Geesthacht. Trockenheit, Pilze und immer mehr Verletzungen durch Lkw: Geesthachts Bäume sind unter Stress. Welche Gefahr Essiggeruch anzeigt.
Geesthachts Bäume haben ein Problem: Sie sind nicht nur zunehmend Trockenheit ausgesetzt, sie werden auch immer häufiger angefahren. „Wir haben die Schwierigkeit, dass die Fahrzeuge immer größer werden“, sagt Franko Stein vom Geesthachter Fachdienst Umwelt. Gerade durch mit Containern beladenen Lkws komme es mittlerweile immer wieder zu Anfahrtsschäden hoch oben im Kronenbereich.
Und nicht nur dort: „Es ist häufig so, dass ein Baum nicht gerade gewachsen ist, sondern schräg steht in die Fahrbahn hinein“, berichtet Franko Stein. „Da haben wir auch immer mehr Schäden.“ Es sind mittlerweile so viele, dass die Stadt sich mit einem Appell an die Verursacher wendet.
Noch nie so viele Schäden an Bäumen in so ausgeprägter Form wie jetzt
Die Schäden reichen von kleinen Kratzern bis hin zu schweren Verletzungen der Bäume. „Anfahrschäden gab es schon immer, aber nicht in dieser ausgeprägten Form wie derzeit. Wurden früher meist eher Äste abgefahren und nur die unteren Stammbereiche, haben wir heute immer größere Probleme, vor allem durch immer größere Auflieger und Lkws mit Anhänger“, erläutert die Stadtverwaltung.
Die Schäden gebe es vor allem in den Baumalleen wie in der Mühlenstraße und im Hechtholz, an der Rudolf-Messerschmidt-Straße und auch Am Spakenberg sowie in schmalen Straßen wie der Waldstraße. Die Stadtverwaltung bittet deshalb besonders Lkw-Fahrer, sich dieses Problem bewusst zu machen und langsam und vorsichtig zu fahren, gerade auch in der Nähe von Bäumen. Und wenn trotzdem ein Baum touchiert wurde, den Vorfall sofort zu melden. Dies helfe, Folgeschäden am Baum zu vermeiden.
Die Daten über jeden Straßenbaum in Geesthacht sind im Tablet aufrufbar
Aber nicht nur der Autoverkehr, auch andere Faktoren sorgen für Stress unter Geesthachts Bäumen. Niemand weiß über deren Zustand besser Bescheid als Dirk Pretzsch und Robert Motzkus. Die beiden zertifizierten Baumpfleger haben jüngst allerneueste Software über den Baumbestand auf ihre Tablet-PCs bekommen.
Jeder Baum, der im Stadtgebiet an einer Straße steht, ist hier in einem digitalen Kataster eingetragen. Gut 7000 sind es, die Bäume auf privaten Grundstücken bleiben außen vor. Nicht im Kataster, aber trotzdem kontrolliert werden zudem Bäume an Wald-, Wander- oder Wirtschaftswegen, das sind noch einmal gut 8000 Stück.
Bäume mit Pilzbefall werden halbjährlich kontrolliert
Dirk Pretzsch und Robert Motzkus suchen zur Visite jeden einzelnen Straßenbaum mit ihrem Tablet auf, um sich über seinen aktuellen Zustand klar zu werden – und über die Maßnahmen, die zu ergreifen sind. Die beiden übernehmen die Kontrolle, die Baumarbeiten selbst werden an externe Firmen vergeben.
2002 hat die Digitalisierung der Straßenbäume begonnen. Beim Klick öffnet sich die Ordnerstruktur mit der Baumnummer und dem Datum der letzten Kontrolle. „Wir finden alles zu Wurzel, Stamm, Krone oder auch zur Kronensicherung, zum ganzen Baumbild“, erklärt Dirk Pretzsch. Die Straßenbäume werden jährlich gecheckt, alle zwei Jahre müssen die Jungbäume zum Baum-TÜV.
In Spechtlöcher wird mit einer Kamera gespäht
Geguckt wird nicht nur nach Schädlingsbefall, sondern auch nach Fledermäusen und brütenden Vögeln. Um in Spechtlöcher hineinzuschauen, wurde eine Kamera angeschafft. Entdecken sie einen Pilz, wird eine halbjährliche Kontrolle nötig. Auch die Maßnahmen, die Dirk Pretzsch und Robert Motzkus aufgrund ihrer Expertise empfehlen, sind festgehalten.
Die erfahrenen Baumpfleger arbeiten aber nicht nur mit dem Tablet: Mit einem Hämmerchen, einem geschulten Ohr, einer guten Nase oder eine Naturbeobachtung lässt sich schnell herauszufinden, was unter des Baumes Rinde steckt. Die Raupe des Weidenbohrers etwa verrät sich durch einen starken Essiggeruch an den Löchern. Und wenn Ameisen Holz aus einem Stamm tragen, wissen die beiden: Ihn hat die Fäule von innen aufgefressen. Auch der Hammer-Einsatz „wie bei einer Bongo-Trommel“ entlarvt durch ungesunde Töne Fäulnis im inneren. Genaueres lässt sich mit einem Wunduntersuchungsbohrer feststellen.
Bäume trennen sich von Ästen, die sie nicht mehr versorgen können
Vor allem aber die Trockenheit macht Bäumen Stress. Starkregen nützt ihnen nichts, weil es zu schnell abfließt. „Die sind darauf angewiesen, was sie von unten holen“, sagt Franko Stein. „Mit Düngen kann man viel machen, aber Wasser ist das A und O“.
So nehme das Totholz zu wegen der Trockenheit. Die Bäume trennen sich von Ästen, die sie nicht mehr versorgen können. Linden zeigen das bereits im Herbst an durch die Blattfärbung, dass ein Ast nicht mehr austreiben wird. Und bei Pappeln am Elbwanderweg sei es mitten im Sommer zu einem spontanen Grünastabwurf gekommen.
Oder gleich der ganze Baum geht ein. Franko Stein findet es aktuell besonders erschreckend, dass große Eichen schnell abstürben, die vor einem Jahr noch richtig gut ausgesehen hatten. „Du siehst, wie die Knospen eigentlich aufgehen möchten, aber nicht können.“ Auch ihnen fehlt im Frühjahr das Wasser.
Birken entwickeln eine tödlichen, schwarzen Ausfluss
Ein geschwächter Baum ist ein Angriffsziel von Pilzen, Insekten und Bakterien. Dass die Kastanien wegen eines Bakteriums absterben, ist bekannt. Aber nun trifft es auch die Birken. „Wie haben einen schwarzen Ausfluss an ihnen festgestellt, und im nächsten Jahr oder sogar noch im selben Jahr sterben die einfach ab“, sagt Dirk Pretzsch. Noch sei die Ursache unbekannt. Vor allem der Neue Krug ist betroffen, aber auch schon die Hansastraße.
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Da Nachpflanzen nach Fällungen oft sehr schwierig durchzuführen sind wegen der ganzen Leitungen im Erdreich, werden Bäume so lange gehalten, wie es wegen der Sicherheit zu verantworten ist. „Wir lassen tote Bäume dann oft auch stehen aus Habitatschutz, wenn er ein Rückzugsgebiet und Biotop ist für Insekten und Fledermäuse“, erklärt Robert Motzkus. Trotz aller Probleme: Auf einer Notenskala von eins bis vier sei die Qualität der Stadtbäume „insgesamt bei einer zwei, würde ich sagen“, meint Dirk Pretzsch.