Geesthacht/Hamburg. In Geesthacht ist die Ungeduld groß. Landesregierungen weisen sich gegenseitig Zuständigkeiten zu. Folge: Projekt kommt nicht voran.
Im Vorfeld der für den 26. Oktober anberaumten Einwohnerversammlung (18 Uhr, Kleines Theater Schillerstraße) wächst die Ungeduld. Die schwarz-grüne Landesregierung in Kiel hat nach der Regierungsbildung bekundet, einer Bahnanbindung Geesthachts an Hamburg eine höhere Priorität einräumen zu wollen.
Tatsächlich hängt eine raschere Realisierung von einer Vielzahl Faktoren ab, die in der Mehrzahl noch geklärt werden müssen. Obwohl die Trasse im Besitz der AKN ist und die Verkehrsleistung ausgeschrieben werden würde, spielen auch Deutsche Bahn AG und Bundesnetzagentur eine wichtige Rolle.
Geesthachts Bahnanschluss ist weiter in der Schwebe
Zu der Einwohnerversammlung ist auch ein Vertreter der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH (NAH.SH) eingeladen. Er soll Auskunft zum Stand des Verfahrens geben und Fragen beantworten.
„Bislang ist die Reaktivierung der Bahnstrecke Geesthacht – Bergedorf ein Projekt, politisch entschieden ist sie noch nicht“, dämpft NAH.SH-Sprecher Dennis Fiedel Erwartungen. Aus Hamburgs grün geführter Verkehrsbehörde war zu hören, jetzt sei zunächst einmal die Schleswig-Holsteinische Landesregierung am Zug, dann könne Hamburg tätig werden. Von Kiel geht der Blick gen Hansestadt: Die müsse klären, welche Forderungen hinsichtlich Bahnübergängen und kreuzungsfreiem Verkehr für den Bezirk Bergedorf erhoben werden.
Hamburg und Kiel haben es nicht allzu eilig
Ein wichtiger Faktor ist die Finanzierung. Eine von NAH.SH in Auftrag gegebene und mit Verzögerungen Ende 2020 veröffentlichte Machbarkeitsstudie geht für zwei Varianten von einem deutlichen Fahrgastzuwachs auf der Gesamtstrecke aus. Eine grobe Kostenschätzung für die kurze Variante (Anbindung über Bahnhof Bergedorf mit Umsteigen) wurde auf rund 74 Millionen Euro veranschlagt (plus gut 17 Millionen Euro jährlich für den Betrieb). Eine schnellere Anbindung ohne Umsteigen ist mit rund 103 Millionen Euro benannt (plus gut 20 Millionen Euro für den Betrieb).
Der letzte Satz im Kurzbericht betont die Dringlichkeit: „Es wird vorgeschlagen, die Vorzugsvarianten in einem nächsten Schritt im Rahmen einer Standardisierten Bewertung hinsichtlich Förderfähigkeit zu überprüfen.“
Ohne Geld aus Berlin ist Bahnanschluss nicht zu realisieren
Mit der Kosten-Nutzen-Analyse dürfe nicht bis 2027 gewartet werden, dem Jahr, in dem nach dem alten Nahverkehrsplan eine Anbindung Geesthachts in den Fokus genommen werden sollte, mahnt Gerhard Boll. Der Geesthachter Grüne ist nicht nur Vorsitzender des Ausschusses für Stadt- und Verkehrsplanung, Boll ist über Parteigrenzen hinweg anerkannter Bahnexperte, der in vielen Gremien aktiv ist.
„Erreicht die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht den geforderten Wert von 1,0, fließt kein Geld aus Berlin“, warnt Boll. Damit wäre das Projekt gestorben.
Grobe Kostenschätzung reicht nicht als Entscheidungsgrundlage
Auf Basis der vorliegenden „Grobkostenschätzung“ aus der Machbarkeitsstudie werde keine Entscheidung fallen, bestätigt Lukas Knipping, mit dem Projekt befasster Verkehrsplaner von NAH.SH. Eine Kosten-Nutzen-Analyse sei jedoch erst der dritte Schritt. Zuvor müssen die – politischen – Anforderungen an die Strecke geklärt werden, der nächste Schritt wäre dann eine Vorplanung.
In etwa zwei Jahren könne man größere Klarheit haben, „dann könnten wir die Grundlage für die vorgegebene Nutzen-Kosten-Rechnung haben“. Zu Deutsch: Ohne Auftrag beider Landesregierungen für die nächsten Schritte tritt die Bahnanbindung Geesthachts weiter auf der Stelle.
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Viele Fragen müssen noch geklärt werden
Dabei müssen viele Fragen geklärt werden, bevor sich Planer überhaupt daran machen könnten, eine Bahnanbindung Geesthachts in Angriff zu nehmen. Beide Varianten stellen ihre Anforderungen. Eine ist die Anbindung des Bergedorfer Bahnhofs.
Diese ist aufgrund des geringen Platzes nur mit einer Stadt/Straßenbahn möglich. Für Nahverkehrszüge reicht der Platz nicht, um sie von der bestehenden Karoline-Trasse zum Bergedorfer Bahnhof zu führen.
Hauptbahnhof hat keinen Platz für Züge aus Geesthacht
Eine große Lösung mit Einfädelung auf die Fernbahngleise in Nettelnburg Richtung Hamburg wirft neben technischen Fragen vor allem die der Kapazitäten auf. Zwischen Rothenburgsort und Berliner Tor müsste die dort eingleisige Strecke mit einem zweiten Gleis ergänzt werden.
Damit nicht genug, platzt der Hamburger Hauptbahnhof aus allen Nähten, weiß Boll: Vor Vollendung der S-Bahnverbindung über Ahrensburg nach Bad Oldesloe werden keine Bahnsteige frei für Züge aus Geesthacht.
Berliner Tor als Endhaltepunkt für Züge?
Doch Boll weiß Rat: „Man könnte Regionalzüge aus Schleswig-Holstein, die in Hamburg ihren Endhaltepunkt haben, weiter nach Süden fahren lassen. Oder man nutzt Berliner Tor als weiteren Endhaltepunkt, dort können Nutzer ja in viele S- und U-Bahnen umsteigen.“
Verzögerungen drohen auch durch das Planrecht. Die Hoffnung, dass auf zeitaufwendige Planfeststellungsverfahren verzichtet werden könnte, teilt Verkehrsplaner Knipping nicht. Für einen Bahnanschluss Geesthachts müssten schließlich alle Trassen angefasst werden.
Läuft es schlecht, dauern Planfeststellungsverfahren viele Jahre
Da es sich bei der Karolinestrecke um keine der DB AG handelt, sei nicht das Eisenbahnbundesamt, sondern die Planfeststellungsbehörden der Länder gefordert. Die Trasse ist im Besitz der AKN. Kipping: „Wenn alles gut geht, ist ein Planfeststellungsverfahren nach 18 Monaten abgearbeitet. Wenn es schlecht läuft, dauert es viele Jahre.“