Büchen. Etwa 150 Polizeibeamte waren im Einsatz. Was der Pächter sagt und den Anhängern des Zweitliga-Clubs nun droht.
Anhänger des FC Hansa Rostock hielten am Sonntagabend, 12. März, in Büchen die Polizei in Atem. Nachdem der Zug aus Lüneburg wenige Minuten zu spät in Büchen angekommen war, verpassten die etwa 350 Fans den Anschlusszug Richtung Rostock. Statt zu warten, machten sich etwa 100 Fans auf den Weg zur Star-Tankstelle an der Raiffeisenstraße. Vor den Augen einer geschockten Mitarbeiterin bedienten sich die ungebetenen Kunden aus den Regalen und zogen – ohne die Speisen und Getränke zu bezahlen – wieder ab.
Nach dem Auswärtsspiel gegen Hannover 96, das 1:1 endete, deutete zunächst nichts auf irgendwelche Zwischenfälle hin. Bundespolizisten hatten die Rostocker im Zug begleitet. „Die Lage war ruhig. Besondere Vorkommnisse gab es nicht“, sagt der Sprecher der Bundespolizei in Kiel, Michael Hiebert. Der Zug aus Hannover war um 19.07 Uhr in Büchen eingetroffen, hatte den Regionalexpress von Hamburg nach Rostock wegen einer Verspätung in Lüneburg verpasst. Bereits um 19.15 Uhr trafen drei Streifenwagen der Landespolizei an Bahnhof ein, um die Lage unter Kontrolle zu behalten.
Hansa-Rostock-Fans vermummten sich vor dem Laden
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits an die 100 Fans auf den Weg zur Star-Tankstelle gemacht. „Ich hatte noch die Regale aufgefüllt. Das mache ich immer so, bevor ich den Shop zum Schluss noch wische“, sagt die Mitarbeiterin. Dann kamen zunächst vier Hansa-Fans herein, kauften Zigaretten und Süßes. Noch während die 19-Jährige die Kunden abkassierte, kamen weitere Rostocker herein. Der knapp 60 Quadratmeter große Shop war plötzlich rappelvoll.
„Es war wie eine schwarze Wand“, beschreibt die 19-Jährige ihre Eindrücke: Sie habe keine Gesichter erkennen können, weil die Täter sich mit Kapuzen und Tüchern vermummt hätten. Auf dem Überwachungsvideo ist zu erkennen, wie die Täter sich vor dem Laden Mützen, Kapuzen und Tücher überzogen.
Hansa-Fans plündern Tankstellen-Regale
Zunächst sei ihr völlig unklar gewesen, was die Hansa-Fans vorhatten, dann sah sie erste Fans mit Flaschen, Chipstüten und Süßigkeiten nach draußen gehen und rief geschockt ihren Chef an. Mathias Reich ist seit 1989 Pächter der Star-Tankstelle, doch so etwas habe er noch nicht erlebt. „Ich war wenige Minuten nach dem Anruf da“, sagt Reich. Da seien die Täter schon wieder verschwunden gewesen, dafür war die Polizei da. „Die Beamten haben sich wirklich toll um uns gekümmert“, sagt Reich, der den Schaden noch genau ermitteln muss.
Er geht von rund 1500 bis 2000 Euro aus, die Polizei gab zunächst 300 Euro an. Auf dem Überwachungsvideo der Tankstelle ist zu sehen, wie die Täter ganze Regale mit Softgetränken, Bier, Chips und Süßigkeiten leer räumen. „Alles, was man für eine abendliche Party braucht“, sagt Reich und schüttelt den Kopf. Er habe früher auch Fußball gespielt, sein Sohn sei als Motocrosser bei Rennen in Mecklenburg gestartet: „Aber so etwas wäre uns nie in den Sinn gekommen.“ Dabei habe Hansa Rostock in Hannover doch sogar ein Unentschieden erreicht, so Reich: „Nicht auszudenken, was die gemacht hätten, wenn sie verloren hätten.“
Kunde bringt Blumen für die Mitarbeiterin vorbei
Sie habe in der Nacht kaum ein Auge zugetan, sagt die 19-jährige Mitarbeiterin. Wieder und wieder sei sie die Ereignisse mit ihren Eltern durchgegangen. Die Schülerin, die gerade ihr Abitur macht, arbeitet seit zwei Jahren als Aushilfe im Tankstellenshop. „Sonst sind die Sonntagsdienste immer sehr ruhig“, sagt sie, als sie mit ihrer Mutter am Montagvormittag noch einmal in der Star Tankstelle vorbeischaut.
Eine Mitarbeiterin hatte angerufen und ihr gesagt, dass ein Kunde, der von der Tat gehört hatte, spontan einen Blumenstrauß für die junge Frau vorbeigebracht habe. Da sind ihre Kolleginnen noch immer dabei, die leer geräumten Regale wieder aufzufüllen. Glück im Unglück: Sachschäden gab es beim Beutezug der Hansa-Fans nicht, die auch beim Auswärtsspiel gegen den FC St. Pauli für Ausschreitungen gesorgt hatten.
Überwachungskamera lieferte Bilder vom Tatverlauf
„Nach Eingang des Notrufes wurden zunächst Einsatzkräfte der Bundespolizei und der Landespolizei nach Büchen geordert. Außerdem kam Verstärkung unter anderem von den Polizeistationen aus Büchen, Lauenburg und Ratzeburg hinzu. Innerhalb kurzer Zeit waren 150 Polizeibeamte an der Tankstelle im Einsatz“, so Hiebert.
Pech für die Randalierer: Die Überwachungskamera der Tankstelle hat die Diebstähle aufgenommen. „Wir haben vor dem Bahnhof eine sogenannte Bearbeitungsstraße aufgebaut. Viele Täter waren auf den Bildern der Überwachungskamera gut zu erkennen“, so der Polizeisprecher. Von 40 Personen wurden noch vor Ort die Personalien aufgenommen. Der Zug Richtung Rostock, der eigentlich 20.58 Uhr abfahren sollte, fuhr mit einer halben Stunde Verspätung ab.
Für die ausgerasteten Fans dürfte die Sache aber noch ein Nachspiel haben: Neben einer Anzeige wegen Diebstahls droht ihnen eine sogenannte Gefährdungsansprache durch die Polizei. Die kann ausgesprochen werden, wenn von einer Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Im schlimmsten Fall droht den Randalierern ein bundesweites Stadionverbot. Die Polizeistation Büchen hat die weiteren Ermittlungen aufgenommen und wertet dazu die Aufnahmen aus der Überwachungskamera aus.