Geesthacht. Neun Lkw in Flammen. Wurden sie absichtlich angezündet? Eine Zeugin ist verstorben. Warum jetzt die Halbschwester aussagt.
Wieso brannten in der Nacht zum 22. September 2019 neun Sattelzüge einer Spedition aus Geesthacht? Die Staatsanwaltschaft Lübeck geht von Brandstiftung beziehungsweise der Anstiftung dazu aus. Vor dem Landgericht müssen sich zwei Männer verantworten, die für den Schaden in Höhe von 767.000 Euro verantwortlich sein sollen. Demnach soll ein Mitbewerber (46) der Spedition aus der Nähe von Lauenburg nach Ansicht der Anklage, einen weiteren Mann (52) aufgefordert haben, das Feuer zu legen. Dieser wollte damit seine Drogensucht finanzieren. Beide Angeklagte haben zu den Vorwürfen bislang geschwiegen.
Warum brannten 2019 neun Lkw in Geesthacht?
Anzeichen für die Brandstiftung hatte es laut Polizei früh gegeben. Die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte eine Aussage der Freundin Carmen Z. (Name geändert) des vermeintlichen Täters gegenüber ihrer Halbschwester. Das Problem: Carmen Z. selbst kann nicht mehr befragt werden, sie ist Ende 2021 an den Folgen ihrer Drogensucht gestorben. Bei der Fortsetzung der Verhandlung wurde nun die Halbschwester als Zeugin vernommen.
Dabei ging es einerseits um die Rekonstruktion, was Carmen Z. tatsächlich gesagt habe. Andererseits wurden Details der polizeilichen Ermittlungen genannt: So hatte die Kriminalpolizei den Wagen der Halbschwester „verwanzt“, damit die Behauptungen von Carmen Z. aufgezeichnet werden konnten. Der Vorsitzende Richter verkündete zudem einen Beschluss, dass vorläufig von der Verwendbarkeit der Aufnahmen im Auto ausgegangen werden könne. Ob diese Bemerkungen von Carmen Z. aber auch glaubwürdig und wahrheitsgemäß sind, muss das Gericht erst klären.
Vermeintlicher Täter habe in Tatnacht nach Benzin gestunken
Die fünf Jahre jüngere Halbschwester sagte aus, dass das in der Kindheit gute Verhältnis der beiden wegen der Drogensucht von Carmen Z. gelitten hatte. Wenige Male im Jahr hätten sie sich in den letzten knapp 20 Jahren gesehen, doch als die mittlerweile Verstorbene für ein paar Tage bei ihr lebte, „um mal rauszukommen“, offenbarte sie sich. Sie müsste unbedingt etwas erzählen. Demnach sei ihr Lebensgefährte, der aktuell wegen anderer Vergehen im Gefängnis sitzt, in der Tatnacht nach Benzin stinkend und verschwitzt in die gemeinsame Wohnung in Lauenburg gekommen. Zuvor sei er mit dem Fahrrad nach Geesthacht gefahren und habe die Lkw anzündet.
Zunächst hätten ihr Mann und sie das Erzählte nicht geglaubt, gab die Zeugin an. Schließlich habe Carmen Z. häufiger falsche Geschichten erzählt Die gemeinsame Mutter hatte bereits beim vorangegangenen Verhandlungstermin ausgesagt, dass man ihr nie etwas glauben könne und sie in einer Fantasiewelt lebe.
Hinter der Verstorbenen lag eine lange Leidensgeschichte, bestätigte die Halbschwester. Carmen Z. sei seit ihrem 13. Lebensjahr drogenabhängig gewesen, unter anderem von Heroin. Viele Entzüge hätten nicht zum Erfolg geführt.
„Sie hat erwartet, dass sich den Mund halte“
Nachdem die Zeugin im Internet eine Bestätigung für den Brand fand, wollten sie und ihr Mann weitere Infos hören. Daraufhin sei die nun Verstorbene wütend geworden und habe Gewalt angedroht. „Sie hat erwartet, dass ich den Mund halte“, so die Zeugin, die Carmen Z. hernach vor die Tür setzte.
Doch auch bei späteren Treffen, wo es um eine Normalisierung des Verhältnisses ging, habe Carmen Z. die Geschichte wiederholt. „Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte sie nicht dreimal das Gleiche erzählt, sondern widersprüchlich Dinge, wie sonst auch“, war die Zeugin überzeugt.
Wegen der ebenfalls wiederholten Bedrohungen gingen die Halbschwester und ihr Mann schließlich zur Polizei. Das brachte die Ermittlungen ins Rollen. Unter einem Vorwand sollte Carmen Z. ins Auto der Halbschwester gelockt werden, damit die Vorwürfe aufgezeichnet werden können. Das geschah auf dem Parkplatz von Penny in Lauenburg. Dabei sollte sie auch ein Bild des vermeintlichen Auftraggebers der Brandstiftung zeigen, damit Carmen Z. den Mann identifizieren könne, was diese auch tat.
DNA-Material in Handschuh gefunden
Die Verteidigung konfrontierte die Zeugin derweil mit ihren sich widersprechenden Aussagen, die die Polizei protokolliert habe. „Mal soll es um mehrere Tausend Euro gegangen sein, dann nur noch um 1000 Euro und später einige Hundert. Das haben sie ausgesagt. Ab wann ist es für sie ein Widerspruch in den Aussagen?“ fragte die Verteidigerin des Hauptverdächtigen.
- Mann (73) verliert Kontrolle über Lkw und fährt gegen Ampel
- Schutzengel gehabt! 37-Jähriger überlebt Unfall mit Bus
- Aus der Behindertenwerkstatt in die Fabrik – es funktioniert
Die Zeugin gab an, sich nach der langen Zeit, nicht mehr exakt erinnern zu können. Was sie der Polizei damals ausgesagt habe, entspreche der Wahrheit. Heute erinnere sie nur noch, dass der Täter mit der Tat seine Sucht finanzieren wolle. Carmen Z. habe gesagt: „Für Koks macht er alles.“
Belastendes Material gegen die Männer auf der Anklagebank gibt es bislang wenig. In der Nähe des Tatorts ist am durchtrennten Maschendrahtzaun ein paar Handschuhe gefunden worden. In einem wurde DNA-Material des Hauptverdächtigen gefunden. Einige Meter weiter im Gleisbett zudem ein Seitenschneider.
Der Prozess wird am 15. März fortgesetzt.