Lauenburg. Es gibt nicht mehr Konsumenten und Dealer. Dafür kommen aber auch 14-Jährige an Drogen. Welche Probleme es noch gibt.
In der offiziellen Kriminalstatistik der Polizeidirektion Ratzeburg für das Jahr 2020 steht: „Die Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden, ist in Lauenburg mit einer Häufigkeitszahl von 7981 am höchsten.“ Man könnte außerdem meinen, Lauenburg sei eine Hochburg der Drogenkriminalität. Wurden 2019 insgesamt 16 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BMG) erfasst, stieg die Zahl dieser Delikte im darauffolgenden Jahr auf fast das Dreifache. Im gesamten Kreis betrug der Anstieg der BMG-Verstöße dagegen nur 7,8 Prozent.
Der Ausschuss für Bürgerangelegenheiten wollte wissen, was hinter den Zahlen steckt. Zur Sitzung am Dienstagabend waren Lauenburgs Polizeichef Daniel Stephan und Straßensozialarbeiter Sven Stroetzel eingeladen.
Kriminalität: Lauenburg ist kein Drogenhotspot
Auch wenn Hauptkommissar Stephan erst seit September vergangenen Jahres die Lauenburger Polizeistation an der Alten Wache leitet, kennt er sich mit der Materie bestens aus. Kein Wunder: In Schwarzenbek war Jugendkriminalität viele Jahre lang sein Tätigkeitsschwerpunkt. Deshalb weiß er auch: Lauenburg ist – verglichen mit den anderen Städten im Kreis – kein besonderer Drogenhotspot.
Den starken Anstieg der BMG-Delikte innerhalb eines Jahres beurteilte er übrigens keineswegs negativ. „Je aktiver die Polizei im Bereich Drogenkriminalität ist, desto höher sind natürlich die Fallzahlen“, sagte er.
Die Drogenszene in Lauenburg hat sich verändert
Sven Stroetzel arbeitet seit 2007 als Streetworker in Lauenburg. Auch er hat in den vergangenen Jahren im Stadtgebiet keinen zahlenmäßigen Anstieg von Konsumenten oder Dealern feststellen können. Trotzdem hat er eine alarmierende Beobachtung gemacht: „Die Szene hat sich seit etwa fünf Jahren verändert.
Bis dahin hatten die Verkäufer eine Art Ehrenkodex: Keine Abgabe an Jugendliche bis zu einem bestimmten Alter. Heute ist es kein Problem für 14-Jährige, in Lauenburg an Cannabis oder Speed zu kommen“, hat er festgestellt. Harte Drogen wie Heroin würden in Lauenburg bisher kaum eine Rolle spielen.
Diskussion um Legalisierung von Cannabis erschwert Prävention
„Die jungen Leute, die auf diese Weise in die Drogensucht getrieben werden, sind doch Opfer. Welche Präventionsarbeit leistet denn die Polizei?“, wollte Behindertenbeauftragter Siegfried Betge wissen. Das Problembewusstsein in den Schulen sei gewachsen und die Zusammenarbeit gut, berichtete Stephan. In der Polizeidirektion Ratzeburg gebe es außerdem geschulte Beamte, Mitarbeiter für Prävention, die auch in den Unterricht gehen.
Allerdings seien die Gespräche mit Jugendlichen über die Gefahren von Drogen nicht einfacher geworden. „Angesichts der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis ist es für viele Jugendliche überhaupt kein Problem mehr, ein paar Joints zu rauchen“, so der Polizeichef. Er und seine Kollegen setzen deshalb vor allem auf den Kontakt zu den Eltern. „Wer erwischt wird weiß, dass wir zu Hause erscheinen“, sagt er.
Durch Corona werden mehr Rauschmittel konsumiert
Eine Frage, die alle Ausschussmitglieder bewegte: Hat der Drogenkonsum seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen? Zahlenmäßig könne man das nicht belegen, waren sich Streetworker und Polizeichef einig. „Ich habe nicht das Gefühl, dass der Personenkreis größer geworden ist, aber dass diese Menschen mehr Rauschmittel als früher konsumieren als früher“, sagte Stroetzel.
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Das beträfe übrigens nicht nur Jugendliche, sondern auch Menschen in höherem Lebensalter. Dass die veränderten Lebensumstände während der Pandemie zu einer Zunahme häuslicher Gewalt in Lauenburg geführt hätten, wäre bisher weder aus Sicht der Polizei noch des Sozialarbeiters nachweisbar.
„Dramatische Lage“ bei Wohnungssuche und Jobcenter
Als „dramatisch“ bezeichnete Sven Stroetzel dagegen die Lage von vielen jungen Menschen, die in Lauenburg auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Er ist Ansprechpartner für die Altersgruppe zwischen 14 und 27 Jahren. „Vor acht Jahren war es hier noch einfach, eine Wohnung zu finden, wenn die Miete durch das Jobcenter übernommen wird. Das hat sich geändert“, berichtete er.
Es gebe eine wachsende Zahl von Wohnungslosen, die nicht auffallen, weil sie eine Zeit lang bei Bekannten wohnen. „Wenn die von ihrem Dauergast die Nase voll haben, stehen die Jugendlichen bei mir auf der Matte. Aber meist kann ich nicht helfen. Eine Auffangeinrichtung für gestrandete Menschen gibt es im Kreis leider nicht“, bedauert er.
Streetworker: Lauenburg braucht ein Jobcenter
Ein weiteres Problem, das dem Streetworker unter den Nägeln brennt, wird seit Jahren diskutiert: Als einzige Stadt im Kreis gibt es in Lauenburg keine Außenstelle des Jobcenters. „Man meint wohl, jeder kann sich in den Bus setzen und nach Geesthacht fahren. Aber das ist teuer. Und selbst in Notlagen reicht nur ein Besuch im Jobcenter nicht“, berichtete er.
Wer sofortige Hilfe braucht, müsse zunächst einen Antrag auf das Antragsformular stellen. Und ohne Termin ginge derzeit nichts. Da es sich herumgesprochen hat, dass sich der Streetworker nicht einfach abwimmeln lässt, ist er mittlerweile als Begleiter Dauergast im Jobcenter – und Fahrer für viele Betroffene.