Geesthacht. Elf Frauen haben die erste Truckerinnen-Ausbildung am VBZ beendet. Wie sie sich in der einstigen Männerdomäne behaupten.

13 Frauen hatten im März als erste „Truckerinnen-Klasse“ des Verkehrs- und Berufsbildenden Zentrums (VBZ) angefangen, elf haben die Ausbildung nun beendet. Darunter sind Sarah Larsen aus Geesthacht und Rebecca Kock aus Lauenburg. Beide sind alleinerziehend und haben postwendend eine Anstellung bekommen als Fahrerinnen bei der Spedition CaRo Line aus Schwarzenbek. „Das Fahrgeschäft ist schon längst keine Männerdomäne mehr“, sagt Chef Carsten Rohde.

Die erste Fahrschulklasse nur für Frauen in Geesthacht

Unter seinen 38 Fahrern sind in jüngster Zeit fünf Frauen hinzugekommen. Das Geschäft boomt, Fahrer werden händeringend gesucht. Die 23 Trucks sind in ganz Norddeutschland aktiv, zudem in Belgien und Holland. „Je mehr Fahrer, desto mehr kannst du wachsen“, sagt Rohde. Sein Unternehmen will wachsen, er lobt den guten Kontakt zum Jobcenter und VBZ.

Dort erinnert man sich an Sarah Larsen als „Überfliegerin“, lobt VBZ-Büroleiter Karsten Renner. Sie benötigte zusätzlich zu den Pflichtstunden nur zehn Übungsfahrten plus sieben mit Anhänger. Insgesamt also 17 Stunden.

Keine Angst vor der ersten Fahrt alleine

Das ist spitze, ansonsten gelten 28 Stunden als guter Schnitt, wie ihn Rebecca Kock erreichte. Deren Sohn Fabian (3,5 Jahre alt) wird in der Kita betreut, wenn die Mama in Billbrook ihren Truck startet. Nachmittags holt sie ihn wieder ab. Sie transportiert von der Firma Noerpel aus Gefahrgut, fährt nach Elsdorf zwischen Hamburg und Bremen, weiter nach Henstedt-Ulzburg und zurück.

Nur mit einer Bewertung ihres Gefahrgutes von unter 1000 Punkten darf sie durch den Elbtunnel fahren. „Eine Ladung Nagellack etwa wird mit 400 Punkten bewertet, ätzender Löchkalk ist schon im fünfstelligen Bereich“, sagt Rohde. „Lampenfieber hatte ich nicht vor der ersten Fahrt“, berichtet Rebecca Kock. „Aber es ist natürlich schon etwas anderes als in der Fahrschule“. Sie hatte bereits in einem Mercedes Sprinter als Transportfahrerin gearbeitet.

Sarah Larsen fährt nachts nach Berlin und zurück

Während die Tagschichtfahrer täglich etwa 200 Kilometer im Durchschnitt abrollen, kommt die Nachtschicht auf 700 Kilometer. Sarah Larsen fährt nur nachts – auf eigenen Wunsch. Am Dienstag erst war sie in Berlin. Auch sie hatte früher Transporte gefahren, zudem war ihr mittlerweile verstorbener Vater Trucker, der Bruder ist es auch.

Sie kennt die Branche also und nahm die Premierenfahrt ebenso cool. „Den Busführerschein hätte ich auch gern noch gemacht, um meine Führerscheinsammlung voll zu machen“, sagt sie lachend. Nun hat sie den Motorrad- und einen Bootsführerschein im Visier.

Der Truck soll rund um die Uhr laufen

„Die Könige der Nacht sind wir“, sagt Sarah Larsen. „Wir bilden eine richtige Community“. Ihr Mercedes Actros hat 450 PS und ist mit LED-Leisten individuell beleuchtet, die Nachtfahrer erkennen sich daran schon vom Weiten und begrüßen sich.

Sarah Larsen steht auf lila Licht. Sie hat auch das klassische Namensschild am Lkw, sowie einen Spitznamen: „Latschen-Chantal“. Sie übernimmt ihren Wagen von einem Tagschichtfahrer, aus ökonomischen Gründen soll der Truck möglichst rund um die Uhr laufen. Der Tank fasst 500 Liter, das reicht für zwei bis drei Tage. Der Verbrauch liegt bei 28 Litern auf 100 Kilometer.

Gespräche unter den Fahrern halten sie wach

Gestartet wird gegen 19 Uhr vom GLS-Standort im Gewerbegebiet in Neuallermöhe. Von Berlin geht es zurück über Neustadt-Glewe nach Neuallermöhe. Um 19 Uhr ist Abfahrt, gegen 4.40 Uhr ist Feierabend. Wenn nichts dazwischenkommt.

Vor ein paar Tagen war kurz hinter Berlin Schneechaos, da ging es nur mit 40 Stundenkilometern weiter. Probleme mit der Müdigkeit hat Sarah Larsen nicht. „Wenn ich eine Aufgabe habe, bin ich fit.“ Zudem wird die Fahrzeit mit Gesprächen „verkürzt“, neben Handygruppen wie den Nightflyern gibt es auch noch CB-Funk.

Schlafen bis der Sohn aus der Schule kommt

Zurück in Geesthacht geht Sarah Larsen mit den Hunden Gassi, Sohn Santiago – übernachtet bei der Oma nebenan – wird zum Schulbus gebracht. Um 10.30 Uhr kann sie sich hinlegen, um 15 Uhr steht sie wieder auf, dann ist Santiago aus der Grundschule zurück.

„Frauen sollten sich einfach trauen, Kinder stellen bei uns kein Hindernis für eine Ausbildung da“, sagt Karsten Renner. Der Beruf des Lkw- oder Busfahrers ist keine Schwerstarbeit, die ersten Stunden werden auf einem Simulator absolviert. Er verspricht beste Perspektiven, eine Förderung durch das Jobcenter ist möglich. „Wir machen einen maßgeschneiderten Plan im Baukastenprinzip, die Ausbildung ist auch in Teilzeitschritten möglich. Und wir kümmern uns um die Nachbetreuung, damit jeder einen Job bekommt.“

Das gilt natürlich auch für alleinerziehende Väter. Gerade wird einer ausgebildet.