Gülzow. Krise beim Lebensmittel-Start-up in Gülzow. Warum das so ist und wann es sich wieder ändern wird, erklärt Gründer Thorsten Bausch.
In den Regalen gibt es große Lücken, im Frischebereich sind sogar ganze Kühlwände außer Betrieb genommen. Der Warennachschub klappt nicht, denn Tante Enso ist das Geld ausgegangen – zumindest zeitweilig. „Wir hatten Ebbe in der Kasse“, gibt Geschäftsführer und Gründer Thorsten Bausch zu. Mittlerweile sei der finanzielle Engpass jedoch überwunden.
Das Lebensmittel-Start-up befinde sich in einer Krise, gibt Bausch zu, dies sei jedoch nicht die erste und wahrscheinlich auch nicht die letzte. „Wir sind ein Start-up und haben noch nicht so viel Fleisch angesetzt, dass wir eine Finanzierungslücke einfach so füllen könnten“, sagt Bausch. Als Start-up seien MyEnso und die Filialtochter Tante Enso auf Investoren angewiesen. Doch die sind seit Corona und dem russischen Überfall auf die Ukraine zunehmend vorsichtiger und bedienen eher ihre bestehenden Investitionen.
Im Juli vergangenen Jahres öffnete das Start-up in Gülzow seine Türen
„Das geht im Grunde seit drei Jahren so, und es ist uns auch nicht das erste Mal so gegangen“, sagt Bausch, der gemeinsam mit Norbert Hegmann MyEnso vor fünf Jahren gründete. Doch der MyEnso-Chef gibt auch Entwarnung: Die Finanzlücke sei mittlerweile geschlossen. Am Freitag, 12. Mai, seien 2,5 Millionen Euro auf dem Konto des Bremer Unternehmens eingegangen – mit vierwöchiger Verspätung.
Seit 2019 hat das Unternehmen 20 Tante Enso-Standorte eröffnet: Von Bad Neuenahr im Ahrtal bis Wörlitz in Sachsen-Anhalt – zuletzt Ende April in Glasau im Kreis Segeberg. Vor knapp einem Jahr eröffnete Bausch gemeinsam mit Bürgermeister Wolfgang Schmahl und Marktleiter Sebastian Böttger am 28. Juli den Tante Enso-Markt in Gülzow – der erste im Kreis Herzogtum Lauenburg. In 49 weiteren Orten, darunter Kastorf im Lauenburgischen und Grönwohld im Kreis Stormarn steht eine Eröffnung unmittelbar bevor. Der Break-Even-Point, also der Zeitpunkt, bei dem sich das Geschäftsmodell selbst trägt, ist für das erste Quartal 2024 mit 45 Märkten vorgesehen. Angesichts der hohen Nachfrage aus ganz Deutschland ist dies kein unrealistisches Ziel.
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Bürgermeister erst nach drei Wochen über Engpass informiert
Tante Enso hatte seine Anteilseigner per E-Mail über die Probleme informiert, für Verständnis und Vertrauen geworben. „Wir hätten aber die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden frühzeitiger informieren müssen“, gibt Bausch einen Fehler zu. Den hat das Start-up am Dienstag, 16. Mai, korrigiert und die Politiker zur Videokonferenz eingeladen.
Der Engpass hatte jedoch bereits drei Wochen zuvor begonnen. „In der ersten Woche sind wir noch von Lieferschwierigkeiten ausgegangen“, sagt Schmahl, der sich eine frühzeitigere Information der betroffenen Gemeinden gewünscht hätte. Das haben Bausch und Hegmann den Bürgermeistern nun auch zugesichert.
Tante Enso ist 24-Stunden-Supermarkt und Treffpunkt zugleich
Für die Gemeinde Gülzow wäre ein Aus des Start-ups ein großes Problem: 2005 war im ehemaligen Bauernhaus an der Hauptstraße 21 ein Markttreff zur dörflichen Nahversorgung eröffnet worden. Erbaut mit Fördermitteln der Europäischen Union enthielt er Räume für Vereine, eine Arztpraxis, Café und einen kleinen Supermarkt, der zunächst vom Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow betrieben wurde. Mit deren Ausstieg im Jahr 2008 fehlte dem Markt auch ein Großkunde: Die Jahre bis zur Schließung im Jahr 2017 war der Laden deshalb ein Zuschussgeschäft für die Gemeinde.
Entsprechend groß sind die Erwartungen an Tante Enso: Schmahl und weitere Gemeindevertreter hatten persönlich Anteilseigner geworben: Insgesamt 388 Bürger aus Gülzow und umliegenden Orten zeichneten Anteile. Mindestens 300 mussten es sein, das sieht das Tante-Enso-Konzept vor: In Orten mit weniger als 5000 Einwohnern, die für die großen Lebensmittelketten als Standort nicht interessant sind, bilden sie einen festen Kundenstamm, der weitere Käufer nach sich zieht.
Lücken bei Tante Enso hätten schon zu Unruhe im Dorf geführt
Weiterer Vorteil: Der 175 Quadratmeter große Laden ist täglich rund um die Uhr geöffnet. Möglich wird dies, weil Kunden – auch ohne Anteilseigner zu sein – per Chipkarten das Geschäft betreten, sich selbst bedienen und bezahlen. Dazu kommt ein sechsköpfiges Team um Filialleiter Böttger, das montags, dienstags, donnerstags, freitags und sonnabends von 8 bis 12 Uh sowie montags und freitags auch von 16 bis 18 Uhr vor Ort ist.
Die Regale im Gülzower Tante Enso, der sich zum Treffpunkt des mehr als 1300 Einwohner zählenden Ortes entwickelt hat, werden wohl am Montag, 22. Mai, mit neuer Ware befüllt. Die Lücken hätten schon zu Unruhe im Dorf geführt, sagt Schmahl, der hofft, dass die Gülzower ihrem Nahversorger dennoch weiterhin die Treue halten werden.