Geesthacht. Bei der Kommunalwahl am 14. Mai geht es in der Stadt um Hausärzte, Bildung, Wohnen, Verkehr – und auch ein paar Luftschlösser.
Der Wahlkampf für die schleswig-holsteinische Kommunalwahl am 14. Mai biegt auf die Zielgerade. Zweimal noch werben die Parteien an den Sonnabenden in der Fußgängerzone in Geesthacht an ihren Ständen um die Gunst der Wähler. Das Thema, das die meisten Bürger im Wahlkampf umtreibt, ist die Versorgung mit Hausärzten.
Bei Bildung, Wohnen und Verkehr gibt es auch durch Bundesvorgaben viele kostspielige Herausforderungen (Stichwort: Anspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2027). Die Schaffung neuer Kitas und Schulen ist teuer, sodass der Spielraum für andere Dinge eingeschränkt ist. Das heißt nicht, dass die Parteien keine anderen Ideen entwickelt hätten.
Kommunalwahl: In Geesthacht sind 25.064 Personen wahlberechtigt
In Geesthacht buhlen SPD, CDU, Grüne, FDP, die Wählergemeinschaft Bürger für Geesthacht (kurz BfG) sowie erstmals auch die AfD um Stimmen für die Ratsversammlung. Die Rechtspopulisten treten lediglich in vier von 16 Wahlkreisen an. Das heißt, sie können auch nur dort für das Stadtparlament gewählt werden. Dies schränkt ihre Erfolgsaussichten ein. Die AfD hat im Gegensatz zu den anderen Parteien auch kein Programm veröffentlicht, was sie in Geesthacht tun wollen. Alle anderen lehnen eine Zusammenarbeit mit ihr ohnehin ab.
Insgesamt sind in der Stadt 25.064 Personen wahlberechtigt. Diese haben zwei Stimmen, eine für die Gemeindewahl und eine für die Kreistagswahl. Der weiße Stimmzettel ist für Geesthacht, der rote entscheidet über die Zusammensetzung des Kreistags. Dort konkurrieren in allen vier Wahlkreisen CDU, SPD, Grüne, FDP, AfD, Die Linke und DieBasis, der parteipolitische Arm der „Querdenker“, um Stimmen.
Die jeweiligen Sieger der Wahlkreise (vier für den Kreistag, 16 für die Ratsversammlung) haben ihr Mandat sicher, die Sitzverteilung ergibt sich nach dem prozentualen Gesamtergebnis. Hierfür werden dann die auf der Parteiliste stehenden Kandidaten nach ihrer Reihenfolge berücksichtigt. Gewinnt eine Partei mehr Direktmandate als ihr Sitze zustehen, gibt es Überhangmandate. Die derzeitige Ratsversammlung besteht aus 33 Personen (normal 31).
Bilden FDP und BfG eine Fraktionsgemeinschaft?
2018 entfielen auf die SPD 32,3 Prozent (11 Sitze) und auf die CDU 29,9 Prozent (10). Die Grünen erhielten fünf Sitze (16,6 Prozent), die FDP drei (8,7), BfG (6,4) und Die Linke (6,1 Prozent) hatten zwei Sitze. Die Linke tritt in Geesthacht diesmal nicht an. Eine Prozent-Klausel gibt es nicht.
Nachdem der schwarz-grüne Landtag in Kiel die Gemeindeordnung geändert hat, erhalten fortan nur noch Parteien ab drei Vertretern einen Fraktionsstatus. Ohne diesen sind sie nicht in den städtischen Ausschüssen vertreten, können weder Anträge stellen, noch haben sie Rederecht. FDP und BfG haben daher bereits Vorgespräche über die Bildung einer Fraktionsgemeinschaft geführt. Dass es dazu kommt, liegt laut dem BfG-Spitzenkandidaten Christoph Hinrichs „im Bereich des Möglichen“.
Abstimmungen in Geesthacht mit wechselnden Mehrheiten
Bei der politischen Entscheidungsfindung gab es in Geesthacht zuletzt wechselnde Mehrheiten. „Es geht darum, was gut für Geesthacht ist“, sagt Christoph Hinrichs (BfG). „Das ist auch der Vorteil einer unabhängigen Wählergemeinschaft. Als Mitglied einer Partei muss ich auch vertreten, was bundesweit gefordert ist“, so Hinrichs, der aus diesem Grund in der laufenden Wahlperiode Die Linke verlassen hatte.
Doch auch die übrigen Vertreter handelten nach diesem Credo. „Die Sanierung der Sportplätze haben wir mit der CDU gemacht, die 25-Prozent-Quote an Sozialwohnungen bei Neubauprojekten mit der SPD“, zählt Ali Demirhan (Grüne) auf. Es wären viele Beispiele unterschiedlicher Koalitionen zu nennen.
Übrigens: Wer sich welchen Erfolg ans Revers heften darf, beziehungsweise wer die Idee zuerst hatte, ist hinterher ein gängiges Spielchen. Generell: SPD und CDU hatten allein wegen ihrer Fraktionsgröße mehr Gewicht bei der Entscheidungsfindung.
Thema Schule
Es wurden auch gemeinsame Schulterschlüsse aller Fraktionen geübt, wenn wichtige Entscheidungen anstanden. So gab es einen „Schulfrieden“, um wegen stark angestiegener Schülerzahlen 50 Millionen Euro in die Erweiterung der Schulen zu investieren. Hier wurde eine lange Prioritätenliste erstellt.
Eine zusätzliche neue Schule war nicht vorgesehen. Die BfG will das Thema nun doch „im Auge behalten“. Die CDU möchte einen Standort für ein DaZ-Zentrum (Deutsch als Zweitsprache) finden, um das Otto-Hahn-Gymnasium zu entlasten. SPD und Grüne können sich vorstellen, die Schulkinder über eine städtische Küche zu versorgen, um es günstiger und nahrhafter zu machen. Die CDU will die Essen auch attraktiver gestalten, aber nicht in kommunaler Hand.
Für ausreichend Schwimmunterricht treten alle ein, im Gegensatz zur Kreis-CDU sehen Geesthachts Christdemokraten aber nicht die Lösung in einem Hallenbad. Stattdessen sollen bestehende oder geplante Lehrschwimmbecken (VfL Geesthacht) gestärkt werden.
Thema Hausärzte
Beim Thema Hausärzte ist der kommunale Handlungsspielraum begrenzt. Grundsätzliche Änderungen müssen in Bund und Ländern erfolgen. Geesthachts Politiker und Verwaltung sehen in einer Imagekampagne eine Chance, um Geesthachts Vorzüge besser herauszustreichen, um etwa attraktiver für neue Hausärzte zu werden. Ärzten zusätzliche Anreize vonseiten der Stadt anzubieten, dürfte dennoch unerlässlich sein. Ein kommunales MVZ, wie von den Grünen ins Spiel gebracht, lehnten die übrigen Fraktionen wegen fehlender kurzfristiger Effekte ab.
Thema Verkehr
Die fehlende Schienenanbindung schreckt derweil potenzielle Arbeitskräfte ab, wie Arbeitgeber bestätigen. Die Grünen hoffen, in fünf Jahren einen Termin für die Reaktivierung der Bahn zu kennen. „Verkehrspolitik ist auch Klimapolitik. Es geht darum, den ÖPNV attraktiver zu machen, auch innerorts“, sagt Ali Demirhan. Die Bahnanbindung unterstützen im Prinzip alle Fraktionen, die FDP unter Bedingungen. Ihr Tenor: Macht nur mit der Umgehungsstraße Sinn, und die gute Busanbindung soll auch bleiben.
CDU, FDP und BfG sehen im großen Sanierungsstau (60 Millionen Euro) bei den örtlichen Straßen dringenden Handlungsbedarf. Ab 8. Mai starten in Geesthacht Verkehrszählungen, die Verwaltung stellt einen Verkehrsentwicklungsplan auf. Für die BfG ist es höchste Zeit, das Thema ganzheitlich zu betrachten, um Verkehrsströme neu zu leiten. Es sollten mehr Einbahnstraßen geschaffen werden (FDP, BfG) beziehungsweise Tempo-30-Zonen sowie ein besseres Parkraummanagement (CDU, SPD).
Thema Wohnen
Bezahlbares Wohnen ist ein Schwerpunkt im SPD-Wahlkampf. Der Bau von Sozialwohnungen soll weiter vorangetrieben werden, der Alte Friedhof soll innerstädtisches Erholungsgebiet werden. „Wir wollen nichts Utopisches versprechen. Es geht darum, was der Bürger benötigt. Neben bezahlbarem Wohnraum sind das gute Schulen. Bei den Verkehrswegen ist auch viel zu tun“, sagt Petra Burmeister (Fraktionsvorsitz). Bezahlbares Wohnen haben sich auch Grüne und BfG auf die Fahne geschrieben.
Die CDU setzt sich derweil für die Entstehung eines neuen Wohngebiets in Grünhof ein und möchte Wohnraum in allen Preissegmenten schaffen. Zum Wohnen gehört auch die Energieversorgung: Der Ausbau des städtischen Fernwärmenetzes steht bei mehreren Parteien auf dem Wahlprogramm.
Was sonst wichtig ist
Das Kurzprogramm der CDU ist besonders umfangreich und umfasst auch die die Ausweisung neuer Gewerbeflächen sowie die Verständigung auf eine Schuldenbremse. „Ambitioniert“, nennt der stellvertretende Ortsvorsitzende Björn Reuter das Programm. „Aber wir wollen Themen anstoßen. Nicht alles geht kurzfristig, aber wir sollten uns Ziele setzen.“ Die SPD hält bei den vielen erforderlichen Investitionen weitere Kreditaufnahmen für nötig.
Die Grünen wollen laut Ali Demirhan weiter „die kritische Stimme Geesthachts bleiben“, haben sicher bei den Freibadpreisen gepunktet, gingen indes bei anderen Themen zu sehr dogmatisch vor. Für die FDP gehört zur Attraktivitätssteigerung Geesthachts auch dazu, „dass wir Teile der Berufsschule zurückholen“, wie Fraktionschef Rüdiger Tonn sagt. Die BfG wertet ihre erste Wahlperiode als Zeit des Lernens. „Wir würden das Gelernte jetzt gern anwenden“, wirbt Christoph Hinrichs um Stimmen und hofft mit Drängen auf verstärkter Inklusion (unter anderem Schaffung rollstuhlgerechter Sozialwohnungen) zu punkten.
Der Wahlkampfendspurt
Noch aber haben alle Parteien die Möglichkeit, unentschlossene Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Die ausführlichen Wahlprogramme stehen auf den Internetauftritten der Parteien. Im Wahlkampfendspurt kommt am Sonnabend, 6. Mai, auch mehr oder minder bekannte Politprominenz in die Stadt. Allen voran Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), die zum Thema bezahlbarer Wohnraum die „Elbterrassen“ besucht. Die aus Geesthacht stammende niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte besucht den Stand der Grünen in der Fußgängerzone. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe tut dies bei der SPD, die Landtagsabgeordnete Andrea Tschacher besucht die CDU, und die FDP hat Holger Kempter zu Gast, einen Vertreter aus dem Spitzentrio für den Kreistag.