Schwarzenbek. Gegründet als reiner Männerchor, dominieren heute weibliche Stimmen. Eine „Kehrtwende“, die auch Repertoire nachhaltig beeinflusste.
180 Jahre und kein bisschen leise: Die traditionsreiche Schwarzenbeker Liedertafel feiert ihren Geburtstag mit einem Jubiläumskonzert am Sonntag, 9. Juli, um 19 Uhr in Schröders Hotel statt. Es steht unter dem Motto „Kehrtwende“. Der Eintritt ist frei.
Jasmin Schmidt ist seit 2007 Vorsitzende des gemischten Chores. Mit viel Schwung und großem Engagement hält sie die Fäden in der Hand. Wie kam es zum Motto Kehrtwende? „Der Titel Kehrtwende fiel einem jungen Sänger aus unserem Chor spontan ein, als wir nach einer Probe noch zusammen standen“, sagt Schmidt.
Jubiläumskonzert zum 180. Geburtstag steht unter dem Motto Kehrtwende
Das Motto zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Chores. Im Grunde habe die Liedertafel seit ihrem Bestehen schon viele Kehrtwenden hinter sich: 1843 kam der Anstoß zur Gründung des Vereins von Männern alteingesessener Familien des damaligen Dorfes Schwarzenbek, die sich zu mehrstimmigen Gesangsübungen zusammenfanden. „Um Mitglied zu werden, musste man damals zwei Bürgen aus dem Verein benennen“, so Schmidt.
Die Liedertafel hat im Laufe ihres langjährigen Bestehens die Stadtgeschichte mit begleitet. Als am 27. Juni 1953 aus dem Dorf eine Stadt wurde, war die Liedertafel mit dabei. Sehr sakral begleitete der reine Männerchor den Festakt zur Stadtwerdung mit dem Lied „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“. Ein Lied, das heute nicht mehr zum Repertoire des mittlerweile überwiegend von Frauen getragenen Chors gehört. Die Liedertafel war nicht nur bei der Stadtwerdung dabei, sie sang auch bei der Europapreisverleihung im Jahr 1962 im Kino Grimm oder bei Gesellschaften des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898) in Friedrichsruh. Die Unterlagen und alte Fotos aus der Vereinsgeschichte haben seit 2016 ihren Platz im Schwarzenbeker Stadtarchiv, damit sie für die Nachwelt erhalten werden.
Die Sänger traten schon bei Gesellschaften des „Eisernen Kanzlers“ auf
Vor 50 Jahren sei dann die Kehrtwende gekommen. Da der Bestand der aktiven Sänger stark zurückgegangen war, wurden erstmals Frauen in den Verein aufgenommen. Ein Novum. Es entstand der gemischte Chor der Schwarzenbeker Liedertafel. „Das war schon ein massiver Wandel. Aber wir waren als reiner Männerchor praktisch nicht mehr singfähig, weil uns viele Stimmen fehlten“, erinnert sich Ernst Zimprich, der dem Chor seit 61 Jahren angehört. Seine Ehefrau Sieglinde gehörte 1972 zu den ersten Frauen, die nach dem Wechsel vom reinen Männergesangsverein hin zu einem gemischten Chor der Liedertafel mitsingen durfte – damals noch ein Privileg für die Ehefrauen der Chormitglieder.
Statt Mozart und Bach gibt es jetzt Musicals, Schlager und Pop
Schmidt: „Das hatte zur Folge, dass sich auch das Repertoire änderte. Waren es zuerst vorwiegend Volkslieder und klassische Stücke von Mozart und Bach, kamen später Lieder aus Operetten und Opern hinzu, dann aus verschiedenen Musicals sowie Schlager. Und schließlich entdeckte die Liedertafel den Bereich Pop.“
Es wurden auch Lieder auf Plattdeutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Afrikanisch und Schwedisch gesungen, somit auch hier wieder viele Kehrtwenden. „Im Jubiläumskonzert werden Stücke aus den Bereichen deutscher und englischer Pop sowie Balladen gesungen, so auch die „Bohemian Rhapsody“ von Queen. Da mussten wir sehr stark dran arbeiten, da sich die Taktzahl und somit die Geschwindigkeit ständig ändert, aber unser Chorleiter Markus Götze war sehr geduldig“, so die Vorsitzende.
Der Chor hat aktuell 73 Mitglieder. Davon singen aktiv 42 Sängerinnen und Sänger in den Proben mit, beim Konzert sind knapp 30 dabei. Wie in den meisten Chören im ländlichen Raum fehlen Männerstimmen. „Über Verstärkung in Tenor und Bass freuen wir uns deshalb besonders, aber generell sind alle Sängerinnen und Sänger, die vielleicht sogar über Chorerfahrung oder Notenkenntnisse verfügen, sehr willkommen“, sagt Jasmin Schmidt.
Mitgliederschwund ist kein Problem – aber Tenöre fehlen
Insgesamt halte sich der Mitgliederschwund in Grenzen. Die Zahl von 70 sei seit einigen Jahren konstant. „Und wir hatten das Glück, insgesamt 13 neue Mitglieder zu gewinnen, trotz Corona“. Das Alter der Aktiven bewegt sich zwischen 20 und 83 Jahren, wobei die Hälfte der Sängerinnen und Sänger unter 60 Jahren alt ist, zwölf Prozent sogar unter 30 Jahren alt.
Jasmin Schmidt hat den Vereinsvorsitz vor 16 Jahren von Lothar Scheunemann übernommen. Ein Nachfolger sei nicht in Sicht. „Wir begegnen dem aber, indem wir unsere Satzung überarbeiten. Künftig soll der geschäftsführende Vorstand dann aus einem Team bestehen, in dem die Aufgaben intern aufgeteilt werden.“ So haben es auch andere Schwarzenbeker Vereine wie beispielsweise der TSV, die Landfrauen und zuletzt auch die Eisenbahnfreunde gehandhabt, um die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen.
Wenn sie nicht singen, geht der Chor ins Kino oder wandert
Auch die Geselligkeit kommt in der Liedertafel nicht zu kurz. „Wir veranstalten kleine private Kinoabende, Ausflüge oder kurze Wanderungen und Radtouren, besonders viele während des Stadtradelns“, sagt Schmidt. Ein Highlight sei auch immer das Chorwochenende im Herbst. Da kämen sich die Mitglieder stimmenübergreifend näher, und es hätten sich schon viele Freundschaften im Chor ergeben.
Notenkenntnisse seien für eine Mitgliedschaft hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich. „Chorgesang ist natürlich anspruchsvoller, als alleine ein paar Lieder unter der Dusche zu singen. Die Liedertafel singt meist vierstimmige Sätze. Auch wenn die Lieder oft bekannt sind, ist es vor allem für die Stimmlagen Alt, Tenor und Bass nicht so einfach, die Stücke zu erarbeiten.“ Der Sopran mit der Melodiestimme habe es da leichter
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Auf jeden Fall müsse man bereit sein, auch mal zu Hause am Computer oder mit Chormitgliedern aus der eigenen Stimme zu üben. Gibt es etwas Besonderes zum Jubiläumskonzert? Schmidt: „Nach dem Konzert lädt die Liedertafel alle Besucher auf ein Glas Sekt zu netten Gesprächen ein. Außerdem ist am 28. Oktober eine öffentliche Tanzveranstaltung im Hotel Schröder geplant.“
Die 180-jährige Geschichte der Schwarzenbeker Liedertafel wurde von vielen Chorleitern geprägt. Seit 2004 leitet Markus Götze, auch Kantor der ev. Kirchengemeinde, den Chor. Seine Vorgänger waren: Berit Sieske (1998-2003), Burkhardt Just (1997-1998), Andreas Gries (1994-1996), Clemens Bergemann (1988-1993), Dieter Voß (1979-1987), Lothar Neumann (1948-1978). Der erste Chorleiter nach dem Zweiten Weltkrieg war Hans Lorenzen.