Geesthacht/Lübeck. Prozess wegen Brandstiftung bei Geesthachter Spedition wird immer verworrener. Jetzt sagt der Richter, wie er über den Fall denkt.

Warum das alles? Warum kam es in der Nacht zum 22. September 2019 zu einem der größten Brände in der jüngeren Geesthachter Stadtgeschichte? Auch der voraussichtlich drittletzte Verhandlungstag in dieser Sache im Prozess wegen Brandstiftung vor dem Landgericht Lübeck bringt keine erhellenden Einsichten über das Geschehen von damals. Im Gegenteil: Die Vorgänge werden nach den Auftritten zweier neuer Zeugen immer verworrener.

Dafür sorgt auch, dass eine weitere Schilderung bekannt wird, die Carmen Z. (alle Namen geändert) über die Hintergründe der Brandstiftung gemacht haben soll. Die drogenabhängige Frau, deren Erzählung gegenüber Familienangehörigen im Sommer 2020 die Grundlage für den Prozess bildet, hat demnach nicht nur ihren eigenen Freund Max T. und den Unternehmer Carsten F. belastet, sondern auch die Geschädigten aus Geesthacht. Alle zusammen sollen ein abgekartetes Spiel getrieben haben. Ein Brandkomplott sozusagen. Carmen Z. ist inzwischen verstorben.

Prozess wegen Brandstiftung: Neun Lkw in Flammen, hoher Sachschaden

Neun Sattelzüge eines Baustoffhandels aus Geesthacht gingen damals in Flammen auf, der Sachschaden lag bei 767.000 Euro. Angeklagt, eine Brandstiftung begangen beziehungsweise in Auftrag gegeben zu haben, sind Max T. als Feuerleger und der mit ihm bekannte Unternehmer Carsten F., ein Mitbewerber der vom Feuer betroffenen Geesthachter Firma. Carsten F. soll sich von der Tat versprochen haben, Aufträge für Fahrten zu erhalten, die der Konkurrent wegen des Ausfalls seines Fuhrparks nicht mehr bedienen konnte, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Beide Fuhrunternehmer sind auch als Subunternehmer für die Firma Buhck tätig. Max T. habe mit dem versprochenen Lohn für die Tat seine Drogensucht finanzieren wollen.

Neun Lastzüge brannten in der Nacht zum 22. September 2019 an der Steglitzer Straße in Geesthacht aus.
Neun Lastzüge brannten in der Nacht zum 22. September 2019 an der Steglitzer Straße in Geesthacht aus. © Christoph Leimig | Christoph Leimig,

Zurück zu den neuen Zeugen, die den ohnehin verwirrenden Fall nicht gerade einfacher erscheinen lassen. Arno J. ist der Ehemann der jüngsten Halbschwester der verstorbenen Hauptbelastungszeugin Carmen Z. Bei der Polizei hat er zu Protokoll gegeben, dass Z. bei einem Familienbesuch im Sommer 2020 gegenüber ihm und seiner Frau erstmals ihren Lebensgefährten Max T. und den Unternehmer aus der Nachbarschaft für das Feuer verantwortlich gemacht habe. Ihren Schilderungen zufolge sei Max T. in der Tatnacht nach Benzin stinkend und verschwitzt in die gemeinsame Wohnung in Lauenburg gekommen. Zuvor sei er mit dem Fahrrad nach Geesthacht gefahren und habe die Lkw anzündet. Angestiftet worden sei er von Carsten F., so die bisher kolportierte Geschichte. Die Eheleute J. berichten daraufhin der Kripo in Geesthacht, was sie gehört haben.

Verstorbene Hauptbelastungszeugin stand gern im Mittelpunkt

Sowohl Staatsanwältin als auch Rechtsanwältinnen konfrontieren Arno J. nun mit seiner Aussage bei der Polizei. Im Vernehmungsprotokoll aus dem Juni 2021 heißt es: „Carmen hat deutlich zu uns gesagt, es ist eine abgesprochene Sache zwischen Carsten F., Sven M. und Max T.“, liest die Rechtsanwältin Kerstin Raber vor. Arno J. kann sich jetzt, eindreiviertel Jahre später, nicht mehr an seine Aussage erinnern. Aber er wiederholt, was bereits jeder aus dieser Familie berichtet hat: Dass sich Carmen Z. gern mal in den Mittelpunkt gestellt und öfters gelogen habe. „Und wenn sie von was überzeugt war, ließ sie sich nicht mehr davon abbringen“, sagt Arno J.

Zweiter neuer Zeuge ist der Kripobeamte aus Geesthacht, der die Ermittlungen wesentlich mit geführt hat. Auch er kann eine neue Geschichte beisteuern. Carmen Z. habe ihm erzählt, dass Carsten F. den Max T. auch mal beauftragt habe, Baggertüren zu stehlen. Er sei der Sache nachgegangen, habe aber keine Hinweise gefunden, sagt der Kripobeamte vor Gericht. Auch über die Höhe der angeblichen Entlohnung für die angebliche Brandstiftung habe es unterschiedliche Aussagen gegeben. Mal seien es mehrere Hundert Euro gewesen, mal ein paar Tausend.

Kripobeamter hat keine Beweise gefunden

Ebenso liefen laut Kriminalbeamtem die Nachforschungen bezüglich eines Brandkomplottes ins Leere. Weder hätten sich Belege für einen Versicherungsbetrug seitens der Geesthachter Firma ergeben, noch gebe es Nachweise für einen finanziellen Vorteil für das Unternehmen von Carsten F. durch den Ausfall des Mitbewerbers. Dem Unternehmen gehe es gut, haben die Polizei-Untersuchungen ergeben. Gegen Carsten F. liege auch sonst nichts vor. Auch das Abhören von Telefongesprächen habe keine Hinweise geliefert, dass Carsten F. irgendetwas mit der Sache zu tun hatte. Der Tatverdacht begründet sich nur darauf, was den Zeugen erzählt worden sei, räumt der Kripobeamte ein. Auf Hörensagen also.

Auch zum Tathergang liegt der Polizei fast nichts vor, nicht einmal das Brandgutachten kommt zu einer eindeutigen Aussage, ob es sich überhaupt um Brandstiftung handelte, das machen Antworten auf Fragen der Verteidigung deutlich.

Richter äußert sich zum bisherigen Prozessverlauf

Angesichts der bisher dürftigen Beweislage lässt auch Richter Gunnar Ullrich leise Zweifel anklingen. „Der Tatverdacht hat sich nach den bisherigen Verhandlungstagen nicht erhärtet“, sagt er.

Am folgenden Prozesstag könnte es noch mal spannend werden. Am Brandort wurde ein Gartenhandschuh mit einer DNA-Spur gefunden, die zu Max T. passt. Außerdem wurden Kleidungsfasern an dem mit einem Bolzenschneider aufgeschnittenen Zaun zum Firmengelände sichergestellt.