Geesthacht. Geesthachts Stadtverwaltung hat mit Hausärzten, Apothekern und KVSH nach Lösungen gesucht. Doch es gibt einige Hürden.

Rund 2600 Bürger in Geesthacht stehen ab Juni ohne Hausarzt da, wenn Dr. Jörg Stüber (79) und Dr. Hartmut Klaus (77) in den verdienten Ruhestand gehen. Denn alle anderen Hausarztpraxen sind komplett ausgelastet und haben einen Aufnahmestopp. In der Stadt sorgt dies für Unruhe. Bereits nach einer Stunde hatte der SPD-Ortsverband, der eine Unterschriftenaktion gestartet hat, 130 Autogramme in der Fußgängerzone beisammen.

Bürgermeister Olaf Schulze hat nun selbst die Initiative ergriffen und in der vergangenen Woche zu einem runden Tisch ins Rathaus geladen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Gekommen waren alle ansässigen Hausärzte, Vertreter von Apotheken und der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). „Es war eine sehr gute Sitzung“, resümierte Dr. Barbara Hogan, ärztliche Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) an der Elbe. Schnelle Lösungen liegen dennoch nicht auf der Straße, zumal der Teufel im Detail, sprich den gesetzlichen Rahmenbedingungen steckt.

Runder Tisch zum Hausärztemangel in Geesthacht

In diesem ist die KVSH für eine ausreichende ärztliche Versorgung zuständig. Und der Versorgungsgrad im entsprechenden Planbereich – dazu gehören auch Schwarzenbek, Lauenburg und die Ämter Hohe Elbgeest, Schwarzenbek-Land und Lütau – ist mit 90,8 Prozent der schlechteste in Schleswig-Holstein. Elf Hausarztstellen sind aktuell nicht besetzt, davon fünf in Geesthacht. Die freiwerdenden Stellen von Dr. Stüber und Dr. Klaus noch nicht mitgerechnet.

Hausarzt Dr. Jörg Stüber geht mit fast 80 Jahren in den Ruhestand. Seine Kollege Dr. Hartmut Klaus hört mit 77 Jahren auf.
Hausarzt Dr. Jörg Stüber geht mit fast 80 Jahren in den Ruhestand. Seine Kollege Dr. Hartmut Klaus hört mit 77 Jahren auf. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Erst wenn die Quote unter 90 Prozent sinkt, wird bei Neugründung einer Teampraxis eine Vollzeitstelle mit bis zu 30.000 Euro bezuschusst, bei einer Praxis-Erweiterung mit bis zu 20.000 Euro, und für eine nichtärztliche Assistenz immerhin noch mit 10.000 Euro.

KVSH: 20 Kilometer Fahrt zum Arzt ist zumutbar

Dass die Quote ohne Stüber und Klaus unter diese Marke Grenze fällt, vermutet auch Monika Schliffke, aber: „Das muss erst offiziell festgestellt werden.“ Die Berechnung der Versorgungsgrade erfolge alle zwei Jahre. Geesthacht nur einzeln zu betrachten, sei ebenfalls nicht möglich. „Grundsätzlich gilt in ländlichen Bereichen eine Fahrt von 20 Kilometern zum nächsten Arzt als zumutbar“, erklärte Schliffke. „Das finde ich schwierig“, hielt Bürgermeister Schulze dagegen. Immerhin sei Geesthacht schon die größte Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg.

Gleichwohl, so Schliffke, könnten immer Einzelmaßnahmen aus dem Strukturfonds beantragt werden. Hier gebe es bis zu 50.000 Euro für die Ansiedlung eines Arztes. Nach einer Abfrage beim runden Tisch waren von den ansässigen Ärzten das Hausarztzentrum um Dr. Thomas Völkel, die Praxis Wanzenberg in Grünhof und das MVZ an der Elbe bereit, weitere Ärzte einzustellen. Doch woran es fehlt, sind die Bewerber.

Junge Ärzte auf Hamburg fixiert

Dr. Hogan schreibt regelmäßig Stellen aus, häufig erfolglos. Ihre Erfahrung: „Die jungen Ärzte sind auf Hamburg fixiert. Es liegt auch fehlenden S-Bahn-Anschluss“, sagt sie und nannte das Beispiel einer Kollegin, der die Fahrerei aus Altona zu viel wurde und die sich nach einem Jahr eine Stelle in Hamburg gesucht hat. „Am finanziellen kann es eigentlich nicht liegen“, ergänzte Hogan.

Wegen Fachkräftemangel haben Dr. Klaus und Dr. Stüber schon die Öffnungszeiten reduziert.
Wegen Fachkräftemangel haben Dr. Klaus und Dr. Stüber schon die Öffnungszeiten reduziert. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Eine Einschätzung, die Monika Schliffke unterstreicht. Ärzte würden ihre Entscheidung für einen Arbeitsplatz an erster Stelle davon abhängig machen, ob sie einen Platz an einer Schule oder Kita bekommen. An zweiter Stelle komme ein Arbeitsplatz für den Partner und erst an dritter Stelle die Verdienstmöglichkeiten. „Trotzdem haben wir seit Jahren die Situation, dass Geesthacht offenbar für junge Ärzte nicht attraktiv ist, was wegen des guten Umfelds und der geringen Entfernung zu Hamburg eigentlich verwunderlich ist“, sagt Schliffke.

Geesthacht denkt über Imagekampagne nach

„Dr. Völkel ist seit 25 Jahren hier. Er hat auch die Entwicklung der Stadt gelobt“, ergänzte Barbara Hogan. Olaf Schulze brachte die Idee ins Spiel, gemeinsam eine Imagekampagne zu initiieren, um die Vorzüge der Stadt ins rechte Licht zu rücken. Wie wichtig so etwas sein kann, zeigt das Beispiel der Parfümerie Schuback, die erst vom Bürgermeister persönlich von den Vorzügen der Stadt überzeugt werden musste, ehe die Entscheidung stand, hier eine neue Filiale zu öffnen. Andererseits wirbt Geesthacht seit Ende 2021 bereits erfolglos auf der KVSH.

Die KVSH regte an, dass Geesthacht vielleicht ein eigenes MVZ betreiben sollte. „Das bringt mir auch keine Ärzte her“, entgegnete Schulze, der einräumte, man habe sich bei der Diskussion ein bisschen im Kreis gedreht. Es soll auf jeden Fall noch mindestens ein weiteres Treffen geben. Dann auch mit dem Johanniter-Krankenhaus Geesthacht. Dr. Stüber und Dr. Klaus arbeiten seit zehn Jahren in einem Johanniter-MVZ, die trotz intensiver Suche keinen Nachfolger gefunden haben und den Kassensitz nun zurückgeben. Für Barbara Hogan muss zur Sprache kommen, „warum Krankenhaus-Ärzte in Geesthacht nicht in den niedergelassenen Bereich kommen.“

Schnelle Lösung: Ambulanz-Klinik soll länger öffnen

Dennoch habe man beim runden Tisch eine schnelle Lösung gefunden, die kurzfristig die Not beim Hausarztmangel in Geesthacht lindern soll. „Die Öffnungszeiten der Ambulanz-Klinik der KVSH im Johanniter-Krankenhaus werden täglich um zwei Stunden erweitert“, sagte Barbara Hogan und kündigte an, dass ein entsprechender Antrag beim Notdienstkoordinator der KVSH gestellt werde.

Aber Halt, so einfach gehe es auch wieder nicht, erklärte Monika Schliffke auf Nachfrage. „Der Antrag wird nur bewilligt, wenn dort auch genug Leute hingehen. Bislang sind die Sprechzeiten in der Anlaufklinik nicht stark frequentiert“, so die KVSH-Vertreterin.

Sprechzeiten sind aktuell unter der Woche von 19 bis 21 Uhr (Montag, Dienstag, Donnerstag) sowie von 17 bis 21 Uhr am Mittwoch, Freitag und an Wochenende und Feiertagen. Am Wochenende und Feiertag zudem von 10 bis 13 Uhr. Für Patienten, die nicht mobil sind, gibt es einen fahrenden Dienst. Dieser ist über Rufnummer des ärztlichen Notdienstes unter der Rufnummer 116 117 erreichbar.