Geesthacht. Nach 40 Jahren als Kantor und Organist geht der Vollblutvirtuose in den Ruhestand. Warum er keine Angst vor Rockern haben muss.

Was Gregor Bator in diesem Jahr zu Weihnachten machen wird, steht für ihn schon fest. Es wird für den im ganzen Umland bekannten Kantor und Organisten der Düneberger Christuskirche der reine Luxus sein, etwas, das er nie hatte tun können in all den vergangenen vier Jahrzehnten. Gregor Bator wird dann mit seiner Mutter im Danziger Dom auf der Kirchenbank Platz nehmen, um dort entspannt den Klängen des dortigen Organisten zu lauschen.

Die Weihnachtszeit und ganz besonders der Heiligabend – das waren für ihn immer stressige Arbeitstage gewesen. In diesem Jahr nicht. Der Kirchenmusiker hat keinen Urlaub genommen – er wird dann seine Laufbahn beendet haben. Am 1. November geht Gregor Bator mit 66 Jahren in den Ruhestand, zuvor steht am Sonntag, 9. Juli, noch die Feier zum 40-jährigen Dienstjubiläum an in der Christuskirche am Neuen Krug. Ein Nachfolger wird gesucht, die Stelle ist ausgeschrieben.

Kantor Gregor Bator geht in Rente: Orgelanfänge im Danziger Dom

Nach dem Gottesdienst am Sonntag um 10 Uhr gibt es einen Empfang. „Was geplant ist, wird eine Überraschung. Ich weiß nur: Die Kantorei singt“, sagt der Jubilar. Er steht auch für Beständigkeit in der Gemeinde. „Thomas Heisel ist der siebte Pastor, den ich erlebe“, erklärt er. Genaugenommen ist Gregor Bator bereits seit 1982 als Kantor im Amt, zunächst nur auf Honorarbasis. Er zog vors Arbeitsgericht. Mit Erfolg. Seit dem 1. Juli 1983 ist er fest angestellt.

Gregor Bator wurde 1957 in polnischen Thorn geboren, beendete 1980 das Studium an der Musikakademie Danzig mit Orgelkonzertexamen, Magister Artium und Auszeichnung. Dem schloss sich nach der Übersiedlung nach Deutschland im Sommer 1981 als Spätaussiedler von 1984 bis 1986 ein Studium der Kirchenmusik an der Musikhochschule Lübeck an. „1985 sind wir nach Geesthacht gezogen, haben erst im Moorviertel gewohnt, vier Jahre später ein eigenes Haus gekauft. Da habe ich gedacht: Jetzt hast du Wurzeln geschlagen. Wir sind sesshaft geworden“.

Mit dem Flügel war das halbe Wohnzimmer vollgestellt

Der Platz im Haus langte trotzdem nicht, um einen gespendeten Blüthner-Flügel aus der Geesthachter Teppichfabrik aufzustellen. „Das halbe Wohnzimmer war voll. Mein Frau legte ein Veto ein. Er steht jetzt für Konzerte im Stadthauptmannshof in Mölln. Ich habe ihm sehr, sehr lange nachgetrauert“, erzählt Gregor Bator. Der Besuch des Danziger Doms ist eine Rückkehr an eine alte Wirkungsstätte. Elf Jahre lang spielte er als Konzertorganist auf der größten Orgel Polens und der zweitgrößten in Europa in der Kathedrale von Danzig-Oliwa. „Selbst noch am letzten Tag vor der Abreise“, erzählt Gregor Bator. Von 1970 bis 1981 kamen so mehr als 10.000 Konzerte für Touristen und Staatsbesuche zusammen, er durchwanderte dabei die gesamte Orgelliteratur.

Christuskirche am Neuen Krug in Düneberg. Geesthacht.
Christuskirche am Neuen Krug in Düneberg. Geesthacht. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Wobei er durchaus seine Vorlieben hat. „Johann Sebastian Bach ist mein Idol, zeitlich ist Max Reger (1873-1916) die Grenze, da gibt es richtige Knaller“, findet Gregor Bator. Jüngere Kompositionen für Orgel wie von Olivier Messiaen (1908-1992) „sind nicht so mein Ding“. Schon sein Vater war Organist im Danziger Dom. „Mit sechs Jahren habe ich mit Klavierunterricht angefangen, die Orgel kam learning by doing dazu, das habe ich mir beim Vater abgeguckt – die französische Schule mit dem Einsatz der Hacke auf den Pedalen“, erklärt er.

Eine halbe Stunde Orgel, dann eine halbe Stunde Fremdenführer

Mit 13 Jahren dann saß er selbst auf der Empore an den Tasten. „Bis 14 Uhr war ich in der Schule, dann habe ich ein Taxi genommen und bin zum Dom gefahren“. Der Job war geteilt: „Eine halbe Stunde Orgelmusik, dann eine halbe Stunde Fremdenführer. Manchmal achtmal am Tag.“

Gregor Bator spielte Sommerserenaden beim Kultursommer, begann, auf der Orgel auch Jazz zu spielen – „,die verbotenen Frucht’, hieß es in meiner Ausbildungszeit“, sagt er mit schelmischem Lachen. Und immer wieder auf Hochzeiten und Trauerfeiern. „Ich habe bestimmt auf über 9000 Beerdigungen im ganzen Umland gespielt“, schätzt er.

Hardrocker waren über Orgelspiel auf Trauerfeier begeistert

Das führte zu einer unerwarteten Begebenheit in der Geesthachter Fußgängerzone. „Vor 20 Jahren steuerte ein stämmiger Hardrocker vor Zigarren Fries auf mich zu und packte mich“, erzählt Gregor Bator. Während er noch überlegte, wo er den vierschrötigen Kerl beleidigt haben könnte, löste sich die Szene in Wohlgefallen auf. Der Mann bedankte sich emotional hoch bewegt dafür, „wie toll er mein Orgelspiel auf der Trauerfeier für einen Freund gefunden hatte“.

Hintergrund: Gregor Bator hatte 2001 auf der Beisetzung eines Motorradfahrers aus dem Kreis des Bikertreffs in der Gaststätte Mückenbach auf dem Waldfriedhof gespielt. Der Musikwunsch war ein Heavy-Metal-Stück gewesen, das Gregor Bator zum Einüben auf CD vorher zugeschickt worden war. Die Vorstellung war dann offenbar für die sonst musikalisch auf eine härtere Gangart stehenden Biker höchst beeindruckend gewesen.

Bildband fotografiert als Gastgeschenk für Geesthachts Partnergemeinden

Ein zweites künstlerisches Standbein für Gregor Bator ist die Fotografie – die ihn auch zur Lauenburgischen Landeszeitung brachte. Im Februar 1987 machte er eine Ausstellung in der Geesthachter Stadtbibliothek. Gregor Bator kam mit einem LL-Redakteur ins Gespräch, erfuhr, dass die Zeitung jemanden suchte, der über eine Aufführung des Brahms-Requiems als Kritiker schreiben sollte. Derjenige wurde natürlich Gregor Bator – sein Debüt im Journalismus.

Überraschendes Geesthacht: 2008 erschien der Bildband mit Fotos von Gregor Bator (links) in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Stadtarchivar William Boehart.
Überraschendes Geesthacht: 2008 erschien der Bildband mit Fotos von Gregor Bator (links) in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Stadtarchivar William Boehart. © BGZ / Kai Gerullis

Und der jüngste Geesthacht-Bildband stammt zur Hälfte auch von ihm. „Überraschendes Geesthacht“ von 2008 entstand gemeinsam mit dem ehemaligen Stadtarchivar William Boehart, der für die Texte zu den Fotos sorgte. Anlass war, dass für die Delegationen der Partnerstädte ein neues Gastgeschenk benötigt wurde.

Um seine zweite Leidenschaft will er sich im Ruhestand verstärkt kümmern. Seine Frau, Violinistin Anna Preyss-Bator, ist seit zwei Jahren im Ruhestand, sie hat die Acrylmalerei entdeckt. „Vielleicht könnte man eine Doppelausstellung machen“, sinniert Gregor Bator. Auch das Familienleben wird intensiviert. Die Tochter wohnt mit Mann und Enkelinnen in Triest. Ein Abschiedskonzert ist nicht geplant. „Ich will das Kapitel leise schließen“, sagt Gregor Bator.