Büchen. Anhänger des Zweitligisten plünderten im Februar eine Tankstelle. Die jetzt erwartete Randale fällt aus. Der Grund überrascht alle.

Selbst die Bundespolizei hat es nicht mitbekommen: Von Sonnabend, 15. April, bis Ende des Monats ist die Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Büchen nahezu komplett gesperrt. Dabei hatten sich Bundes- und Landespolizei auf Fans des Fußballclubs Hansa Rostock vorbereitet, die auf ihrem Rückweg aus Paderborn in Büchen hätten umsteigen sollen. Vor einem Monat hatten Hansa-Fans in der Gemeinde eine Tankstelle geplündert.

Tankstelleninhaber Matthias Reich kann nun aufatmen: Diesmal steigen die Fußballfans schon in Hamburg in den Regionalexpress RE 1 um. Auch Büchens in Bahnfragen meist bestens informierter Bürgermeister hat erst durch einen Anruf unserer Redaktion davon erfahren, dass zwischen Büchen und Lüneburg der Zugverkehr deutlich eingeschränkt wird: „Wieso wundert mich das nicht?“, sagt Uwe Möller. „Aber auch RTL und die Lübecker Nachrichten wussten nicht bescheid. Die haben bei mir wegen drohender Randale angefragt.“

Büchen – ein Ort in Angst vor den Hansa-Rostock-Fans

Ursache für die Streckensperrung sind Bauarbeiten am Bahnhof im niedersächsischen Echem sowie zwischen Dalldorf und Büchen: Am 11. April haben in Echem vorbereitende Arbeiten begonnen statt, die von der Deutschen Bahn AG mit ihren Regionalbüros in Hamburg und Hannover in Auftrag gegeben wurden.

Betrieben wird die Strecke jedoch vom Bahnunternehmen Erixx Holstein und gehört zum Hamburger Tarifverbund HVV. Warum nicht zumindest die Bundespolizei als Nachfolgerin der früheren Bahnpolizei informiert wurde, dazu schweigen DB AG und Erixx.

Auch Polizei wurde nicht über Zugausfälle informiert

„Das ist ja ein Ding“, kommentiert Jacqueline Fischer, Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, die Info unserer Redaktion. Sowohl Landes- als auch Bundespolizei waren bisher davon ausgegangen, dass der Zug mit den Hansa-Fans wieder zum Umsteigen in Büchen halten wird. Um 20.52 Uhr sollte er dort stoppen, dann hätten die Fans sechs Minuten zum Umsteigen in den Regionalexpress gehabt.

Am 12. März hatte der Zugführer des RE 1 nicht auf den Zug aus Lüneburg warten wollen, war fahrplanmäßig Richtung Rostock gestartet. Als der Regionalzug aus Lüneburg zehn Minuten später in den Bahnhof einrollte, waren knapp 100 der „gestrandeten“ Fans zur nahen Star-Tankstelle gezogen. Während die ersten Fußballfans noch bezahlten, räumten die nachfolgenden einfach die Regale leer.

Beim Risikospiel gegen den FC St. Pauli warfen Hansa-Fans am 26. Februar Feuerwerkskörper und beklebten ein Polizeiauto mit Hansa-Rostock-Aufklebern.
Beim Risikospiel gegen den FC St. Pauli warfen Hansa-Fans am 26. Februar Feuerwerkskörper und beklebten ein Polizeiauto mit Hansa-Rostock-Aufklebern. © picture alliance / | picture alliance

Aufatmen bei den Pächtern der Star-Tankstelle

Das wird an diesem Sonnabend nicht noch einmal geschehen. Beim Pächterehepaar Andrea und Mathias Reich ist die Erleichterung groß. „Manchmal hat eine Baustelle ja auch etwas Gutes“, so Andrea Reich. Das Ehepaar hatte zunächst überlegt, die Tankstelle am Sonnabendabend zu schließen – sich dann aber dagegen entschieden. „Man darf nicht so viel Angst haben“, sagt Mathias Reich, der die Star-Tankstelle seit fast 45 Jahren betreibt: „So etwas wie den Überfall der Hansa-Fans hat es zuvor noch nie gegeben, und schließlich sind ja nicht alle Fans so.“

Die 18 Jahre alte Mitarbeiterin, die damals hinter der Kasse stand, erlitt einen Schock, arbeitet jetzt aber wieder an der Tankstelle. Reich: „Die ersten Male war immer eine weitere Kollegin dabei.“ Auf eine Entschuldigung des Vereins für das Verhalten seiner Fans hat Reich jedoch vergeblich gewartet.

Der Shop der Star-Tankstelle an der Raiffeisenstraße 4 in Büchen wurde am 12. März von Hansa Rostock-Fans geplündert. Tankstellenpächter Mathias Reich befürchtete ähnliches, kann jetzt jedoch aufatmen: In Büchen müssen die Hansa-Fans nicht umsteigen.
Der Shop der Star-Tankstelle an der Raiffeisenstraße 4 in Büchen wurde am 12. März von Hansa Rostock-Fans geplündert. Tankstellenpächter Mathias Reich befürchtete ähnliches, kann jetzt jedoch aufatmen: In Büchen müssen die Hansa-Fans nicht umsteigen. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Bundespolizei muss Lage neu bewerten

Das Spiel des Tabellensechsten Paderborn gegen die als Vorletzte akut abstiegsgefährdeten Rostocker wird am Sonnabend um 13 Uhr angepfiffen. Je nach Spielverlauf wird sich am Nachmittag eine Vielzahl frustrierter Hansa-Fans auf den Rückweg machen. „Wir befinden uns aktuell in der Einsatzplanung zur Spielbegegnung zwischen dem FC Hansa Rostock und dem SC Paderborn 07. In diese fließen auch kurzfristige Änderungen der Fahrpläne im Bahnverkehr ein“, antwortet Torsten Tamm, Sprecher der Bundespolizeidirektion in Bad Bramstedt, ausweichend auf eine Anfrage unserer Redaktion.

Hansa-Fans steigen in Hamburg um

Tatsächlich müssen die Bundespolizisten nun umdisponieren: Statt in Büchen werden die Hansa-Fans am Hamburger Hauptbahnhof in den Regionalexpress umsteigen. Aus „einsatztaktischen Gründen“ will Tamm nicht mehr sagen. Man könne nicht in die Köpfe der Fans schauen. Deshalb sei es nicht ausgeschlossen, dass verspätete Fans auch einen der wenigen Erixx-Züge nehmen, die noch auf der Strecke fahren.

Grund für Sperrung: Neue Leit- und Sicherungstechnik

Grund für die Zugausfälle sind Arbeiten an der Leit- und Sicherungstechnik zwischen Dalldorf und Büchen sowie Bauarbeiten am Bahnhof im niedersächsischen Echem: An der Strecke von Kiel über Lübeck nach Lüneburg sollen in Zukunft Akkuzüge fahren. Deshalb wird unter anderem in Echem der Bahnsteig erneuert und auf 76 Zentimeter erhöht, um den Reisenden einen stufenfreien Zugang in die Züge zu ermöglichen.

Das Modernisierungspaket wird durch zwei neue Wetterschutzhäuser, dynamische Zugzielanzeiger, neue Bahnsteigausstattung sowie taktile Wegeleitung für Sehbehinderte ergänzt. Zudem wird eine neue Zuwegung zu der Bahnhofsstraße gebaut. Bund, Land und DB investieren rund 1,8 Millionen Euro.

Im Auftrag von NahSH will Erixx Holstein die Strecke von Lübeck bis Lüneburg mit den Akku-Zügen der Firma Stadler bedienen. 
Im Auftrag von NahSH will Erixx Holstein die Strecke von Lübeck bis Lüneburg mit den Akku-Zügen der Firma Stadler bedienen.  © BGZ | Stadler.

Geplant ist, im Spätsommer 2023 die Modernisierungsmaßnahme in Echem abzuschließen. Teilweise gesperrt ist die Strecke vorerst nur bis 28. April. Die meisten Bauarbeiten finden nachts statt, um den Zugverkehr so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Ein Ersatzverkehr per Busse ist organisiert, zudem pendelt eine Zug zeitweilig auf einer Teilstrecke.