vermitteln: „Wir möchten versuchen, die grundsätzliche Haltung gegen Jäger aufzuheben. Ob uns das gelingt, müssen wir sehen.“ Aus eigener Erfahrung weiß Olsson-Wollner, dass eine freundliche Ansprache und das Hinweisen auf die Belange der Jäger bei Spaziergängern im Forst zumindest zu einem Nachdenken führen kann. „Für uns ist das ein großer Erfolg, wenn man miteinander spricht. Das ist unser Anliegen“, so die 67-Jährige, die viele Jahre mit ihrem Ehemann nicht nur Jagdhunde ausbildete, sondern auch eine Dackelzucht betrieb. Ein heikler Zeitpunkt sei die Dämmerung: Wenn Jäger in ihrem Revier auf der Pirsch sind und auf Spaziergänger treffen, die mit ihrem Hund Gassi gehen, seien oft Konflikte programmiert. „Die nächtlichen Spaziergänger stören nicht nur die Jagd, sondern auch das nachtaktive Wild“, sagt Olsson-Wollner. Da helfe nur, bei einem freundlichen Gespräch aufzuklären, so die 67-Jährige: „Die Natur ist für alle da und wir müssen aufeinander Rücksicht nehmen.“

Jäger und Naturschützer kooperieren in Projekten

Der Schutz der Natur spiele auch in der Kreisjägerschaft eine Rolle, doch diese sei vor allem eine Interessengemeinschaft der Jäger. „Die haben ja auch genug zu tun mit der Schießausbildung, den Maßnahmen zur Afrikanischen Schweinepest, dem Wisentgehege oder der Nachsuche, wenn bei Wildunfällen das verletzte Tier gesucht werden muss“, sagt Olsson-Wollner. Ihr Verein wolle zunächst in und um die Gemeinde Müssen herum den Kontakt zu Nicht-Jägern herstellen. Den habe man schon längst, entgegnet Bernd Karsten, Vorsitzender der Kreisjägerschaft: „Wir führen sehr viele Gespräche mit Naturschützern, haben sogar ein gemeinsames Projekt mit dem BUND.“ Es habe mal Zeiten gegeben, in denen es schwerer gewesen sei, zueinander zu kommen, sagt Karsten, doch dies sei mittlerweile nicht mehr so: „Wir vertreten ja alle die gleichen Interessen.“ Die Neugründung eines Vereins sei deshalb nicht notwendig gewesen, so Karsten: „Aber grundsätzlich darf natürlich jeder einen Verein gründen.“

Per Drohne suchen Jäger vor dem Mähen nach Rehkitzen und bewahren sie vor dem Mähwerk – auch eine Aufgabe der Kreisjägerschaften.
Per Drohne suchen Jäger vor dem Mähen nach Rehkitzen und bewahren sie vor dem Mähwerk – auch eine Aufgabe der Kreisjägerschaften. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Beide Vereine laden zu Waldspaziergängen ein

Am Sonntag, 9. Juli, hatte der Verein „Natur und Jagd“ bereits zu einem ersten Waldspaziergang eingeladen. Ein zweiter, einstündiger „Waldspaziergang für kleine Spürnasen“, der sich speziell an Kinder zwischen sechs und neun Jahren richtet, beginnt am Donnerstag, 20. Juli, um 10 Uhr. Teilnehmer biegen in Höhe der Schwarzenbeker Straße 9 in Müssen auf den gegenüberliegenden Wirtschaftsweg ab und folgen ihm bis zu einer Schranke vor dem Wald im Westen des Dorfes. Anmeldung bis zum 18. Juli per E-Mail an info@jagdundnaturherzogtumlauenburg.de. Für den August ist eine Bastelaktion für Kinder geplant und im September folgt ein weitere Waldspaziergang, bei dem die Arbeit eines Jagdhundes im Fokus steht. Einen Waldspaziergang hat auch die Kreisjägerschaft im Angebot: Für Sonntag, 16. Juli, lädt der Hegering V zur Runde durch das Waldrevier Bergholz ein. Treffpunkt ist um 11 Uhr die Gartenschläger-Gedenkstätte zwischen Langenlehsten und Bröthen. Förster und Revierinhaber informieren über Tier- und Pflanzenwelt, dazu gibt es Infos zur Jagdausbildung und Jagdhornbläser, die ihre Signale vorstellen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Zahl der Jäger steigt kontinuierlich an

Deutschlandweit gibt es laut Deutschem Jagdverband (DJV) 407.370 Menschen, die einen Jagdschein besitzen. Ihre Zahl ist stetig gestiegen: Im Jahr 2000 waren es 340.361, 1985 263.631 Jagdscheinbesitzer. Doch nicht alle sind Mitglied im Jagdverband: Dessen Mitgliederzahlen sind nur geringfügig von 233.953 im Jahr 1985 auf 251.596 Mitglieder im vergangenen Jahr gestiegen. Das liegt vor allem an einem deutlichen West-Ost-Gefälle bei den Landesverbänden: Mit 95 Prozent hat Bayern die höchste Zahl organisierter Jäger, in Sachsen sind es jedoch nur 33 Prozent.

Zum Landesjagdverband, der wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) oder der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ein staatlich anerkannter Naturschutzverein ist, gehören in Schleswig-Holstein 20 Kreisjägerschaften. Mit einem Organisationsgrad von 75 Prozent und etwas mehr als 17.500 organisierten Jägern liegt Schleswig-Holstein über dem Bundesdurchschnitt von 69 Prozent. Im Herzogtum Lauenburg sind 65 Prozent der insgesamt 1925 Jagdscheininhaber in der Kreisjägerschaft organisiert.