Geesthacht. Hamburgs Verkehrssenator sagt Ja zur Bahnverbindung von Geesthacht nach Bergedorf – und äußert sich auch zur Dampflok Karoline.

Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende hat sich zur Reaktivierung des Bahnanschlusses von Geesthacht nach Bergedorf bekannt. „Wenn Schleswig-Holstein das will, unterstützen wir das“, sagte Anjes Tjarks von den Grünen bei einer Wahlkampfveranstaltung des Geesthachter Ortsvereins im voll besetzten Krügerschen Haus.

Bei der Anreise nach Geesthacht war Anjes Tjarks einmal falsch auf dem Marschbahndamm abgebogen. Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende hatte sich, wie bei ihm üblich, auch für den Termin zur Reaktivierung des Bahnanschlusses nach Bergedorf im Krügerschen Haus auf sein Rennrad geschwungen. Nun stand Tjarks plötzlich am Zollenspieker Fährhaus und musste einen weiten Umweg fahren. 90 Minuten war er insgesamt unterwegs. So stellte er zumindest fest, dass es einer gewissen Anstrengung bedarf, ohne Auto nach Geesthacht zu kommen – aber das soll sich perspektivisch ja ändern.

Bahngegner sorgen für Polizei-Einsatz

Im Sommer wollen die beiden Bundesländer in die Vorplanung einsteigen, deren Ergebnisse Ende 2024 vorliegen könnten. Zuvor hatten sich einige schleswig-holsteinische Politiker, darunter Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen, dahingehend festgelegt. Nun gibt es auch die Bestätigung aus Hamburg.

Die bestehenden Bahngleise müssen über den Sander Damm zum S-Bahnhof Bergedorf verlängert werden.
Die bestehenden Bahngleise müssen über den Sander Damm zum S-Bahnhof Bergedorf verlängert werden. © HA Grafik, HA Infografik, F. Hasse | F. HasseFrank Hasse

Aus hanseatischer Sicht sei es dabei entscheidend, so Tjarks, dass diese Bahn das Bergedorfer Zentrum erreiche. Heißt also, die vorhandenen Gleise müssen über den Sander Damm bis zum Bergedorfer Bahnhof geführt werden. Das wird nicht günstig. „Wenn das Ergebnis der Vorplanung ist, dass der volkswirtschaftliche Nutzen höher ist als die Kosten, würde der Bund die Maßnahme mit 90 Prozent der Summe fördern“, führte Anjes Tjarks aus. Ob dies eine Bedingung für die Realisierung ist, ließ der Senator offen.

Durchbindung zum Hauptbahnhof im zweiten Schritt

Nach den Ergebnissen einer 2020 veröffentlichten Machbarkeitsstudie könnte eine Bahn mit Tempo 80 fahren und von Geesthacht in 22 Minuten am S-Bahnhof Bergedorf sein. Haltestellen sollen am Ende der Autobahn 25, in Escheburg und Börnsen sein. Auch der geplante Innovationspark in Bergedorf soll laut Tjarks einen Halt bekommen. Ob ein weiterer Stopp, womöglich namens Bergedorf-Ost möglich oder sinnvoll ist, müssen die Planungen zeigen.

Weil der Hauptbahnhof überlastet sei, könne eine Durchbindung von Geesthacht nach Hamburg erst in einem zweiten Schritt angegangen werden. Aber, so Tjarks: „Wenn man will, dass es mehr Bahnverkehr gibt, muss man Bahnen auch ertüchtigen und Geld investieren.“

Diskussionen vor und im Krügerschen Haus

Der Andrang vor dem Krügerschen Haus in Geesthacht war so groß, dass nicht alle Interessierten Einlass bekommen haben. Bei einigen Bahngegnern führte das zu Verdruss.
Der Andrang vor dem Krügerschen Haus in Geesthacht war so groß, dass nicht alle Interessierten Einlass bekommen haben. Bei einigen Bahngegnern führte das zu Verdruss. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

„Auf ein Wort mit Anjes Tjarks zum Bahnanschluss“, lautete nun der Titel der Veranstaltung in Geesthacht am Dienstag. Dies hatten zahlreiche Gegner des Bahnanschlusses wörtlich genommen. Der Andrang vor dem Krügerschen Haus war deutlich größer, als die zugelassene Zahl an Gästen im Gebäude der Tourist-Info. Lediglich 40 Personen pro Veranstaltung sind in dem ältesten Gebäude der Stadt erlaubt. Etwa gleich viele Befürworter und Gegner kamen hinein.

Mehreren Bahngegnern, aber auch Befürwortern, mussten die Grünen jedoch den Einlass verwehren – insgesamt etwa 70 Personen mussten draußen bleiben. Weil derweil einige geladene Gäste weiter eintreten durften, sorgte das bei einigen ausgesperrten Bahngegnern für Unmut. Als einige sich anschickten, sich daraufhin mit Nachdruck ebenfalls Einlass zu verschaffen, riefen die Grünen vorsichtshalber die Polizei. Deren kurze Anwesenheit beruhigte die Lage, wenngleich es vor dem Gebäude noch eine ganze Weile laute Auseinandersetzungen gab.

Bahngegner sind überwiegend direkte Anwohner der Strecke

Der Unmut bei den Bahngegnern war so groß, dass sogar die Polizei gerufen wurde.
Der Unmut bei den Bahngegnern war so groß, dass sogar die Polizei gerufen wurde. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

„Wir haben schön diskutiert. Aber es wurde immer ruhiger und sachlicher“, befand der Geesthachter Grüne Jens Kalke, der vor dem Krügerschen Haus den Blitzableiter spielte. „Als sich abzeichnete, dass sich die Gegner organisieren, um in einer Gruppe zu kommen, haben wir uns bei der Stadt um einen größeren Raum bemüht. So kurzfristig haben wir aber keinen bekommen. Es war niemals unsere Absicht, Leute auszusperren“, entschuldigte sich der Grüne Ortsvorsitzende Max Hansen.

„Natürlich werden wir dafür ein Planfeststellungsverfahren durchführen“, sagte Tjarks. Er betonte, dass die Kosten nach dem Territorialprinzip aufgeteilt würden. Anteilig an den Streckenkilometern würden rund 60 Prozent auf Schleswig-Holstein und 40 Prozent auf Hamburg entfallen. Aber, das sagte Tjarks auch, die Ergebnisse der Vorplanungen müssten erbringen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen die Kosten übersteigen. Dann wäre nämlich eine Förderung von 90 Prozent durch den Bund möglich. Das dürfte ein entscheidender Aspekt für die tatsächliche Umsetzung sein.

Machbarkeitsstudie beziffert Kosten auf 73,3 Millionen Euro

Eine 2020 vorlegte Machbarkeitsstudie vom Verkehrsverbund Nah.SH hatte dies gesehen und war für die Variante des Anschlusses an die S-Bahn am Bahnhof Bergedorf grob geschätzt von einmaligen Kosten in Höhe von 73,3 Millionen Euro ausgegangen, dazu kämen jährliche Kosten in Höhe von 17,1 Millionen Euro. Zudem sei sei eine Reaktivierung technisch machbar.

Im Krügerschen Haus war die Atmosphäre derweil aufgewühlt. Thomas Liesegang, ein an der Rothenhauschaussee wohnender Bahngegner, fand es beschämend, dass nicht alle Mitstreiter einen Platz im kleinen Krügerschen Haus fanden. Das Geesthacht-Museum ist nur für 40 Personen zugelassen. Rund 70 Interessierte warteten draußen vergeblich. Einige Plätze hatten die Grünen reserviert, unter anderem für Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, Vertreter anderer Parteien und eine Abordnung der AG Geesthachter Eisenbahn, die die Fahrten mit der Dampflok „Karoline“ organisiert. Zur historischen Eisenbahn versprach Tjarks: „Die Karoline bekommen wir auf der Strecke auch unter, wenn die Strecke reaktiviert ist.“

Auch in Börnsen und Escheburg gibt es Widerstand

Bei dem überwiegendem Teil der Bahngegner handelt es sich um direkte Anwohner der Strecke. In Geesthacht waren viele Bergedorfer, aber auch Börnsener und Escheburger. Während der Veranstaltung durften sie Fragen stellen. Sie sorgten sich um steigende Lärmbelastung oder einen sinkenden Wert ihrer Grundstücke.

Die Bahngegner hatten sich mit einem Abzeichen kenntlich gemacht, um sich gegenseitig zu erkennen.
Die Bahngegner hatten sich mit einem Abzeichen kenntlich gemacht, um sich gegenseitig zu erkennen. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Sie wollten wissen, wie sie von der Bahn profitieren oder die Sicherheit auf den vielen Bahnübergängen gewährleistet wird. Sie sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder und dass ihre Häuser Setzschäden bekommen könnten, wenn alle zehn Minuten eine Bahn mit Tempo 80 vorbeifährt. Sie sorgten sich darum, dass sie keinen Lärmschutz bekommen würden oder dass sie vom Zugang zum ÖPNV abgeschnitten wären. „Wenn mein Bahnübergang für Fußgänger zu ist, komme ich nicht mehr zu meiner Bushaltestelle“, sagte eine Anwohnerin.

Anlieger sorgen sich um Schäden an ihren Häusern

Zudem zweifelten sie die prognostizierten Fahrgastzahlen an, weil sich seit Corona die Arbeitswelt verändert habe. Alleine Geesthacht, übrigens die größte Stadt in Schleswig-Holstein ohne eigenen Bahnanschluss, gebe es 10.000 Aus- und 8000 Einpendler. Für die Bahn waren rund 7500 Fahrgäste täglich angenommen worden. Durch Corona müsse die prognostizierte Zahl um etwa zehn Prozent reduziert werden, sagte Tjarks. Dagegen hielt Oliver Brandt, Grüner Landtagsabgeordneter, dass die Einwohnerzahl in Escheburg, Börnsen und Geesthacht auch stark angestiegen sei.

„Entlang der Strecke wohnen etwa genauso viele Menschen, die unter der Bahn leiden, wie die Zahl der Nutzer“, befand eine Anwohnerin.

Bahngegner bringen alternative Vorschläge ins Gespräch

Ins Spiel brachten die Bahngegner alternative Vorschläge zu dieser Bahntrasse. Etwa ein Ausweitung der Busangebotes, die Einrichtung einer festen Busspur auf der A 25 samt Anbindung der Buslinien an den S-Bahnhalt Moorfleet. Bei einer ebenfalls ins Spiel gebrachten öffentlichen Seilbahn sah Anjes Tjarks ebenso viele Anwohnerproteste auf sich zu kommen. „Wer will die über seinem Grundstück haben?“ fragte er.

Insgesamt fühlten sie sich, wie einige sagten, nicht in die Planungen einbezogen. „Es heißt, es wird offen diskutiert. Aber hier wurde viel schöngeredet“, war Thomas Liesegang, der an Rothenhauschaussee in Bergedorf wohnt, von den Antworten nicht sonderlich überzeugt.

So verlief Tjarks’ Rückfahrt mit dem Rad

In Geesthacht unterstützen alle in der Ratsversammlung vertretenen Partei die Reaktivierung des Bahnanschlusses. Die FDP macht zur Bedingung, dass auch die Umgehungsstraße gebaut wird. „Auch in Bergedorf sind alle Parteien dafür“, sagte Norbert Fleige von den Bergedorfer Grünen im Krügerschen Haus in Geesthacht.

Indes wollte sich Anjes Tjarks nicht auf ein genaues Datum festlegen, wann der erste fahrplanmäßige Zug rollen könnte. „Das kann ich nicht seriös beantworten“, sagte der Senator, der den Rückweg mit dem Rad übrigens in gut einer Stunde geschafft hat. Diesmal fuhr er entlang der B 5, ehe er in Bergedorf in die S-Bahn stieg. Übrigens: Tjarks kündigte auch an, dass ein vier Meter breiter Radschnellweg von Geesthacht nach Hamburg gebaut wird – aber das ist eine andere Geschichte.