Geesthacht. Er liegt versteckt im Wald bei Edmundsthal. Der Zugang ist versperrt. Kaum jemand weiß, was es mit dem Bauwerk auf sich hat.
Er liegt versteckt im Wald bei Edmundsthal auf einer kleinen Kuppe. Ungefähr auf halber Strecke zwischen dem leer stehenden Thekla-Haus und dem Susannen-Haus der ehemaligen Lungenheilanstalt. In Letzterem ist heute die Vamed-Klinik beheimatet, eine neurologische Reha-Klinik für Kinder und junge Erwachsene. Beide Gebäude sind von der kleinen Anhöhe aus zumindest im Frühjahr zu sehen. Im Sommer versperrt eine dichte Blätterwand die Sicht. Die Rede ist von einem alten Aussichtsturm, der selbst bei alteingesessenen Geesthachtern in Vergessenheit geraten ist. Das ist die Geschichte dahinter.
Der Turm an sich ist vielleicht zehn bis zwölf Meter hoch. Oben befindet sich eine sechseckige Aussichtsplattform. Der Turm thront auf einem zylindrischen Fuß, der geschätzte sechs Meter misst. Außen führt eine ringförmige Treppe hinauf. Zwei Metallgitter in unterschiedlicher Höhe versperren den Zugang. Wobei ein verlassener Spanngurt darauf hindeutet, dass das Verbot schon umgangen wurde. An einer Seite des grün-gestrichenen Zylinders befindet sich ein offensichtlich jüngerer Backsteinanbau. Überall sind Graffiti aufgesprüht.
Lost Place im Edmundsthal: die Geschichte der Susannenhöh
Im Stadtgebiet gibt es einige solcher vergessenen Orte (Lost Place), die vor allem im Zusammenhang mit der früheren Dynamitfabrik Krümmel und der Düneberger Pulverfabrik stehen. Doch auch Edmundsthal-Siemerswalde ist ein geschichtsträchtiges Gebiet. Die Lungenheilanstalt wurde so getauft, weil sie der Hamburger Kaufmann und Reeder Edmund Siemers 1896 der Hansestadt gestiftet hatte. Jener Siemers, nach dem auch die Allee vor der Universität benannt ist.
Doch während die Gebäude, die die Namen von Siemers’ Frau (Susanne) und Kindern (Thekla, Hans, Kurt) tragen, den Menschen vor Ort geläufig sind, wissen über den Turm selbst diejenigen, die über große Geschichtskenntnisse verfügen, nur wenig bis nichts. Geesthachts Archivar Jan Klußmann etwa teilt auf Anfrage mit, dass er konkrete Angaben zu Baujahr, Bauherr oder Eigentümer des Turms nicht ermitteln konnte.
Heimatbund und Geschichtsverein hat Postkarte von einem Aussichtspavillon
Es gebe im Archiv aber eine größere Anzahl von Akten mit Baugenehmigungen/-fertigstellungen, Sammelakten zu Bauanträgen und Ähnliches der städtischen Bauaufsicht von etwa 1950 bis 1977, die vielleicht Hinweise enthalten.
Der vergessene Aussichtsturm ist aber schon älter. „Da war mal ein Aussichtspavillon, der Susannenhöh hieß“, weiß Helmut Knust, Vorsitzender vom Heimatbund und Gesichtsverein Geesthacht. Er beruft sich auf zwei Ansichtskarten aus dem Fundus des Vereins. Die Postkarte mit dem Aussichtspavillon trägt einen Poststempel aus dem Jahr 1914. Ein „Blick vom Aussichtsturm“ ist mit einem Poststempel von 1926 versehen. Mehr über den Turm weiß Knust nicht.
Licht ins Dunkel bringt erst Bergedorfs Förster
Details zum Turm kann auch die Vamed-Klinik nicht nennen. Sie verweist auf die Sprinkenhof GmbH, über die der Verkauf der Grundstücke läuft, die heute immer noch im Besitz der Hansestadt Hamburg sind. Etwa des Thekla-Hauses, in dem sich die Oekogeno-Genossenschaft ein inklusives Mehrgenerationen-Wohnhaus vorstellen kann.
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Sprinkenhof hat die Info, dass „unseres Wissens nach“ die Försterei des Bezirksamts Bergedorf das Gebäude betreuen soll. Bergedorfs Förster Tim Laumanns kann dann tatsächlich weiterhelfen. „Die Türen und Tore wurden 2015 vermauert und der Treppenaufgang verschweißt. Dieses ist aus der Verkehrssicherung heraus zwingend, da der Turm baufällig ist. Das Baujahr ist uns nicht bekannt“, so die Antwort vom Bezirksamt. Allerdings sei der Turm wohl denkmalgeschützt – der entscheidende Hinweis.
Früher autarke Wasserversorgung in Lungenheilanstalt
In der Denkmalliste des Landesdenkmalamts Schleswig-Holstein ist der Aussichtsturm tatsächlich unter der Objektnummer 34369 gelistet. Aus der Beschreibung geht hervor, dass 1911 auf der Kuppe des Kirchsteigsbeckbergs ein zylindrischer Behälter mit einem Fassungsvermögen von 200.000 Litern gemauert und verputzt wurde. Darauf wurde 1914 ein gerüstartiger Stahlgitterturm mit hexagonaler Plattform gesetzt samt außenumlaufender Stahltreppe. Der jüngere Backsteinanbau unbekannten Datums diente als Pumpenraum mit zusätzlichem Tank. Damit und dem Zylinderbau wird klar, dass sich die Klinik Edmundsthal-Siemerswalde einst autark mit Wasser versorgte. Der schlechte bauliche Zustand sei auf fehlende Nutzung (seit 1990) und Vandalismus zurückzuführen.