Schwarzenbek. Auf ihrer Flucht vor dem Krieg ist Familie Chumak in Schwarzenbek gelandet - und will bleiben. Mutter Oljha singt bereits im Kirchenchor.

Die Welt war in Ordnung für die Familie Chumak, die in einem Dorf bei Charkiw im Osten der Ukraine gelebt hat. Das war bis zum 25. Februar der Fall. Dann schlugen die ersten Granaten in der Nähe ein, der von den Russen begonnene Krieg hob das Leben der fünfköpfigen Familie aus den Fugen.

„Wir hörten den Kriegslärm und flüchteten zu meinem Bruder, der weiter weg von der Frontlinie lebte“, berichtet Yevhen Chumak (47). Gemeinsam mit seiner Ehefrau Oljha (45) und den Kindern Maria (17), Oleksandra (7) und Yurii (6) verbringt er nach einer Odyssee durch Moldawien, Rumänien, Österreich und die gesamte Bundesrepublik nun das erste Weihnachtsfest in Schwarzenbek.

Flüchtlinge aus der Ukraine feiern Weihnachtsfest in Schwarzenbek

„Wir haben uns zur Flucht entschlossen, weil wir Angst um unser Leben und das unserer Kinder hatten“, berichtet Yevhen Chumak, der in seiner Heimat in der Landwirtschaft tätig war. Als es auch bei seinem Bruder nicht mehr sicher war, machte er sich mit seiner Familie in einem Kleinbus von Mitsubishi auf den Weg in den Westen.

„Wir wollten nach Deutschland. Während der Fahrt, haben wir im Internet recherchiert, wo wir aufgenommen werden könnten“, so der 47-Jährige. Kurz nach dem Beginn des Krieges und auf einem Höhepunkt der Flüchtlingswelle aus Nordafrika, dem Nahen Osten und Afghanistan waren viele Aufnahmelager voll. „Wir sind von München aus nach Norden gefahren und haben entdeckt, dass in Ratzeburg noch Kapazitäten frei sind. Dort haben wir uns gemeldet und sind nach Schwarzenbek vermittelt worden“, ergänzt Oljha Chumak.

Die erste Station der Chumaks war das Bed & Breakfast von Ingo Dackermann, das noch von der ehemaligen Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig während der ersten großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 langfristig angemietet worden war. Dort hatte die Familie ein kleines Zimmer. Über Pastor Andreas Schöer und Jasmin Schmidt vom Kirchenbüro kam dann der Kontakt mit der evangelischen Kirchengemeinde zustande.

Schwarzenbek ist seit mehr als einem halben Jahr die neue Heimat

Die fünfköpfige Familie lebt seit mehr als einem halben Jahr in einer Wohnung, die der evangelischen Kirchengemeinde gehört und in der Nähe des alten Marktes liegt. „Wir fühlen uns hier sehr wohl. Die Kinder haben ausreichend Platz und wir können uns an unsere neue Heimat gewöhnen. Für uns steht fest, dass wir hier in Deutschland bleiben werden“, sagt Oljha Chumak, die Fachärztin für Onkologie (Krebsmedizin) ist.

Die beiden sind dabei Deutsch zu lernen, Tochter Maria (17) ist bereits im Berufsbildungszentrum Mölln in einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) und bereitet sich auf ihren Mittleren Abschluss (früher Mittlere Reife) vor. Ihre Schwester Oleksandra (7) hat es nicht ganz so weit. Sie geht gleich nebenan in eine DaZ-Klasse in der Gemeinschaftsschule. Ihr Bruder Yurii (6) hat noch keinen Kita-Platz und ist auch noch nicht eingeschult worden.

„Der integrative Gedanke ist uns wichtig. Deshalb suchen wir auch möglichst schnell dezentrale Unterkünfte für die Flüchtlinge. Wir hatten im Herbst 25 Plätze in der alten Realschule belegt, die wir aber wieder geräumt haben“, sagt Ordnungsamtsleiterin Petra Scheerer, die für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge zuständig ist.

„Wir nutzen die Realschule nur als Puffer. Das ist wichtig, aber keine Lösung für die Integration der Menschen, die zu uns kommen. Wir suchen dringend weiteren Wohnraum. Denn die ehemaligen Klassenzimmer in der Realschule können nur eine Übergangslösung für einige Wochen oder Monate sein“, ergänzt Bürgermeister Norbert Lütjens.

2700 Flüchtlinge aus der Ukraine leben im Herzogtum Lauenburg

Aktuell sind im Kreisgebiet knapp 2700 Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. „Wir haben eine Gemeinschaftsunterkunft in Gudow, verteilen die Flüchtlinge aber schnellstmöglich an die Kommunen weiter, damit sie dort integriert werden können“, sagt Kreissprecher Toibias Frohnert.

Das funktioniert relativ gut. Obwohl die Chumaks kaum deutsch sprechen, haben sie aber erste Freunde gefunden. Die meisten kommen aus ihrer alten Heimat. „Wir kennen 250 bis 300 Menschen in Schwarzenbek, die wir in der Weihnachtszeit auch besuchen werden“, so Yevhen Chumak.

Weihnachtszeit heißt für die orthodoxen Christen allerdings nicht Heiligabend. Weihnachten ist nach dem gregorianischen Kalender, der in Osteuropa verwendet wird, die Zeit vom 6. auf den 7. Januar. Dann kommt „Väterchen Frost“ und bringt die Geschenke. In die Schwarzenbeker St. Franziskus-Kirche geht es für die Chumaks trotzdem bereits Heiligabend.

Denn Oljha Chumak ist eine begeisterte Sängerin. Zwar kann sie noch kein Deutsch, aber trotzdem wird sie gemeinsam mit der Kantorei unter der Leitung von Kirchenmusiker Markus Götze „Leise rieselt der Schnee“ und „Kling Glöckchen, kling“, intonieren. Dass die gesamte Familie dabei ist, um Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen, ist natürlich Ehrensache.