Lauenburg. Es gibt ehrgeizige Pläne und gute Ansätze. Aber es geht nur langsam voran. Lauenburgs Unternehmer wollen jetzt mitgestalten.

Kaum eine Stadt im Norden ist so zweigeteilt wie Lauenburg. In der Altstadt flanieren Touristen begeistert über das historische Pflaster. Doch landen sie zufällig in der Oberstadt, reiben sie sich verwundert die Augen: Wo ist denn hier das Stadtzentrum? Es gibt kaum einen Platz, an dem man sich länger aufhalten möchte. Leerstehende Ladengeschäfte und marode Gebäude prägen das Bild. Der ZOB ist auch nicht gerade eine gute Visitenkarte und die Brandruine setzt dem schlechten Eindruck noch die Krone auf.

Dabei gibt es seit seit vielen Jahren ehrgeizige Pläne, das Lauenburger Stadtzentrum aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Es gibt durchaus positive Ansätze: Der Bau des Medienzentrums ist auf der Zielgeraden, der neue Edeka-Markt zieht viele Kunden in die Stadt. Andere Pläne sind jedoch gescheitert oder liegen zumindest auf Eis. „Die Politik sollte die Gewerbetreibenden mit ins Boot holen. Ein Wirtschaftsbeirat könnte auch in anderen Fragen der Stadtentwicklung wichtige Impulse geben“, sagt Karsten Legeler, Mitglied im Vorstand der Wirtschaftlichen Vereinigung Lauenburg (WVL). Er weiß, wovon er spricht. Legeler ist Inhaber des Geschäftes Wohnunion an der Berliner Straße.

Wirtschaftsbeirat kann bei der Innenstadtplanung helfen

Während der Jahresversammlung brachte WVL-Chefin Tina Fey das Thema auf den Punkt. „Wir wollen die Bemühungen um einen Wirtschaftsbeirat intensivieren und den Austausch mit Lauenburgs Politikern ausbauen. Dazu werden wir eine Arbeitsgruppe bilden“, kündigte sie an. Das ist allerdings keine neue Idee. Schon 2017 plädierte der damalige WVL-Vorsitzende Ralf Storjohann für die Gründung dieses Gremiums.

Nach dessen Tod im Jahre 2021 hielt sich der neue Vorstand der WVL zunächst zurück, was das Thema Wirtschaftsbeirat betrifft. Um diese Frage hatte es in Lauenburg nämlich jahrelang Diskussionen gegeben. Die Idee stieß bei der Politik mehrheitlich auf Ablehnung. Auch der damalige Bürgermeister Andreas Thiede zeigte sich als entschiedener Gegner eines solchen Gremiums. Der Konflikt eskalierte so, dass Lauenburgs Verwaltungschef sogar die Mitgliedschaft in der WVL kündigte. Ganz anders in Lauenburgs Nachbarstädten: In Schwarzenbek gibt es seit 2018 einen Wirtschaftsbeirat, in Geesthacht sogar schon seit 2016.

Besonders in der Fußgängerpassage Alte Wache ist der Leerstand an Geschäften augenfällig. Die Wirtschaftliche Vereinigung (WVL) will die Kompetenz der Unternehmer einbringen, um Lauenburgs Stadtzentrum attraktiver zu machen. 
Besonders in der Fußgängerpassage Alte Wache ist der Leerstand an Geschäften augenfällig. Die Wirtschaftliche Vereinigung (WVL) will die Kompetenz der Unternehmer einbringen, um Lauenburgs Stadtzentrum attraktiver zu machen.  © Elke Richel | Elke Richel

Auch Lauenburgs Politiker denken um

Doch das Blatt hat sich gewendet. Schon während des Bürgermeisterwahlkampfes Ende vergangenen Jahres erfuhr das Thema Wirtschaftsbeirat eine neue Dynamik. Alle drei Kandidaten brachten die Gründung des Gremiums in ihren Wahlkampf ein. „Die Stadt Geesthacht hat damit gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere zur besseren Kommunikation zwischen Unternehmen, Stadtvertretung und der Verwaltung. Für die wirtschaftliche Weiterentwicklung halte ich diesen Beirat für einen Gewinn, von dem die gesamte Stadt profitieren wird“, erklärte Thorben Brackmann, der die Wahl schließlich für sich entschied.

Ein Umdenken ist mittlerweile auch in der Politik erfolgt – möglicherweise, weil die Kommunalwahl am 14. Mai eine neue Zusammensetzung der Fraktionen mit sich brachte. Einig sind sich CDU, SPD und die Lauenburger Wählergemeinschaft mittlerweile: Wirtschaftsbeirat grundsätzlich ja, allerdings nicht ohne zuvor Kompetenzen, Rechte und Pflichten des Gremiums genau abgesteckt und politisch beschlossen zu haben. Die Grünen favorisieren einen Wirtschaftsbeirat mit Rederecht im zuständigen Fachausschuss. Die Wählergemeinschaft Unser Lauenburg hatte die Bildung eines Wirtschaftsbeirates zu einem der wichtigsten Wahlkampfthemen vor der Gemeindewahl erklärt.

„Wir waren in der WVL nie so breit aufgestellt. Es gibt einige Mitglieder, die sich in einem Wirtschaftsbeirat engagieren würden“, sagt Karsten Legeler und zieht einen Vergleich: „Wenn es um die Schaffung von Barrierefreiheit in der Stadt geht, ist es sinnvoll, den Behindertenbeauftragten mit ins Boot zu nehmen. Geht es um wirtschaftliche Entwicklungen, sollte die Kompetenz der lokalen Unternehmer genutzt werden.“

Blick auch auf genügend Parkflächen richten

Seiner Erfahrung nach würden sich die Gewerbetreibenden nicht nur anhand der vorhandenen Ladengeschäfte und wirtschaftlicher Überlegungen für eine Geschäftseröffnung entscheiden. „Sie fragen sich: Wo können meine Kunden parken oder wie stelle ich sicher, dass ich meine Kunden erreichen kann?“, sagt er. Möglicherweise könnten auch optimierte Busverbindungen eine Lösung sein. Ein Wirtschaftsbeirat würde schon in der ersten Planungsphase neuer Projekte solche Fragen ins Spiel bringen.

Ein klassisches Wirkungsfeld von kommunalen Wirtschaftsbeiräten ist übrigens auch die Beteiligung an Investorenauswahlverfahren. Die hatte es in Lauenburg in jüngster Zeit gleich zweimal gegeben: Im Dezember entschied eine Jury aus Politik und Verwaltung über Pläne für die Bebauung der Freifläche an der Berliner Straße. Im August vergangenen Jahres ging es um einen Architekturwettbewerb zur Gestaltung der Lesegärten am künftigen Medienzentrum.

Antrags- und Rederecht, aber keine Stimme in politischen Gremien

Ein Argument, das die Gegner des Wirtschaftsbeirates in Lauenburg immer wieder ins Spiel brachten: Über das Gremium könnte Lobbyarbeit betrieben werden. Diese Frage wurde vor der Gründung auch in Geesthacht diskutiert. Dort kamen Politik und Verwaltung aber schließlich zu dem Schluss: Die Durchsetzung einzelner Unternehmerinteressen über den Wirtschaftsbeirat ist ausgeschlossen. Schließlich haben die Mitglieder zwar Antrags- und Rederecht in den politischen Gremien, nicht aber Stimmrecht. In Lauenburg ist das satzungsmäßig so auch für den Seniorenbeirat und den Kinder- und Jugendbeirat festgelegt.

Rechtlich steht der Gründung eines Wirtschaftsbeirates in Lauenburg übrigens nichts entgegen. In der Gemeindeordnung heißt es dazu: „Die Gemeinde kann durch Satzung die Bildung von Beiräten für gesellschaftlich bedeutsame Gruppen vorsehen.“ Was das ist, daran scheiden sich aber die Geister. „Es lassen sich in den Kommentierungen sowohl ablehnende, als auch zustimmende Ansichten zur Bildung von Wirtschaftsbeiräten finden. Der Kreis Herzogtum Lauenburg folgt in der Auslegung der Zustimmung“, erläutert Kreissprecher Tobias Frohnert.