Geesthacht. Die Freidemokraten haben in Geesthacht keinen Fraktionsstatus mehr. Warum nun doch Vertreter der Liberalen in die Ausschüsse kommen.
Paukenschlag im Vorfeld der konstituierenden Ratsversammlung in Geesthacht am 23. Juni: SPD und FDP rücken eng zusammen – sehr eng. „Die SPD-Fraktion wird einige FDP-Mitglieder auf ihrem Ticket in die neu zu besetzenden Ausschüsse der Geesthachter Stadtvertretung und Aufsichtsräte der städtischen Unternehmen entsenden“, teilt die frisch im Amt bestätigte SPD-Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister mit.
Die FDP kann nach der Kommunalwahl zwei Ratsmitglieder stellen (CDU 12, SPD 10, Grüne 6, BfG 4, AfD 1). Nach alter Lesart hätte das ausgereicht, um eine Fraktion bilden zu können. Jedoch: Die Landesregierung hat die Grenze trotz heftiger Kritik per Gesetz zur neuen Periode von zwei auf drei aufgestockt. „Da ist die Demokratie abgeschafft worden kurz vor der Kommunalwahl“, ärgert sich der Geesthachter FDP-Vorsitzende Jörg Kunert.
FDP ist in Geesthacht Leidtragende des neuen Gesetzes
Die schwarz-grüne Koalition verspricht sich von der neuen Regelung eine Beschleunigung von Baugenehmigungen für Infrastrukturprojekte wie Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser und Windräder, Kommunen sollen so mehr Planungssicherheit bekommen, weil es nun weniger Fraktionen gibt, die mitmischen können – die Landesregierung aus CDU und Grünen hofft deshalb auf weniger Verzögerung.
Leidtragende Partei des neuen Gesetzes in Geesthacht ist die FDP – knapp unter der Grenze zur Fraktion ist so gut wie keine Mitarbeit in den Ausschüssen möglich. Nur die gewählten Ratsmitgliedern Jörg Kunert und Dagmara Strauer dürfen sich jeweils einen Ausschuss für eine Mitarbeit aussuchen. Bei Jörg Kunert ist das der Hauptausschuss, bei Dagmara Strauer der Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung.
Jörg Kuhnert (FDP) zum Angebot der SPD: „Wir waren alle schwer begeistert“
Abhilfe aus dem Dilemma für die FDP kommt nun von der SPD, die auf den Ausschüssen gemeinsam mit der CDU über vier Sitze verfügt. Die Grünen haben zwei und die BfG einen. Gleich am Tag nach der Kommunalwahl sei das Gespräch gesucht worden, erzählt Petra Burmeister, die erst am vergangenen Sonnabend einstimmig als Fraktionsvorsitzende der SPD bestätigt wurde.
„Wir sind an die FDP herangetreten und haben angeboten, im Rahmen unserer Möglichkeiten einige Ausschusssitze zur Verfügung zu stellen. Herr Kunert war sehr offen und sehr angetan.“ Die Beschreibung der Befindlichkeiten dürfte stark untertrieben sein. „Wir waren alle schwer begeistert, das ist ganz großartig“, berichtet Jörg Kunert. Es sei ein richtiger Ruck durch die FDP gegangen. „Team gelb“ nennt Jörg Kunert das Quartett, das nun für die Ausschussplätze kandidiert.
Rüdiger Tonn kehrt in „seinen“ Ausschuss zurück
Neben Kunert und Strauer ist das Rüdiger Tonn, vorgesehen für die Mitarbeit im Ausschuss für Bau, Feuerwehr und Katastrophenschutz, dessen Vorsitzender er bis zur Kommunalwahl war, und Tommy Zbykowski im Finanzausschuss. Damit wäre die FDP in vier von sieben ständigen Ausschüssen vertreten. Im Sozial-, Bildungs- sowie Umwelt- und Energie-Ausschuss stellt die FDP zudem an vorderster Position Stellvertreter für SPD-Sitze. Für den Aufsichtsrat der VHS nominiert die SPD Petra Kunert (FDP) als Mitglied.
Die SPD selbst macht nach interfraktioneller Absprache am Montagabend, 12. Juni, den Vorsitz für den Hauptausschuss mit Samuel Walter Bauer und für den Ausschuss für Umwelt und Energie mit Michael Fiebig geltend. Für die CDU sieht die Absprache den Vorsitz im Finanzausschuss (Christin Ischdonat), Bildung und Sport (Nicole Voss) und Bau, Feuerwehr und Katastrophenschutz (Björn Reuter) vor, die Grünen sollen den Vorsitz im Sozialausschuss (Marcus Worm) bekommen und die BfG den für Stadtplanung (Bernd Reddig).
SPD: Aufhebung der Grenze zur Fraktionsbildung wenig demokratisch
„Als SPD halten wir die Anhebung der Grenze für die Fraktionsbildung für falsch und wenig demokratisch. Die wichtigste politische Arbeit findet in den städtischen Ausschüssen statt. Wir halten es für kontraproduktiv, hier die Mitwirkung einer demokratischen Partei auszuschließen. Deshalb war für uns klar, dass es nicht reicht, die Entscheidung der Landesregierung zu kritisieren. Wir haben daher überlegt, was wir tun können, um die Mitwirkung der FDP zu verbessern und uns einstimmig in der Fraktion entschlossen, der FDP durch Sitze in den Ausschüssen eine bessere Mitwirkung zu ermöglichen“, sagt Petra Burmeister. „Ich bin da optimistisch, dass man ganz pragmatisch zurechtkommt“, meint sie.
Auch Jörg Kunert sieht keine Probleme bei der Zusammenarbeit. „Es gab in den vergangenen Jahren eine Quote von 90 Prozent bei gemeinsamen Beschlüssen“, hat er ausgemacht. Gegenleistungen oder inhaltliche Absprachen soll es laut SPD und FDP nicht geben. „Wir werden eigene Akzente setzten“, verspricht Jörg Kunert. Verabredet ist, dass die SPD-Ausschusssprecher auch die FDP-Ausschussmitglieder zu den Ausschuss-Vorbereitungssitzungen einladen. „Mit nur zwei Ratsmitgliedern ist es schwer, ansonsten den Überblick zu behalten“, findet Petra Burmeister.
Bildung einer Fraktionsgemeinschaft ist vom Tisch – erstmal
Verzichtet wird auf die Bildung einer Fraktionsgemeinschaft. Sie sei nicht Gegenstand der gemeinsamen Gespräche gewesen, verrät Petra Burmeister. „Das ist nichts, was wir heute anstreben, es geht in erster Linie darum, die FDP im Rahmen der Möglichkeiten zu unterstützen“, stellt sie klar. „Wenn sich daraus ein verlässlicher Austausch wie mit den Fraktionen entwickelt und die FDP dadurch ihren Wählerauftrag von knapp acht Prozent Wählern besser umsetzen kann, haben wir unser Ziel erreicht“, sagt Petra Burmeister.
Für die etwas fernere Zukunft aber würde sie eine Fraktionsgemeinschaft mit der FDP nicht kategorisch ausschließen. Ein Vorteil liegt auf der Hand. SPD und FDP wären dann mit zwölf Sitzen genauso stark wie aktuell die CDU. Wäre das bereits jetzt angestrebt worden, hätte auch ein eigener Vorschlag für das Amt des Bürgervorstehers eingebracht werden können, so wie es die CDU mit Arne Ertelt bereits getan hat.
CDU sieht keine Bedrohung für das Kräfteverhältnis
„Das war eine Überraschung“, sagt Arne Ertelt, als die SPD die anderen Fraktionen auf der Sitzung des Ältestenrates am Montag über ihr Vorgehen informierte. Eine Änderung der Kräfteverhältnisse oder gar eine Bedrohung für die Position der CDU vermag er aber nicht zu erkennen. „Es ist löblich von der SPD, die FDP mitzunehmen“, findet er. „Ich gehe davon aus, dass die FDP-Vertreter denn auch FDP-Politik betreiben.“
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Vielleicht ist die noble Geste der SPD aber in Kürze schon obsolet. FDP und SSW haben gegen das neue Dreier-Gesetz für Fraktionen vor dem Verfassungsgericht geklagt. Am Freitag, 9. Juni, war mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgericht unter Teilnahme des ehemaligen Landesverkehrsministers Bernd Buchholz für die FDP. Zumindest die Entscheidung über den Widerspruch im Eilverfahren könnte zeitnah erfolgen, teilt Bernd Buchholz mit. Möglicherweise schon in dieser Woche. Mit dem Hauptsacheverfahren sei im Herbst zu rechnen, mit einer endgültigen Entscheidung könnte es bis ins nächste Jahr dauern.