Schwarzenbek. Krieg in der Ukraine, Umweltkatastrophen in Afrika und Gewalt gegen Frauen im Iran: Stadt sucht fieberhaft nach weiteren Unterkünften.
„Wir rechnen mit weiteren Flüchtlingen im Kreisgebiet. Aktuell ist unsere Aufnahmequote mit 90 Prozent erfüllt. Damit liegen wir im Vergleich der anderen Kommunen ganz gut, aber es gibt fast keine freien Plätze mehr in den Unterkünften“, sagt Petra Scheerer, Fachbereichsleiterin für Öffentliche Sicherheit und Soziales in der Stadtverwaltung Schwarzenbek.
Nach dem Beginn des Krieges ging man davon aus, dass der Kreis bis zu 2400 Flüchtlinge aus der Ukraine unterbringen muss, aktuell sind es bereits 2500 Menschen. Allerdings kommen derzeit weniger: Statt 40 bis 50 im Sommer liegt die Zahl der Flüchtlinge, die dem Kreis zugeteilt werden, derzeit im einstelligen Bereich. Bislang setzt die Stadt Schwarzenbek bei der Unterbringung vorwiegend auf angemieteten Wohnraum. Doch der Immobilienmarkt ist so gut wie ausgereizt.
Ehemalige Realschule Schwarzenbek wurde 2015 zur Gemeinschaftsunterkunft
2015 hatte die Stadt Schwarzenbek der erste große Zustrom von Menschen aus Syrien, Afghanistan und Nordafrika kalt erwischt. Ex-Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig baute die ehemalige Realschule an der Berliner Straße zur Massenunterkunft mit gut 120 Plätzen um. Kostenpunkt damals: gut zwei Millionen Euro für Brandschutz und den Einbau von Sanitärräumen und Küchen.
Außerdem wurden damals in der Stadt diverse Wohnungen und eine Pension als Unterkünfte angemietet. Am Ende wurden die Wohnungen benötigt, die Gemeinschaftsunterkunft nicht. Eine Entspannung der Situation gab es seit damals nicht wirklich. „Es sind momentan 200 Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet in Schwarzenbek. Eine ähnlich hohe Zahl von Menschen in Not aus anderen Krisengebieten befindet sich ebenfalls in der Stadt“, sagt Scheerer.
Russische Angriffe auf Infrastruktur könnten Situation verschärfen
Eine weitere Verschärfung der Situation zeichnet sich durch die massiven Angriffe Russlands auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine und die Infrastruktur des Landes sowie durch die Gewalt gegen Frauen im Iran, die Probleme in Afghanistan aber auch durch Umweltkatastrophen wie aktuell die Flutwellen in Nigeria ab.
„Insbesondere die russischen Angriffe auf die Energieversorgung in der Ukraine werden wohl viele Menschen in die Flucht treiben“, betonte Bürgervorsteher und Sozialausschussvorsitzender Rüdiger Jekubik (SPD). „Wir können nur erahnen, welche Flüchtlingswellen noch auf uns zukommen. Diesen Menschen müssen wir helfen, und dafür müssen wir gerüstet sein“, fügte er hinzu.
Privatsphäre der Menschen respektieren
Bislang sind die meisten Flüchtlinge dezentral in Wohnungen untergebracht. 20 Menschen – dabei handelt es sich in erster Linie um Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine – leben in ehemaligen Klassenzimmern der alten Realschule an der Berliner Straße. „Momentan nutzen wir dort nur Endräume und keine Durchgangszimmer.
Den Bewohnern bieten wir so ein Maximum an Privatsphäre, ohne dass andere Bewohner durch ihre Räume gehen müssen, um Gemeinschaftseinrichtungen wie Sanitärbereiche oder die Küche zu erreichen. Diese Situation wollen wir so lange wie möglich aufrechterhalten“, betont Bürgermeister Norbert Lütjens.
Flüchtlinge, Impfzentrum und DaZ-Klassen teilen sich Schule
Denn der Bereich, in dem Flüchtlinge in dem alten Schulgebäude untergebracht werden können, ist durch andere Nutzungen deutlich geschrumpft. „Die Realschule ist so stark frequentiert wie seit der Schließung im Jahr 2009 nicht. Wir haben das Impfzentrum sowie auch vier DaZ-Klassen, in denen Jugendliche mit Migrationshintergrund unterrichtet werden“, erläutert Scheerer. Im Extremfall könnten maximal 50 Flüchtlinge dort untergebracht werden statt der ursprünglich geplanten 120 Menschen.
Und selbst bei der neu definierten Maximalbelegung würde das massive Einschränkungen für die traumatisierten Menschen bedeuten, die hier Zuflucht suchen. Dann müssten nämlich auch sogenannte Durchgangszimmer genutzt werden, weil sich die Wohnungen nach dem Umbau der Klassenräume zur Unterkunft direkt aneinander anschließen und keine Flure mehr haben. Die bislang nicht belegten Räume, von denen aus Küchen und Sanitärräume erreicht werden können, müssten dann auch mit Flüchtlingen belegt werden, die ihre Privatsphäre verlieren würden.
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Genehmigung für Containerdorf dauert zu lange
Wie es weitergehen soll mit der menschenwürdigen Unterbringung dieser Personen, ist in der Diskussion. Denn klar ist: Der vorhandene Wohnraum reicht nicht mehr lange aus. Der Stadt fehlen eigene Flächen. Ein Containerdorf, wie es an der Mercatorstraße in Geesthacht entstanden und im Amt Hohe Elbgeest geplant ist, schließt Lütjens vorerst aus, da auch diese Variante keine kurzfristige Lösung wäre.
„Container sind kaum verfügbar, für die Aufstellung benötigt es auch eine Baugenehmigung. Da reden wir über einen Zeitraum von mindestens eineinhalb Jahren. Die Menschen kommen jetzt und müssen untergebracht werden. Es kann also nur um Anmietung von weiterem Wohnraum gehen – und der ist begrenzt“, so der Bürgermeister.
Ankauf von Immobilien kommt für Stadt nicht infrage
Möglicherweise könnte es weitere Sammelunterkünfte in größeren, leerstehenden Immobilien im Stadtgebiet geben. Mögliche Standorte wollte der Verwaltungschef mit Blick auf laufende Sondierungsgespräche aber nicht benennen. Auch eine Kooperation mit dem Amt Schwarzenbek-Land wird diskutiert. Das seit mehreren Jahren leerstehende Gut Lanken ist für die Unterbringung von 20 bis 30 Flüchtlingen ebenfalls im Gespräch.
„Wir sind in Kontakt mit dem Amt Schwarzenbek-Land, um gemeinsame Lösungen zu suchen. Dafür käme das Gutsgelände infrage. Aber dafür müssen erst einmal Verhandlungen mit den Eigentümern geführt werden, denn es befindet sich in Privatbesitz“, so Scheerer. Einen Ankauf von Immobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen schließt Lütjens angesichts der hohen Preise vorerst aus.